Darf's ein bisschen mehr sein?

Mehrwertdienstleistungen – Was sind "Value Added Services" und wie genau funktionieren diese? Ein Blick hinter die Kulissen beim Chemielogistiker Talke.

Von Emilia Poljakov

Vorbei die Zeiten, in denen Logistikdienstleister auf den reinen Transport oder die klassische Lagerhaltung beschränkt waren. Heute werden so genannte Value Added Services, zu deutsch Mehrwertdienstleistungen, immer wichtiger.

Entlang der Wertschöpfungskette sind viele Aufgaben zu erfüllen, auch wenn diese für den Endanwender nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbar sind. Übernehmen Logistiker diese zusätzlichen Dienstleistungen, spricht man von Mehrwertdiensten oder eben Value Added Services.

Zu den gefragtesten Leistungen zählt das Ab- und Umfüllen, denn die Verpackung, die aus der Produktion kommt, ist häufig nicht deckungsgleich mit jener, die der Endabnehmer wünscht. Unternehmen wie die in Hürth bei Köln ansässige Talke-Gruppe nehmen für ihre Kunden die Abfüllung in Gebinde oder Gebindewechsel in allen üblichen Formen vor: vom Silo- bzw. Tank­auflieger über IBC, Big-Bags oder Octabins bis zum Sack oder Kanister. Dabei kann der Transfer sowohl vom großen ins kleine als auch vom kleineren ins größere Gebinde erfolgen – ganz so, wie die Supply Chain oder der Markt es erfordern.

Andere typische Beispiele für Value Added Services sind Probenahmen zu Qualitätssicherungszwecken; das Mahlen, Mischen und Sieben von Schüttgütern oder auch Co-Packing beziehungsweise Konfektionierungsarbeiten.

Die Kunden der Logistiker kommen dabei längst nicht nur aus der Chemischen und Petrochemischen Industrie; auch viele Güter der Pharma-, Health Care- oder der Automobilindustrie fallen in das Portfolio spezialisierter Anbieter. Denn unabhängig davon, ob die Produkte für einen weiterverarbeitenden Betrieb oder einen Endverbraucher bestimmt sind, ähneln sich doch die Forderungen nach hoher Verfügbarkeit, gepaart mit größtmöglicher Liefersicherheit und einem konkurrenzfähigen Preis in allen Branchen.

Für den Auftraggeber ist bei den Mehrwertdienstleistungen daher der Name insoweit Programm, da die Bündelung einzelner Teilschritte eine Optimierung der Logistikprozesse ermöglicht und so entscheidende Wettbewerbsvorteile wie niedrigere Stückkosten und eine steigende Flexibilisierung generiert.

Für betriebswirtschaftlich Interessierte soll ein weiterer Vorteil nicht unerwähnt bleiben: durch das Outsourcing sinken nicht nur Personal- und Personalnebenkosten (Rekrutierung, Personalverwaltung), sie verwandeln sich auch in Sachkosten und können deshalb anders verrechnet und entsprechend bilanziert werden.

Doch Kosteneffizienz ist beileibe nicht der einzige Grund, warum sich sowohl im produzierenden Gewerbe als auch im Handel immer stärker die Überzeugung durchsetzt, dass komplexe Logistikaufgaben nicht zur Kernkompetenz der Hersteller und Inverkehrbringer gehören.

Dank langjähriger Erfahrung, einem hohen Spezialisierungsgrad und einer der Chemischen Industrie gleichenden Sicherheitsphilosophie gelingt es führenden Logistikdienstleistern heute, Sicherheit und Qualität über die gesamte Lieferkette hinweg stabil zu halten oder sogar zu steigern.

Mehrwertdienstleistungen sind ein Zukunftsmodell

Natürlich hat auch der Anbieter von Mehrwertdiensten entscheidende Vorteile durch die Erweiterung seines Angebotes. Zum einen haben die Full-Service-Dienstleister im Vergleich zu reinen Anbietern speditioneller Services einen wesentlich größeren Anteil an der Wertschöpfungskette. Diese tiefe Integration kann eine im reifen Markt der europäischen Chemielogistik besonders wichtige, verbesserte Kundenbindung mit sich bringen. Zum anderen bieten Aufträge mit einem hohen Komplexitätsgrad eine lukrative Möglichkeit, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Dies gilt umso mehr, da der Outsourcinggrad in der Chemie, im Vergleich zu anderen Teilmärkten, noch unterdurchschnittlich ist. Mehrwertdienstleistungen sind also ein Zukunftsmodell.

Werden langfristige Verträge geschlossen, schafft die vertrauensvolle Zusammenarbeit zudem Raum für Investitionen auf Seiten der Dienstleister. Schließlich stellen viele Produkte ganz besondere Anforderungen an ihren Umgang, einerseits im Hinblick auf ihr Gefahrenpotenzial; andererseits hinsichtlich der Sicherung der Produktqualität, beispielsweise über Reinraumabfüllungen oder Stickstoffüberlagerung.

So handhabt Talke an seinem rheinischen Hauptsitz eine große Bandbreite verschiedenartiger Produkte: Feste und flüssige Güter, chemische Rohstoffe, Futtermittelzusatzstoffe sowie Zwischen- und Fertigprodukte – unabhängig davon, ob es sich um harmlose, entzündbare, toxische, ätzende oder umweltgefährdende Materialien handelt. Für die Abfüllung von Flüssigkeiten direkt aus dem Tank stehen mehrere Abfüllanlagen zur Verfügung, die mehrfach täglich genutzt werden.

Um solche Prozesse rechtskonform und sicher durchführen zu können, muss der Mehrwertdienstleister noch mehr als ein klassischer Lagerhalter über Kompetenzen im national geprägten Chemikalienumgangsrecht, Wasserrecht sowie im Arbeitsschutz verfügen und dieses Wissen an den empfindlichen Schnittstellen zur Beförderung mit internationalem Gefahrgutrecht verzahnen.

Sicherheit und Qualität wie beim Chemie-Hersteller

So steht bei Talke vor dem Beginn jeder Abfüllung ein so genanntes Freigabeverfahren, bei dem die Angaben aus dem Sicherheitsdatenblatt sowohl auf Übereinstimmung mit der eigenen Genehmigung als auch auf Plausibilität überprüft werden. Geeignete Löschmittel, Wassergefährdungs- sowie Lagerklasse, aber auch die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Stoffes werden hierzu betrachtet. Teilweise werden auch Berechnungen, wie beispielsweise die Ermittlung des Qtox-Wertes notwendig. Bei dieser Kennzahl wird ein Quotient gebildet, der den Dampfdruck bei 20 Grad und dem LC50-Wert in ein Verhältnis zueinander setzt, um zu einer weitergehenden Aussage über die Gefährlichkeit toxischer Stoffe im Störfall zu kommen.

Beide Parameter wurden gewählt, da sie in Sicherheitsdatenblättern in der Regel verfügbar sind. Aus dem Dampfdruck kann dabei die Verteilung eines Stoffes in der Umwelt bewertet werden. Dabei gilt: je höher der Dampfdruck, desto höher die Produktflüchtigkeit. LC50 wiederum steht für die Konzen­tration, die für 50 Prozent der Versuchstiere in einem festgelegten Zeitraum beim Einatmen tödlich ist. Selbstverständlich wird jede Produktprüfung, unabhängig vom Ergebnis, anschließend dokumentiert.

Doch nicht nur die reine Genehmigungslage möchte beachtet werden. Auch die technische Anlagensicherheit muss geprüft werden. Welches Schlauch- und Dichtungsmaterial verwendet werden kann und welche Verpackung zu befüllen ist, wird daher meist in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber sowie Materialexperten abgestimmt.

Um Sicherheits- und Qualitätsrisiken durch Produktvermischungen oder gar Produktaustritten vorzubeugen, ist weiterhin eine eindeutige Kennzeichnung des Schlauchmaterials sowie eine geeignete Schlauchlagerung und Wartung notwendig.

Schlauchleitungen werden einmal jährlich durch die hauseigene Fachwerkstatt geprüft und zudem auch bei einem positiven Testresultat nach einer festgelegten Maximalnutzungsfrist ausgemustert. Die Wartung der eigentlichen Abfüllanlagen erfolgt dann durch den Anlagenhersteller innerhalb des von ihm vorgegebenen Prüfintervalls.

Sicherheitseinrichtungen, die automatisch greifen, wie z.B. die Überwachung der Wirksamkeit des Abluftstroms und der Abluftdekontamination verbunden mit der Notabschaltung, schaffen die weiteren Voraussetzungen für einen sicheren Abfüllbetrieb.

Mit Blick auf den Arbeitsschutz stehen neben der Gefährdungsbeurteilung natürlich vor allem die Auswahl der Schutzmaßnahmen sowie die Unterweisung der Mitarbeiter im Fokus. Neben dem ausreichenden Schutz durch technische oder organisatorische Maßnahmen muss über geeignete persönliche Schutzausrüstung das Schutzziel erreicht werden. Standardmäßig tragen die Mitarbeiter in den Abfüllbereichen körperbedeckende Arbeitskleidung, knöchelhohe Sicherheitsschuhe, Schutzhelm, Handschuhe sowie eine Schutzbrille.

Stoffspezifisch können weitere Schutzausrüstungen bis hin zum medienundurchlässigen Chemikalienschutzanzug samt Atemmaske notwendig sein. Weiterhin ist die korrekte Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sowie die nach § 14 Gefahrstoffverordnung geforderte Mitarbeiterunterweisung, durchzuführen und zu dokumentieren.

Handelt es sich bei dem Füllgut um ein Gefahrgut, wird der Logistikdienstleister zudem zum Verpacker gemäß der Transportvorschriften und muss sicherstellen, dass alle Anforderungen aus § 22 GGVSEB erfüllt werden.

Dies gilt auch, obwohl er in der Praxis häufig nur in geringem Maße Einfluss auf die tatsächliche Auswahl der Verpackung hat, da diese meist vom Produzenten beziehungsweise Auftraggeber vorgegeben wird.

Problematisch ist diese Konstellation insofern nicht, als dass auch der Absender Verantwortung für die geeignete Gefahrgutumschließung trägt. Selbst in den Fällen, in denen der Hersteller für die anschließende Ortsveränderung des Gefahrguts einen Speditionsauftrag abschließt und somit als Auftraggeber des Absenders keine direkte juristische Verpflichtung hat, greifen die Selbstverpflichtungen der Chemischen Industrie hinsichtlich ihrer Produktverantwortung auch jenseits des Werkszaunes und Umsetzungsschwierigkeiten sind nicht bekannt.

Die Verpackungen werden unmittelbar vor der Befüllung nach Kundenvorgaben sowohl mit dem Gefahrstoffetikett als auch mit Gefahrzetteln gekennzeichnet. Werden die Etikett-Vorlagen elektronisch übermittelt und vor Ort vom Dienstleister ausgedruckt, sollte darauf geachtet werden, dass die definierten Kennzeichnungselemente in Größe und Farbe auch nach dem Ausdruck noch den Anforderungen entsprechen.

Die Einhaltung der höchstzulässigen Masse wird über geeichte Waagen sichergestellt, die Einhaltung des höchstzulässigen Füllungsgrades über Eingabe an der Befüllanlage. Liquiphanten, also Füllstandsmesser mit Grenzschalter, verhindern zusätzlich die Überfüllung von Gebinden.

Um zu gewährleisten, dass Auftraggeber und Logistiker bezüglich der IT-Integration eine gemeinsame Sprache sprechen, erfolgt die Verwaltung der Abfüll- sowie Lagerprozesse bei Talke über Softwarelösungen von SAP. Je nach Kundenwunsch wird dabei entweder im eigenen SAP-System gearbeitet oder auch das System des Herstellers genutzt. Eigenbefüllte Gebinde werden zudem für eine leichtere Rückverfolgbarkeit mit einem Barcode ausgestattet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Logistikunternehmen dank Mehrwertdienstleistungen bereits heute tief in die Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozesse ihrer Kunden eingebunden sind. Sie transportieren nicht nur, sondern tragen über zunehmend produktionsvor- und nachbereitende Prozesse aktiv zum Geschäftserfolg ihrer Kunden bei. Dort, wo Logistik auf Verfahrenstechnik trifft, ist vor allem das partnerschaftliche Miteinander von Herstellern, Lieferanten und Logistikdienstleistern entscheidend. Gerade der offene Austausch zwischen den einzelnen Gliedern der Lieferkette sollte daher konsequent weitergeführt und die interdisziplinäre Ausbildung von Gefahrstoff- und Gefahrgutexperten ausgebaut werden.

(aus: gela 11/17, www.gefaehrliche-ladung.de)

Produktempfehlungen

Gefahrgut-Newsletter.png
ecomed-Storck Gefahrgut

Rund um Gefahrgut bestens bedient: Der Newsletter Gefahrgut bringt Sie wöchentlich auf den aktuellen Stand mit top-aktuellen Meldungen von gefahrgut.de. Tipps zu unseren Produkten und Veranstaltungen sowie hilfreiche Hintergrundinfos erhalten Sie monatlich in einer Spezial-Ausgabe. So bleiben Sie in Sachen Gefahrgut auf dem Laufenden!

Kontakt & Service

E-Mail: kundenservice@ecomed-storck.de | Telefon: +49 (0)89 2183-7922 | Telefax: +49 (0)89 2183-7620

Themen | Gefahrgut-Foren | Veranstaltungen | Int. Gefahrgut-Tage Hamburg | Deutscher Gefahrgut-Preis | Shop

Newsletter | Verlag | Kontakt | Impressum | AGB | Datenschutz | Datenschutz-Einstellungen

Weitere Online-Angebote der ecomed-Storck GmbH

gefaehrliche-ladung.de | der-gefahrgut-beauftragte.de | gefahrgut-foren.de | adr-2023.de