Illegaler Handel mit gefährlichen Chemikalien

Nach einer Studie wird weltweit gegen das Rotterdamer Übereinkommen verstoßen

(ur) Für eine Studie, die am 10. Juli 2023 in der Zeitschrift «Nature Sustainability» unter dem Titel „Continuing large-scale global trade and illegal trade of highly hazardous chemicals“ veröffentlicht wurde, analysierten Forschende aus China und der Schweiz für 46 der 54 in dem Rotterdamer Übereinkommen gelisteten Chemikalien öffentliche Handelsdaten aus der Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen. Ergebnis: Von 2004 bis 2019 wurden weltweit insgesamt 64,5 Millionen Tonnen dieser Stoffe gehandelt. Davon wurden 27,5 Millionen Tonnen illegal gehandelt, also an Länder exportiert, die einen Import ausdrücklich abgelehnt hatten.

Die Nichteinhaltung des Rotterdamer Übereinkommens ist ein weltweites Phänomen, insbesondere bei vielen Ländern in West-, Zentral- und Südeuropa sowie in Süd- und Südostasien. Gleichzeitig waren diese Regionen auch am meisten von illegalen Importen betroffen, gemeinsam mit dem Mittleren Osten und Nordafrika sowie Lateinamerika. „Dieser weit verbreitete illegale Handel ist höchst besorgniserregend. Er untergräbt die weltweiten Bemühungen, uns und unsere Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu schützen“, sagt Dr. Zhanyun Wang, Forscher an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (empa) in Zürich.

Gemäß dem Studien-Initiator Wang und seinen Co-Autoren ist das Ergebnis der Studie eine eher konservative Einschätzung des illegalen Handels mit gefährlichen Chemikalien, da Schmuggel und Schwarzmarkthandel von der Analyse explizit ausgeschlossen waren.

Problematisch ist für Wang auch das insgesamt sehr hohe gehandelte Volumen der gefährlichen Substanzen. Von den insgesamt 64.5 Millionen Tonnen entfällt der Großteil – 55.3 Millionen Tonnen – auf Ethylendichlorid, ein karzinogenes und organschädigendes Lösungsmittel, das zur Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC) dient. An zweiter Stelle folgt mit 6.3 Millionen Tonnen das toxische Reagenz, Desinfektionsmittel und Pestizid Ethylenoxid.

Überraschenderweise entdeckten die Autorinnen und Autoren zudem einen regen Handel mit einigen Stoffen, deren Einsatz seit Jahren, teilweise sogar seit Jahrzehnten, stark eingeschränkt oder gar verboten ist. Dazu zählen beispielsweise die Pestizide Aldrin, Chlordan, Heptachlor und Dieldrin, die seit 2004 weltweit als „schmutziges Dutzend“ im Rahmen des Stockholmer Übereinkommens verboten sind. Ebenfalls weiterhin gehandelt, wenn auch in viel kleineren Mengen von einigen tausend Tonnen, werden die als neurotoxisch bekannte Antiklopfmittel Tetraethyl- und Tetramethylblei. Trotz jahrzehntelanger globaler Bemühungen, sie aus dem Benzin für normale Autos zu eliminieren, kommen sie offenbar noch in gewissen Spezialtreibstoffen zum Einsatz.

Die Forschenden empfehlen, nationale und internationale Maßnahmen gegen den Handel mit gefährlichen Chemikalien zu verstärken, insbesondere solche gegen den illegalen Handel. Unter anderem sollten weitere problematische Chemikalien ins Übereinkommen aufgenommen werden, etwa Chrysotilasbest. Diese Art von Asbest ist die weitaus häufigste – und die einzige der sechs Arten, die noch nicht Gegenstand des Übereinkommens ist.

Hintergrund

Das Rotterdamer Übereinkommen (www.pic.int) über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel, auch PIC-Übereinkommen genannt, trat 2004 in Kraft. Dieser internationale Vertrag regelt den Handel von 54 (Stand Februar 2023) gefährlichen Chemikalien. Demnach darf jeder dieser Stoffe nur dann in ein bestimmtes Land eingeführt werden, wenn dieses Land vorab über die Gefahren informiert wurde und eine Zustimmung erteilt hat („Prior Informed Consent“ - PIC). Sollte ein Land keine Einfuhrzustimmung erteilen, so verpflichtet es sich auch, die betreffende Chemikalie nicht mehr selbst zu produzieren und nicht von Nicht-Mitgliedstaaten zu importieren. Das Übereinkommen wurde bisher von 165 Ländern ratifiziert.

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