Unternehmen und Verantwortung

Ecta – Mitte September lud die European Chemical Transport Association (Ecta) zu einem Responsible Care Workshop nach Brüssel ein. Dabei ging es um SQAS, CSR und Verantwortlichkeiten an Be- und Entladestellen.

(uh) Dem Ruf der ECTA folgten fast 80 Logistiker, 20 davon kamen erfreulicherweise aus der verladenden Wirtschaft (u.a. BASF, Dow, Evonik, ExxonMobile, Sabic, Yara), was deren Engagement für die Thematik eindrucksvoll unterstrich.

Responsible Care-Entwicklung

Marc Twisk, Ecta-Geschäftsführer und Responsible Care (RC)-Koordinator, brachte in seiner Begrüßung die freudige Überraschung zum Ausdruck, dass er nicht mit einem solchen Teilnehmer-Echo gerechnet habe und von Woche zu Woche größere Räumlichkeiten zu suchen hatte. Der ehemalige SQAS-Manager bei Cefic präsentierte sodann die Ecta-Aktivitäten im Rahmen von Responsible Care.

Ecta-Mitglieder können sich auf freiwilliger Basis – sofern sie SQAS-auditiert sind – dem RC-Programm anschließen. Sie müssen sich dazu den RC-Bedingungen verpflichten und ihre Key Performance Indicators (KPI) an Ecta melden. Im Gegenzug dürfen sie sich mit dem RC-Logo schmücken, das der europäischen Chemischen Industrie signalisiert, es hier mit einem LSP zu tun zu haben, der seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Supply Chain leistet.

Der RC-Jahresbericht 2014 basiert auf den Reports der 59 Mitglieder, die im Berichtszeitraum 90 Mio. Tonnen chemischer Güter bewegt haben. Zwar wurden 80 Prozent aller Beförderungen ausschließlich auf der Straße vorgenommen, doch interessant ist, dass auf 42 Prozent der insgesamt bewältigten Strecken intermodal transportiert wurde. Im Dreijahresvergleich konnte u.a. durch die verstärkte Nutzung der Bahn die Menge des ausgestoßenen CO2 pro beförderter Tonne erkennbar reduziert werden.

Weiteren Handlungsbedarf lässt vor allem die Unfallstatistik erkennen. Hier muss ein Schwerpunkt auf die Entladestellen gelegt werden, bei denen es wesentlich häufiger zu Vorfällen kommt als bei der Beladung und Beförderung. Für die kommenden Monate will Ecta einen Aktionsplan entwickeln, um bei den Empfängern der Güter – die nicht unbedingt Mitglieder der einschlägigen und mit RC vertrauten Verbände sind – Überzeugungsarbeit für mehr Sicherheit zu leisten. Konkreteste Maßnahme wäre, die Chemiekunden bei Abschluss von Kaufverträgen über die Anforderungen an Entladestellen (Ecta/Cefic-Broschüre über "Safe Loading and Unloading" zu informieren. Hilfreich wäre da eine engere Zusammenarbeit von Verkauf und Logistikabteilung, da letztere über entsprechende Informationen verfügt.

Unter seinen Mitgliedern hatte Ecta kürzlich eine Umfrage durchgeführt, zu der 69 Unternehmen Antworten lieferten. Darin ging es um die aktuellen Herausforderungen (ein Logistiker kennt keine "Probleme") der Branche. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Fahrern werden immer mehr Aufgaben an Be- und Entladestationen aufgebürdet, die nicht ihrem Berufsbild entsprechen.

Hier zeigt sich, dass vielfach die von Ecta und Cefic publizierten Richtlinien bei Kunden nicht bekannt, nicht angewendet oder nicht respektiert werden.

  • Wegen unterschiedlicher Software bei Industriebetrieben und Logistikern kommt es zu höherem Verwaltungsaufwand mit zusätzlichen Kosten.

Ecta hat dazu umgehend ein Projekt angestoßen, um gemeinsam mit den Beteiligten und führenden Softwareanbietern eine Plattform-Lösung zu erarbeiten.

  • Die Fahrerausbildung (Training) ist uneinheitlich. ADR- und andere wichtige Module sind nicht in der EU-Direktive 2003/59 enthalten.
  • LSPs entsprechen verschiedenen Normen (ISO 9000, SQAS, ISO 14000) und Assessment-Programmen, werden dafür jedoch nicht angemessen entlohnt.
  • Viele Informationen werden nicht effizient verteilt und Fahrer erhalten sie vielfach nicht, obwohl sie darauf einen Rechtsanspruch haben.

Dr. Patrick Meersmans, Direktor Supply Chain Polymers Europe bei Sabic, berichtete über die Vorteile, die ein Chemieproduzent aus dem Responsible Care-Programm ziehen kann, gerade, wenn es um die Weiterentwicklung der Beziehung mit engagierten Logistik-Unternehmen geht.

Sabic nutzt die SQAS-Auditberichte sehr ernsthaft bei der Auswahl seiner Logistik-Dienstleister. Auf die relevanten Ecta/Cefic-Richtlinien wird bei Kontrakten Bezug genommen und bei Zuwiderhandlungen gegen die Sicherheitsbestimmungen kommen Sanktionen in Form von "Zeitstrafen" für den Fahrer zum Einsatz.

Auch er sah die Probleme, welche sich mancherorts speziell an Entladestellen ergeben, wo der anliefernde Fahrer mit der Aufgabe allein gelassen wird, sich auf dem Betriebsgelände zurecht finden zu müssen und das Produkt selbständig zu entladen.

Einen Teil der Problematik führte er zurück auf die Aufgabe, z.B. in einem Großbetrieb der Chemie rechnerisch jährlich 20.000 "neue" Fahrer auf dem Gelände zu haben, die prinzipiell zu unterweisen sind, während es im eigentlichen Produktionsbetrieb gerade mal etwa 2.000 Personen sind, was vergleichsweise überschaubar sei.

Gute Erfahrungen hat Sabic seinen Worten zufolge mit dem von Ecta propagierten Swap & Drop-Prinzip gemacht: Eine eigens aufgestellte dedicated loading crew ist an Sabic-Standorten zuständig für die Be- und Entladung sowie einen Shuttledienst für Trailer zwischen Ladestelle und einem Übergabeplatz außerhalb des Betriebsgeländes.

Behaviour Based Safety

Thomas Kiso von Dekra widmete sich dem Thema "Behaviour Based Safety (BBS) für Fahrer". Er bestätigte, dass dieses Weiterqualifizierungsprogramm in Europa anerkannt und praktiziert werde, behördlicherseits jedoch nicht in Verbindung mit der Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer (CPC/Berufskraftfahrer-Qualifikation) akzeptiert werde. Positive Ausnahmen bildeten Belgien, Deutschland und demnächst voraussichtlich Polen. In Belgien wird eine Kombination von 3,5 Std. Theorie mit 3,5 Std. praktischem Fahren im Rahmen der CPC-Direktive akzeptiert, in Deutschland wird BBS-Training finanziell unterstützt.

Dekra arbeitet auf europäischer Ebene daran, BBS in die europäische Rechtsetzung zu integrieren.

Jo van Weyenberg von B-logistics zeigte auf, wie BBS auch im Bahnverkehr als Werkzeug eingesetzt werden kann, um die Sicherheit zu erhöhen. Im Bewusstsein, dass selbst, wenn alle Sicherheits-Rahmenbedingungen erfüllt sind, der Gesamtzusammenhang das Verhalten der Mitarbeiter beeinflusst, hat das Unternehmen hohe Investitionen in Sicherheitstrainings seiner Belegschaft getätigt. Zudem wurden Risikoanalysen gefertigt und Maßnahmen zur Reduzierung identifizierter Schwachstellen getroffen. So konnte durch einen Ermüdungs- und Risiko-Rechner derart gezielt an der Schichtarbeitsproblematik gearbeitet werden, dass nach nur einem Jahr keine Schichten mit hohem Risiko mehr existieren, jene mit mittlerem Risiko wurden auf nunmehr 2 reduziert, während die sehr sicheren Schichten 96 Prozent ausmachen.

Corporate Social Responsibility

Eine Arbeitsgruppe befasste sich im Rahmen des Workshops mit der neuen Anforderung der Industrie an die "unternehmerische Sozialverantwortung", kurz CSR (Corporate Social Responsibility) genannt. Ausnahmsweise richtet sich dieser Anspruch nicht allein auf eine Erfüllung durch den Logistikdienstleister, sondern in erster Linie auf die eigene Industrie. Mit den CSR-Prinzipien soll verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den Beziehungen zu Mitarbeitern (Arbeitsplatz) umgesetzt werden. Praktisch richtet sich CSR gegen z.B. Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitskräften, Korruption, Betrug, Geldwäsche, Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung.

Positiv formuliert sind diese Ziele durch die Begriffe des "Ehrbaren Kaufmanns" und der "Nachhaltigkeit" in Europa hinlänglich bekannt und meist Bestandteil der rechtlichen Regelungen. Ob sie immer von allen stringent eingehalten werden, sei dahingestellt.

Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe zerbrachen sich daraufhin den Kopf darüber, wie weit die mit CSR einzugehende Selbstverpflichtung gehe: Muss man erkunden, ob die anzuschaffende Arbeitskleidung im Ausland durch Kinderarbeit hergestellt wurde? So konkret vielleicht nicht, aber die Problemstellung hilft sicher bei der Bewusstmachung der Zielsetzung.

Ecta hat bereits eine Erklärung zu den CSR-Anforderungen vorformuliert, die von den Mitgliedern übernommen werden kann. Zusammen mit einer Hilfestellung zur "Lücken-Analyse" ist ein Self-Assessment übergangsweise möglich. Das überarbeitete SQAS 2015 wurde übrigens um 20 CSR-relevante Fragen im Kern-Fragebogen erweitert.

SQAS-Fragen

Geht es bei LSPs um das Thema SQAS, dann wird mit Prozentzahlen um sich geworfen. Ungeachtet des Umstands, dass entscheidend ist, was der jeweilige Kunde für wichtig und relevant hält, fühlen sich alle bemüßigt, die "100 Prozent" zu erreichen.

Beim Workshop nun wurde klargemacht, dass 95 % und mehr positiver Antworten bei Ecta/Cefic zu einer Überprüfung des Assessors führen, denn dann kann etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Empfehlung: Bei ca. 75 % sollte genau geprüft werden, ob sich der Aufwand für mehr wirklich lohnt.

Interessant in diesem Zusammenhang noch die Aussage eines LSP, der einen neuen SQAS-Report online brachte, ihn aber bewusst für alle Kunden sperrte – es verging ein ganzes Jahr, bevor es jemandem auffiel und nachgefragt wurde. Mit anderen Worten: Kein Mitglied der Service Group und mithin keiner der derzeit 44 Chemieverlader hat sich für den SQAS-Report interessiert. Was die Frage provoziert, ob überhaupt gelegentlich jemand in die für teures Geld erstellten Reports hineinschaut. Es wäre dem Sicherheitsgedanken zuträglich, dieses Tool regelmäßig einzusetzen.

(aus: gela 11/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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