Eiskalt geregelt

Abschnitt 5.5.3 ADR – Die Sondervorschriften über Stoffe, die bei der Verwendung zu Kühl- und Konditionierungszwecken eine Erstickungsgefahr darstellen können, gehen in die dritte Runde – ein Überblick.

(Joachim Wolf) Die Sondervorschriften für Versandstücke, Fahrzeuge und Container, die mit bestimmten, zu Kühl- oder Konditionierungszwecken des Inhalts/der Ladung erforderlichen Stoffen versehen sind, werden 2017 in unmittelbarer Folge zum zweiten Mal geändert. Allgemein wird dadurch deutlich, wie lang ein Weg sein kann, um zu einer praktikablen Vorschrift zu gelangen, die den gefährlichen Grundsatz "Nicht so sicher wie möglich, sondern so sicher wie für die Beförderung unter Normalbedingungen erforderlich" erfüllt.

Geltungsbereich

Versandstücke, Fahrzeuge und Container unterliegen Abschn. 5.5.3, wenn sie zum Zwecke der Kühlung oder Konditionierung ihres Inhalts/ihrer Ladung Stoffe enthalten, die sich verflüchtigen und auf diese Weise erstickend wirkende Gase in den Laderäumen freisetzen können, z. B. UN?1845 Kohlendioxid, fest (Trockeneis), UN?1951 Argon, tiefgekühlt, flüssig und UN?1977 Stickstoff, tiefgekühlt, flüssig. Diesem Abschnitt unterliegen auch Fahrzeuge und Container, die zu Kühl- oder Konditionierungszwecken eingesetzte Stoffe im unverpackten Zustand enthalten.

Der Geltungsbereich dieser Vorschriften ist eingegrenzt:

  • Sie sind nicht anzuwenden, wenn Stoffe, die zur Kühlung oder Konditionierung geeignet sind, als eigenständige Sendung nach den Vorgaben in Kap.?3.2 Tabelle?A befördert werden. Von dieser Regelung ist die Versendung von UN?1845 Trockeneis ab 2017 ausgenommen.
  • Sie erfassen keine Gase, die in Kühlkreisläufen enthalten sind.
  • Sie sind nicht für gefährliche Güter anwendbar, die eingesetzt werden, um Tanks oder MEGC zu kühlen oder zu konditionieren.
  • Sie gelten hinsichtlich der Kennzeichnung der Fahrzeuge und Container (Unterabschn. 5.5.3.6) und der Dokumentation (Unterabschn. 5.5.3.7) nur, wenn die Atmosphäre in den Laderäumen eine tatsächliche Erstickungsgefahr darstellt.


Die Beförderung in Fahrzeugen und Containern mit zu Kühl- oder Konditionierungszwecken der Ladung (Begasung ausgenommen) verwendeten Stoffen unterliegt nach Abs. 5.5.2.3.1 nur den Vorschriften des Abschn. 5.5.3. Diese Aussage muss im Zusammenhang mit der in Abs. 5.5.3.2.4 geforderten Unterweisung, die im Rahmen der Vorgaben in Kap.?1.3 erfolgen sollte, und den in Unterabschn. 7.5.1.1 vorgeschriebenen Kontrollen bei der Ankunft am Entladeort hinterfragt werden.

Ab 2017 wird klargestellt, dass Abschn. 5.5.3 hinsichtlich UN?1845 Trockeneis gilt, wenn es als ein zur Kühlung oder Konditionierung der Ladung bestimmtes Mittel eingesetzt oder als eigenständige Ladung befördert wird. Die nach Abs. 5.5.3.3.1 vorgeschriebene Verpackung für Versandstücke ist hiervon ausgenommen.

Abs. 5.5.3.2.2 verweist darauf, dass bei der Beförderung gefährlicher Güter in Versandstücken, die Stoffe zur Kühlung oder Konditionierung enthalten, in Fahrzeugen und Containern neben den Vorschriften in Abschn. 5.5.3 die übrigen relevanten Vorschriften des ADR einzuhalten sind.

Erstickungsgefahr

Die an der Beförderung Beteiligten haben die Aufgabe, das Risiko einer Erstickungsgefahr zu beurteilen – wobei es auch notwendig sein kann, die Laderäume von Fahrzeugen und Containern vor der Entladung, z. B. bei einer Havarie oder einer Zollkontrolle von Ladungen ohne TIR-Verschluss, zu öffnen. Die Beteiligten sollen dazu ausgehen von:

  • den bekannten Gefahren der Stoffe, die zur Kühlung oder Konditionierung eingesetzt werden,
  • der Stoffmenge,
  • der im konkreten Fall erreichten Beförderungszeit,
  • der Art und dem Zustand der eingesetzten Verpackungen und Umschließungen,
  • den ermittelten Gaskonzen­trationswerten in der Atmosphäre in den Laderäumen (ab 2017).


Es ist also zu bewerten, ob die in Abs. 5.5.3.3.3 geforderte gute Belüftung während der Beförderung gewährleistet und vor der Entladung tatsächlich erfolgt ist. Eine Bewertung vor Beförderungsbeginn ist erforderlich, um entscheiden zu können, ob eine Kennzeichnung notwendig ist.

Laderäume von Fahrzeugen und Containern gelten nach der für 2017 zu erwartenden Bemerkung zu Abs. 5.5.3.3.3 als gut belüftet, wenn in deren Atmosphäre die Konzentration von Kohlendioxid unter 0,5 Vol.-% und die von Sauerstoff über 19,5 Vol.-% liegt. Um sich zuverlässig überzeugen zu können, ob eine gute Belüftung vorhanden ist, kann es erforderlich werden, geeignete Prüfgeräte durch Personal, ggf. ausgerüstet mit geeignetem Atemschutz, einzusetzen.

Die Forderung nach guter Belüftung wird nicht gestellt, wenn ein Austausch der erstickend wirkenden Atmosphäre zwischen Ladeabteilen und während der Beförderung zugänglichen Abteilen einerseits sowie dem Fahrerhaus andererseits ausgeschlossen ist. Dies gilt auch, wenn die Beförderung in wärmegedämmten Laderäumen oder in Abteilen mit in Betrieb befindlichen Kältespeichern oder -maschinen (u. a. nach ATP) erfolgt.

Um bestimmte Güter der Klasse 5.2 zu befördern, sind die zusätzlichen Vorschriften CV21 und CV22 in Abschn. 7.5.11 zu beachten – auf sie wird in Kap.?3.2 Tabelle?A Spalte?18 stoffspezifisch verwiesen.

In Nr.?5-22 RSEB wird auf Konzentrationsgrenzwerte und Beurteilungskriterien in arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften verwiesen, welche die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Verfügung stellt.

Unterweisung und Pflichten

Die Forderung in Abs. 5.5.3.2.4, die Personen, die mit der Handhabung und Beförderung von Fahrzeugen und Containern mit zur Kühlung oder Konditionierung verwendeten Stoffen befasst sind, hinsichtlich ihrer Pflichten zu unterweisen, ist als aufgabenbezogene Unterweisung nach Unterabschn. 1.3.2.2 zu verstehen und unterliegt somit den Vorschriften in Kap.?1.3. Zu diesen Pflichten gehört auch, richtig mit Geräten umgehen zu können, die dazu dienen, eine für die Gesundheit unbedenkliche Atmosphäre in den Laderäumen festzustellen, bevor diese betreten werden dürfen. Nach Abs. 5.5.3.6.1 (ADR 2017) sind an der Belüftung beteiligte Personen über die vor dem Betreten der Laderäume zu beachtenden Vorschriften zu schulen.

Soweit es sich dabei um Pflichten des Entladers handelt, sind sie bei entsprechender Auslegung in § 23a Abs.?1 Nr.?4 GGVSEB in Verbindung mit Abs. 1.4.3.7.1 Buchstabe?c) und e) vorgeschrieben. Es wäre aber sachdienlich, die Pflichten des Entladers und anderer, die an der Öffnung solcher Laderäume beteiligt sind, um die Atmosphäre darin zu prüfen, direkt zu benennen.

Kennzeichnung

Fahrzeuge und Container müssen an jeder für Personen zugänglichen Stelle leicht einsehbar mit Warnkennzeichen gemäß Abs. 5.5.3.6.2 gekennzeichnet sein. Nach dem zu erwartenden Abs. 5.5.3.3.3 (ab 2017) ist dies der Fall, wenn ein Austausch der Atmosphäre zwischen Ladebereich und anderen während der Beförderung zugänglichen Fahrzeugbereichen einerseits und dem Fahrerhaus andererseits sicher verhindert wird oder der Ladebereich wärmegedämmt ist oder mit Kältemaschinen bzw. -speichern betrieben wird. Auf die Kennzeichnung wird verzichtet, wenn bei der Beladung der Fahrzeuge und Container von einer durchgehend guten Belüftung der Laderäume während der Beförderung ausgegangen werden kann.

Für Versandstücke mit für die Kühlung oder Konditionierung bestimmten Stoffen wird gefordert: eine dauerhafte, lesbare und gut einsehbare Kennzeichnung, welche die in Kap.?3.2 Tabelle?A Spalte?2 angegebene Benennung umfasst, ergänzt durch den Ausdruck "ALS KÜHLMITTEL" bzw. "ALS KONDITIONIERUNGSMITTEL" laut Abs. 5.5.3.4.1.

Verpackung

Soweit eine Kühlung oder Konditionierung von Versandstücken, die gefährliche Güter enthalten, vorgeschrieben ist, müssen die Verpackungen bestimmte Verpackungsanweisungen (VA) nach Kap.?4.1 erfüllen. In Unterabschn. 5.5.3.3 wird zwischen Versandstücken differenziert, welche den Anforderungen in den VA P203, P620, P650, P800, P901 und P904 sowie nicht konkret genannten VA entsprechen müssen. Bei Letzteren müssen die Verpackungen niedrigen Temperaturen standhalten, eine Druckentlastung ermöglichen, um einen gefährlichen Druckaufbau im Verpackungsinneren zu vermeiden, und/oder unbeabsichtigte Bewegungen des gefährlichen Gutes als Folge der Verflüchtigung des Kühl- oder Konditionierungsmittels verhindern können.

Metallaufbauten von Fahrzeugen und Containern mit unverpacktem UN?1845 Kohlendioxid, fest (Trockeneis) sind vor einem direkten Kontakt mit dem Trockeneis zu schützen, um eine Versprödung der Aufbauten zu vermeiden. Nach Abs. 5.5.3.5.1 lässt sich die dazu geforderte ausreichende Isolierung durch einen Abstand zwischen Aufbauten und Trockeneis von mindestens 30 mm erreichen – z. B. durch Dazwischenstellen von Werkstoffen mit geringer Wärmeleitfähigkeit. Für den Fall einer äußeren Umhüllung von Versandstücken mit unverpacktem Trockeneis ist sicherzustellen, dass die Versandstücke während der Beförderung ihre Lage nicht verändern, wenn das Trockeneis beginnt, sich zu verflüchtigen.

(aus: gela 04/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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