Stauplanung – Um ein Containerschiff optimal zu beladen, spielen u.a. die Stau- und Trennanforderungen für Gefahrgüter eine Rolle. Geplant wird natürlich am Rechner, aber mit viel Kopf- und Handarbeit.
Von Dr. Michael Heß
Kaum hat ein Containerschiff in einem Hafen festgemacht, beginnt das geschäftige Treiben der Containerbrücken, um eine bestimmte Anzahl von Boxen zu löschen und neue zu laden, bevor das Schiff seine Reise fortsetzt. Auf den ersten Blick gleicht eine Box der anderen – wenn abweichend aussehende Container, wie Tank- oder Kühlcontainer sowie überbreite oder überhohe Container zunächst außen vor bleiben. Daher scheint ein Stauplatz an Bord ebenso gut geeignet zu sein wie der andere.
Um alle Container so sicher und effizient wie möglich auf dem Schiff zu stauen, spielen jedoch mehr Faktoren als nur die Größe der Boxen eine Rolle. All diese Faktoren muss ein Stauplaner in einer der sieben, in der ganzen Welt auf Regionen verteilten Stauzentralen der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd im Blick haben und berücksichtigen. Dabei arbeiten die Stauplaner eng zusammen, wenn sie die optimale Beladung eines Schiffes für den nächsten Teil der Reise vorbereiten und schließlich festlegen.
Umstauen vermeiden
Auf jeden Fall sollten die Container beim Löschen in ihrem Zielhafen leicht an Bord zu erreichen sein. Stünde nämlich ein zu entladender Container ganz unten im Rumpf des Schiffes, bedeckt von einem ganzen Stapel weiterer Container, die in diesem Hafen gar nicht von Bord müssen, müssten die oberen Containerlagen umgestaut werden, um an den gewünschten Container zu gelangen. Das wäre nicht nur unwirtschaftlich, sondern würde auch eine Menge Zeit kosten. Dennoch ist es für eine ideale Stauplanung bei Weitem nicht ausreichend, einfach nur die Boxen, die im nächsten Hafen von Bord müssen, ganz oben auf einen Stapel zu stauen.
Die Aufgabe ist wesentlich komplexer. Wie alle Kollegen in der Hamburger Stauzentrale besitzt auch Hannes Cueni das Kapitänspatent, das Erfahrung auf See voraussetzt und ihn befähigt, ein Schiff zu leiten. Vor seinem Job als Stauplaner ist der studierte Nautiker mit schweizerischen Wurzeln u.a. als Erster Offizier, und somit als Ladungsverantwortlicher, an Bord mehrerer Schiffe gefahren. Das nautische Fachwissen und die auf See gesammelte Erfahrung helfen ihm dabei, die Herausforderungen an Bord einzuschätzen und das eigene Handeln entsprechend anzupassen. Dabei vergeht für ihn kaum ein Tag, ohne sich mit Kapitänen und Hafenarbeitern am Terminal abzustimmen.
Verantwortung von Bord nehmen
Bevor Cueni weiß, wie viele Container mit welchen Gefahrgütern auf der nächsten Reise "seines Schiffes" befördert werden sollen, prüft die Gefahrgutabteilung von Hapag-Lloyd diese Buchungen und bereitet sie für den Planer auf. Die Reederei geht diesen besonderen Weg, um die Verantwortung bei der Beförderung gefährlicher Güter vollständig in der Gefahrgutabteilung zu bündeln und den Schiffsplaner zu unterstützen.
Der verantwortliche Gefahrgut-Manager kontrolliert anhand der Buchungsdaten vorab somit u.a., ob die Gefahrgutcontainer regelkonform beladen sind, ob Zusammenladeverbote eingehalten sind oder ob die angegebenen Verpackungen zulässig sind. Für einen Ladehafen werden zudem jedem Datensatz eines Gefahrgutcontainers die erforderlichen Stau- und Trennanforderungen gemäß IMDG-Code hinzugefügt. Teils fallen die Stau- und Trennanforderungen nach reedereieigenen Vorgaben auch strenger aus als nach IMDG-Code: generell keine flüssigen Gefahrgüter über Verkehrswegen oder Arbeitsplätzen, generell kein Gefahrgut direkt an die Aufbauten und Wohnbereiche sowie direkt angrenzend an Maschinenräume, generell keine Gefahrgüter in die Außenreihen eines Schiffs. Hier stellt die Reederei gute Seemannschaft in den Vordergrund, um Besatzung und Umwelt bestmöglich zu schützen. Schließlich findet Cueni eine Zusammenfassung für einen Ladehafen in seiner Stauplanungssoftware und parallel in seinem E-Mail-Programm. Nun kann er die Schiffsbeladung planen.
Der verantwortliche Gefahrgut-Manager kommt später noch einmal ins Spiel, wenn Cueni für die Gefahrgüter einen Stauvorschlag erarbeitet hat. "Erst wenn der Gefahrgut-Manager diesen Stauvorschlag validiert und sein Okay gegeben hat", sagt Ken Rohlmann, Leiter der Gefahrgutabteilung, "wird aus dem Stauvorschlag eine verbindliche Stauanweisung." Bei Hapag-Lloyd sei nicht der Schiffsplaner und auch nicht der Erste Offizier für die Korrektheit der Stauung der Gefahrgüter verantwortlich, sondern der Gefahrgut-Manager, auch wenn letztendlich natürlich immer der Kapitän die Verantwortung trage. Wie Rohlmann betont, habe die Besatzung jedoch genug mit ihren Aufgaben an Bord zu tun. "Deshalb haben wir die Gefahrgut-Verantwortung von Bord genommen und sie unseren Experten an Land übertragen."
Art und Ausstattung des Schiffs
Für jedes Schiff gibt es ein Document of Compliance, in dem u.a. beschrieben ist, wo an Bord das Laden von Gefahrgut zugelassen ist und ob es dabei Einschränkungen für bestimmte Klassen gibt. Diese Vorgaben sind zusammen mit dem Schiffsdesign in der Stauplanungssoftware hinterlegt. "Solche Spezialfälle gibt es für jedes Schiff", weiß Cueni. "Sie werden ebenfalls von unseren Gefahrgut-Experten überprüft." Hier unterstützt das entsprechend angepasste Stauprogramm den Stauplaner bei seiner Arbeit, indem es mit einem Alarm reagieren würde, wenn er versuchen sollte, einen Gefahrgutcontainer dort zu positionieren, wo schiffsspezifisch kein Gefahrgut erlaubt ist.
Gleiches gilt z.B. für Verbote, Kühlcontainer und gefährliche Güter im gleichen Laderaum zu stauen. In der Regel ist auf einem Containerschiff nur eine begrenzte Anzahl von Laderäumen mit besonderen elektrischen Einrichtungen, die keine Zündfunken entstehen lassen, ausgestattet, um darin gefährliche Güter transportieren zu können. Da die Elektrik von Kühlcontainern aber eine potenzielle Zündgefahr darstellt, sollen die sog. IMO-Laderäume in Abhängigkeit vom Liniendienst möglichst den Gefahrgütern vorbehalten bleiben.
Physik lässt sich nicht überlisten
Neben den Gefahrgutvorschriften gilt es auch, die physikalischen Gesetze zu kennen und zu befolgen, um zu verhindern, dass ein Schiff auf See in Not gerät. So dürfen die Stauplaner z.B. eine Seite des Schiffes nicht schwerer beladen als die andere. Das könnte zu einer Verdrehung des Schiffes und im Ernstfall zu einem strukturellen Schaden führen. Zudem gilt es, immer das sog. aufrichtende Moment zu beachten, da ein Schiff auf See sich u.a. entlang seiner Längsachse bewegt – es rollt also in einem bestimmten Winkel seitlich hin- und her.
Dabei beeinflusst die Position des Gewichts die Frequenz der Bewegung – wie bei einem mechanischen Metronom. Ein Schiff rollt also umso langsamer, je weiter oben sich das Gewicht befindet. Wird zu viel Gewicht zu weit oben platziert, würde sich ein Schiff nicht mehr aufrichten, wenn das aufrichtende Moment unterschritten wird. Das wäre insbesondere bei schwerem Wetter auf See fatal, denn dort sind Rollwinkel von 30° und mehr nicht ungewöhnlich. Das Wetter ist daher ebenfalls eine wichtige Komponente, die Stauplaner einbeziehen müssen.
Kollege Computer hilft
Um die Aufgaben eines Stauplaners zu erfüllen, sind Erfahrung auf See, Fingerspitzengefühl, Gelassenheit und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen erforderlich. Denn der Plan, wie ein Schiff beladen werden soll, entsteht im Kopf des Stauplaners. Der Computer ersetzt lediglich das langwierige Berechnen der Momente für Scherung, Biegung, Verdrehung und Trimm. Alles andere ist nach wie vor Handarbeit, weil Programme noch nicht in der Lage sind, ein so komplexes Konstrukt wie die Stauplanung von Containerschiffen sinnvoll umzusetzen.
Dennoch sind Planungsprogramme bei der Stauplanung nicht wegzudenken. Mit ihnen lässt sich auf alle Informationen zugreifen, die für das Stauen der Container wichtig sind, teils schon bevor ein Containerschiff im Hafen ankommt. Dazu zählen z.B. die grundlegenden Daten des zu planenden Schiffs, wie die Schiffsmaße, die Anzahl der Stellplätze sowie Informationen über den Zustand des Schiffs.
Dabei ist der Stauplaner darauf angewiesen, dass er von allen beteiligten Partnern im jeweiligen Fahrtgebiet – von den Terminals, aber auch von den Stauzentralen von Hapag-Lloyd – verlässliche Daten erhält. Wichtig ist es zudem, die Stellplätze konsistent und sauber aufzuteilen. Gefahrgutcontainer, Kühlcontainer (Reefer) oder Spezialladungen kommen zuerst an die Reihe. Erst anschließend lassen sich alle anderen Container mithilfe der Stauplanungssoftware sinnvoll verteilen.
Stunden oder Tage
Wie lange Cueni mit der Stauplanung für ein Schiff bei seiner Reise in der eigenen Region beschäftigt ist, hängt u.a. davon ab, wie groß das Schiff ist, in welchem Liniendienst es fährt und wie viel Spezialladung – z.B. Gefahrgut, Kühl-Container oder Übergrößen – geladen werden soll. "Bei einem Großschiff für Hamburg dauert die Planung schon mal zwei Tage", weiß Cueni, "während ein Feederschiff, das insgesamt nur 100 Container und zwei Gefahrgüter an Bord nimmt, in zwei Stunden geplant ist." In Bezug auf Gefahrgüter ist es vermutlich leichter, den Stauplan für ein sehr großes Schiff zu erstellen, da mehr Platz vorhanden ist, um die Gefahrgüter zu verteilen. Sollen hingegen viele Gefahrgüter auf ein kleines Schiff geladen werden, sind aufgrund des geringeren Platzangebots häufiger Stau- und Trennkonflikte zu beseitigen.
Besondere Gefahrgüter als besondere Herausforderung
"Aber auch bei geringem Platzangebot und stark verdichteten Gefahrgutcontainern an Bord müssen wir alle Stau- und Trennvorschriften einhalten und prüfen", sagt Rohlmann. Für die Stauplaner lässt sich die Herausforderung aber noch steigern, wenn besondere Gefahrgüter, wie Explosivstoffe der Klasse 1, zu verschiffen sind. Der Stauplaner erhält dann schon ca. sechs Wochen vorher Bescheid, um diese Verladung lange im Voraus planen zu können. Dazu ist es erforderlich, regionenübergreifend zwischen den Stauzentralen zu kommunizieren. Deshalb wird z.B. eine Stauung bereits in Amerika schon so angepasst, dass ein Klasse 1-Container in Hamburg sofort und ohne Umstaumaßnahmen mit den erforderlichen Abständen zu anderen Gefahrenquellen geladen werden kann.
"Ähnlich verhält es sich mit Düngemitteln", sagt Cueni. Diese werden von der Gefahrgutabteilung ebenfalls weit im Voraus angekündigt. Da manche dieser Container an Deck stehen und vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt sein müssen, bedarf es einer gewissen Vorbereitung: "Die Laderäume unter diesen Gefahrgütern müssen voll sein, damit oben drauf Platz für die Klasse 5.1-Container ist", weiß Cueni. "Gleichzeitig müssen wir im Hinterkopf behalten, genügend Abstand zu allen anderen Gefahrgütern einzuplanen. Und es muss genügend Ladung vorhanden sein, um diese Container nach allen Seiten hin abzudecken." Hier kann z.B. bei zwei Dutzend 20‘-Containern schon mal die ganze Schiffsbreite erforderlich sein, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Hand in Hand arbeiten
Die Vorbereitung der Beladung der Containerschiffe sei zeitweise mit einem Pingpong-Spiel zwischen der Gefahrgutabteilung und den Stauplanern vergleichbar, meint Cueni. "Wenn das Schiff im Hafen liegt und bei der Beladung Fragen auftauchen, die wir als Planer nicht beantworten können, oder wir uns bei Gefahrgütern nochmal absichern möchten, steht aus der Gefahrgutabteilung immer ein Ansprechpartner zur Verfügung – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche."
Mit der Software lassen sich auch die Manifeste, die an Bord mitzuführen sind, in übersichtlicher Weise vorbereiten. Der Ausdruck enthält für einen Hafen alle Daten, die an Bord benötigt werden. Dies sei für den Ersten Offizier eine große Hilfe für die Kontrolle der Beladung, ist Cueni überzeugt. Auf diese Weise könne es nicht vorkommen, dass sich der Erste Offizier mit "einem vielleicht 10 cm hohen Stoß Papiere, die möglicherweise mehrfach gefaxt oder kopiert sind, konfrontiert sieht und beginnen muss, einzelne Blätter den jeweiligen Containernummern zuzuordnen". Bei rund 200 Gefahrgütern könne das einige Stunden dauern, und die Wahrscheinlichkeit sei hoch, etwas zu übersehen.
Augen auf beim Beladen
Eine Aufgabe kann weder der Stauplaner noch die Gefahrgutabteilung im Büro übernehmen: Einer an Bord muss kontrollieren, wo der einzelne Container denn tatsächlich auf das Schiff geladen wird. "Das ist die Aufgabe vom Chief Mate, dem verantwortlichen Ersten Offizier an Bord", erklärt Rohlmann. "Er muss sicherstellen, dass die Container auch genau auf der Stauposition stehen, die wir als Gefahrgutabteilung zusammen mit dem Stauplaner dafür vorgegeben haben." Das Terminal sei zwar angehalten, diese Vorgaben zu befolgen, geprüft werden müsse es aber an Bord. "Und das ist elementar wichtig", betont Rohlmann. "Es geht schließlich darum, dass der Kapitän weiß, wo genau an Bord die Gefahrgüter stehen, falls unterwegs etwas passieren sollte." Deshalb reiche es auch nicht aus, einen Container auf der Ladeliste bereits abzuhaken, wenn man ihn z.B. auf einem Lkw an der Kaikante ankommen sieht. Eine nicht eben leichte Aufgabe, wenn eines der großen 18.000 oder mehr TEU fassenden Schiffe mit neun Brücken gleichzeitig ent- und beladen wird.
Sicherheit nur im Zusammenspiel
Fährt ein Schiff z.B. von Hamburg Richtung Südamerika, verlässt es irgendwann den letzten Hafen der Region Europa. Dann übergibt der Stauplaner in Hamburg das Schiff an seine Kollegen in Valparaíso. Die nach Südamerika geschickten Daten enthalten u.a. die Daten aller aktuellen Container an Bord und deren genaue Position, Angaben über den Containertyp sowie Informationen zur verifizierten Bruttomasse (verified gross mass – VGM) eines jeden Containers. Mit diesen Basisinformationen können die Stauplaner in Valparaíso dann ebenfalls beginnen zu planen. Etwa zwei Tage bevor das Schiff im ersten Hafen einer Region ankommt, erhalten die Stauplaner von dem Agenten des jeweiligen Hafens auch die ersten Ladezahlen jener Reedereien, die auf dem Schiff Ladung verschiffen wollen. 24 Stunden vor dem Einlaufen des Schiffs beginnt die abschließende Stauplanung für den jeweiligen Hafen.
Sollte auf See in einem der Container ein Feuer ausbrechen oder eine Leckage entstehen, ist es immens wichtig zu wissen, wo sich welche Gefahrgüter an Bord befinden – entweder um das gefährliche Gut, falls es ursächlich ist, anhand der Stauposition zu identifizieren und Maßnahmen einzuleiten oder um zu prüfen, ob von Gefahrgutcontainern in unmittelbarer Nachbarschaft eines brennenden Containers weitere Gefahren ausgehen können. Die Besatzung ist in solchen Fällen in der Regel auf sich allein gestellt.
Rohlmann appelliert deshalb an die Versender, sich diese Situation immer wieder bewusst zu machen, wenn sie im Hinterland "ihren" einen Gefahrgutcontainer auf die Reise schicken. "Wir befördern auf einigen Seeschiffen rund 2.000 Gefahrgutcontainer auf einer Fläche, die kleiner ist als manches Firmengelände", sagt Rohlmann. "Deswegen ist es wichtig, dass alle zusammenspielen und auch unsere Kunden ihre Pflichten erfüllen: was die Verpackung, was die Ladungssicherung angeht." Sollte z.B. die Ladungssicherung in einem Container fehlen und Fässer darin während der Überfahrt durcheinanderfliegen, sei es egal, wie gut die Schiffsbeladung geplant ist. Auch dann hätte die Besatzung bereits eine Notlage an Bord.
(aus: gela 06/17, www.gefaehrliche-ladung.de)
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