Brandserie – Anfang August gab es in Hamburg zwei Feuer in Hochbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg, in denen Gefahrstoffe gelagert waren. Dies war zwar genehmigt, doch nun könnte es zu schärferen Auflagen kommen.
(skl) Großeinsatz am 4. August um 4:30 Uhr für die Hamburger Feuerwehr: In einem Hochbunker in der Marckmannstraße im Stadtteil Rothenburgsort war ein Feuer ausgebrochen. Als die Einsatzkräfte eintrafen, war die komplette Straße in dichten Rauch gehüllt. Die Feuerwehr evakuierte anliegende Wohnhäuser und ging zum Löschangriff über. Der fünfgeschossige Bunker war hierfür nur durch zwei Türen im Erdgeschoss erreichbar, die Lüftungsluken in den Geschossen darüber zu klein für die Löschschläuche. Im vierten Geschoss trafen die Einsatzkräfte auf einen extremen Hitzestau. Und gegen 7?Uhr passierte es: Es kam zu einer schlagartigen Durchzündung mit einer erheblichen Druckwelle, die lediglich aus den beiden Eingängen entweichen konnte. Draußen flogen Fahrräder und Mülltonnen umher, auch Einsatzkräfte wurden durch die Luft geschleudert.
Zwei Feuerwehrmänner, die zu dem Zeitpunkt gerade noch im Bunker beim ersten Vorstoß zum Brandherd waren, taumelten auf die Straße. "Die Kollegen hatten riesiges Glück, dass sie da lebend herausgekommen sind", so Feuerwehrsprecher Thorsten Grams. Durch die Detonation und die extreme Rauchentwicklung wurden insgesamt 45 Menschen verletzt, darunter 15 Feuerwehrleute. 19 Verletzte kamen ins Krankenhaus. Im vierten und fünften Geschoss des Bunker lagerten 70 Tonnen ätherische Öle – diese neigen ab einer gewissen Temperatur dazu, dass sie ausbrennen, so die Hamburger Feuerwehr.
Die Löscharbeiten zogen sich hin, erst 22 Stunden nach dem Alarm waren die letzten Glutnester gelöscht. Rund 400 Anwohner durften nach umfangreichen Schadstoffmessungen erst Wochen später in ihre Wohnungen zurück.
Drei Tage später, am späten Abend des 7. August: Die Hamburger Feuerwehr wird erneut zum Brand eines Hochbunkers gerufen, diesmal in die Von-Sauer-Straße im Stadtteil Bahrenfeld. Auch in diesem Bunker waren gefährliche Stoffe gelagert, etwa 5,5 Tonnen Pyrotechnik sowie etwa 50 Kilogramm Schwarzpulver. Und auch hier kam es zu einer Deflagration – in dem Fall kann man auch von einer Explosion sprechen –, verletzt wurde aber niemand. Die etwa 80 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) kamen lange nicht an den Brand heran, da die Rauchentwicklung zu stark und die Gefahr von weiteren Verpuffungen zu groß war. Erst mit dem Einleiten von Wasser durch schießschartenartige Lüftungslöcher – das THW hatte hierfür am Bunker ein Gerüst aufgebaut – gelang es schließlich, die hohen Temperaturen zu senken. Die Arbeiten zogen sich bis in die darauffolgende Nacht hin. 150 Anwohner, die am frühen Samstagmorgen evakuiert worden waren, konnten dann zurück in ihre Wohnungen.
Brandursachen und Maßnahmen
In beiden Fällen ist die Ursache für Brand und Deflagration noch unklar, die Untersuchungen sind auch sechs Wochen nach den Vorfällen nicht abgeschlossen. Relativ zügig beraumte die Innenbehörde Inspektionen von 94 Hamburger Hochbunkern an, nachdem eine Liste aller alten Weltkriegsbunker zusammengestellt worden war. Die Bestandsaufnahme über alle sieben Bezirksverwaltungen der Stadt dauerte etwas, zumal ein Teil der Bunker in Privatbesitz ist. Demnach befinden sich derzeit 30 Bunker im Besitz des Bundes und 85 Bunker im Eigentum Stadt Hamburg bzw. im Eigentum öffentlicher Unternehmen (Hoch- und Tiefbunker, Schutzräume sowie Mehrzweckanlagen). Sie teilen sich zu etwa gleichen Anteilen in Bunker mit und ohne Zivilschutzbindung auf. Darüber hinaus gibt es 77 Bunker in privater Hand, in vielen Fällen werden diese für Kleingewerbe oder freizeitliche Aktivitäten wie als Musikproberäume genutzt. Für sechs Bunker bestehen laut Liste Genehmigungen für Gefahrstofflagerungen.
"Es stellt sich nun vor allem die Frage, ob in diesen Bunkern noch gefährliche Stoffe gelagert werden können, wenn diese in Wohngebieten liegen", heißt es bei der Innenbehörde. Die Nutzungsgenehmigungen sind zum Teil 30 Jahre und älter, sie nehmen Brandschutzregeln in Bezug, die noch aus den 1970er- und 1980er-Jahren stammen. Eigentlich seien die Bunker extrem sicher, so ein Feuerwehrsprecher. "Aber wenn es drinnen brennt, stellt es uns allein wegen der starken Hitze- und Rauchentwicklung vor Riesenprobleme."
Alte Bunkeranlagen, etwa von der Bundeswehr, werden im Allgemeinen durchaus für die Gefahrstofflagerung genutzt, insbesondere für explosive Stoffe. Durch ihre gute Dämmung nach außen – idealerweise in Verbindung mit Ausblasewänden, die im Unglücksfall eine Explosion in die "gewünschte" Richtung lenken – gelten sie hierfür als gut geeignet. Die Installation von Löschanlagen macht hier in Anbetracht der kaum löschbaren Explosivstoffe wenig Sinn, im Vordergrund des Brandschutzes stehen bauliche Schutzmaßnahmen, die Einhaltung von Abständen und Mengengrenzen sowie Verhaltensregeln.
Wand an Wand mit Wohnhäusern
Bei den Hamburger Hochbunkern, von denen allein vier als Gefahrgutlager für Klasse 1-Stoffe – wenn auch nicht in großem Stil – genutzt werden, liegen die Dinge etwas anders. In den meisten Fällen stehen die aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammenden Bunker Wand an Wand mit Wohnhäusern. Bei den beiden ausgebrannten Hochbunkern konnten die Behörden bisher keine Verstöße gegen Genehmigungsauflagen feststellen. In Rothenburgsort waren sechs Lagerräume für je 5.000 Liter brennbare Flüssigkeiten der alten VbF-Klasse A?II zugelassen (ätherische Öle wie Eukalyptus-, Kampfer-, Knoblauch- und Orangenöl). In Bahrenfeld war die Lagerung explosionsgefährlicher Stoffe der Lagerklassen 1.1 bis 1.4 mit Mengengrenzen zwischen 7,5 Tonnen brutto (Klasse 1.3) und 400 Kilogramm (Klasse 1.1) genehmigt. Die letzten Brandverhütungsschauen durch die Feuerwehr hatten 2009 bzw. 2010 stattgefunden. Während der Bunker in Rothenburgsort mit feuerbeständigen (Trenn-)Wänden, selbstschließenden, feuerhemmenden Türen, Feuerlöschern und Auffangwannen für 20 Prozent der gelagerten Flüssigkeiten ausgestattet war, waren in der Genehmigung für den Bahrenfelder (Feuerwerks-)Bunker nur Türen der Widerstandsklasse T 30 festgelegt.
Bunker, in denen Gefahrstoffe gelagert werden sollen, werden bauordnungsrechtlich als Sonderbauten nach § 2 Absatz 4 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) eingestuft. An Sonderbauten können besondere bauliche Anforderungen nach § 51 HBauO gestellt werden. Dazu zählen in Abhängigkeit von den jeweiligen Gefahrstoffen und -mengen Flächenabdichtungen, Auffangräume, Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen, Sachverständigenprüfungen, Notfalleinrichtungen für Sofortmaßnahmen, Notfallübungen, Dokumentation, Unterweisung und Eigenüberwachung.
Daneben gelten für den Betrieb der Läger natürlich die einschlägigen gefahrstoffrechtlichen Vorschriften bzw. die Vorschriften, die damit in Zusammenhang stehen, wie die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 510, die Betriebssicherheitsverordnung, ggf. das Sprengstoffrecht usw.
Nur kleine Beanstandungen
Ein kleiner Teil der 94 zu überprüfenden Bunker ist inzwischen von Feuerwehren, Vertretern der Innen- und Umweltbehörde sowie der jeweiligen Bezirksverwaltung begangen worden. Dabei wurden bisher nur kleinere Beanstandungen bekannt: einmal fehlte ein zweiter Rettungsweg, einmal stieß man auf die nicht genehmigte Lagerung von Reifen und Felgen.
(aus: gela 10/15, www.gefaehrliche-ladung.de)
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