Ladungssicherung – Die Weiterentwicklung der CTU-Packrichtlinie mit ihren geplanten konkreten Festlegungen zu Lastannahmen und Reibungswerten lässt Fachleute aus dem Landtransport aufhorchen.
(Prof. Ulrich Podzuweit) Uwe Kraft berichtet in gela 2/2013 auf S. 20 ff. über den Stand der Überarbeitung der CTU-Packrichtlinie. Dabei geht er auf die aktuellen Aussagen zu Ladungssicherungsthemen ein. Bei Durchsicht der Tabelle 4, die sich mit anzusetzenden Reibungszahlen befasst, fallen einige Besonderheiten auf, zu denen im Folgenden Anmerkungen gemacht werden, weil es sich dabei erst um eine Diskussionsgrundlage handelt und deshalb keine abschließende Bewertung vorgenommen werden kann und soll.
Haftreibungswerte
Wie schon in der DIN EN 12 195 wird auf Haftreibungswerte zurückgegriffen. Diesem Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, dass die Haftreibung von Stückgutladungen auf Paletten leicht durch einseitiges Anheben mittels eines Gabelstaplers festgestellt werden kann. Bleibt die Ladung ohne zu verrutschen bis zu einem Winkel α von mindestens 39° auf der Palette, so hält die Bündelung eine Belastung 0,8 g bei Bremsvorgängen Stand. Diese Prüfung lässt sich einfach durchführen, mit einem Foto dokumentieren und reicht für die Praxis aus. Die Bündelung setzt eine "feste" Verbindung zwischen Palette und Ladung voraus.
Sicherheitsdefizit
Diese Vorgehensweise hat allerdings einen Nachteil. Sie weicht von der VDI 2700 ab, die auf Gleitreibungskoeffizienten zurückgegriffen hat.
Man hatte in den 1970er Jahren die vertikalen Aus- und Einfederungsbewegungen der Ladeflächen im Blick, die die Normalkraft – also das Ladungsgewicht – schwächen oder sogar ganz abheben können. Bereits in den 1960er Jahren hatten Untersuchungen ("Hörger", VDI-Verlag 1966) gezeigt, dass es kritisch ist, diesen Effekt zu vernachlässigen. Um dieses auszugleichen, wurde auf die Gleitreibungszahl zurückgegriffen. Die letzten 50 Jahre haben allerdings gezeigt, dass es endlose Diskussionen, z.B. in Gerichtsverfahren gibt, welcher Wert denn nun vertretbar ist. Die Lösung dieses Sicherheitsproblems in der VDI 2700 hat sich nicht bewährt! Stattdessen wird anstelle des Gleitreibungswerts im CTU-Code ein prozentualer Anteil (75 %!) der Haftreibungszahl angegeben. Über 75 % kann man streiten, die Vorgehensweise würde aber das Sicherheitsdefizit, das durch die Verwendung allein von Haftreibungszahlen im Straßentransport entstehen würde, elegant umgehen.
Gleitreibung bei Direktzurrung
In der Einleitung der Tabelle 4 wird die Gleitreibungszahl als Funktion der Haftreibungszahl genannt, aber in der Verbindung mit der Direktzurrung. Und diese Neuerung hat es in sich! Damit wurde ein Paradigmenwechsel in der Ladungssicherungstheorie vorgenommen. Es war bislang ein Eckpfeiler deutscher Ladungssicherungsrichtlinien vorauszusetzen, dass eine Ladung mit dem Fahrzeug "fest verbunden" werden muss. In dieser Denkweise liegt aber ein gravierendes Problem: Wohl kann man eine niedergezurrte Ladung so sichern, dass sie ohne Bewegung im normalen Straßentransport auf der Ladefläche verharrt. Eine hohe Gurtanzahl ist dann die Folge, denn die Niederzurrtechnik ist masseabhängig. Je größer die Masse, desto höher muss die Anzahl der Gurte sein!
Bei einer sog. Direktzurrung und auch bei einer Buchtlasching-Sicherung muss die Ladung aber eine Bewegung machen, damit ausreichend Sicherungskräfte aktiviert werden. Was für das Eine nach gegenwärtiger Lage nicht sein darf, ist im anderen Fall Voraussetzung. Die vorgeschlagene Lösung, eine fiktive Gleitreibungszahl zu definieren und sie mit der Haftreibungszahl zu koppeln, eröffnet einen Weg, dieses Problem zu lösen.
Haftreibungswerte
Zu Haft- und Gleitreibungszahlen gibt es in Europa unzählige Messungen und Tabellen. Eine Ladungssicherung ohne Reibschlusssicherung an der Aufstandsfläche ist zwar denkbar, erscheint aber im Lichte einer ökonomischen Sicherungstechnik als nicht vertretbar.
Auffällig an den Werten ist, dass sie im Regelfall mit einer Stelle hinter dem Komma auskommen. Maschinenbautechnisch ist es ein Unsinn, weitere Stellen hinter dem Komma anzugeben. Ist Reibung dabei, muss immer mit mindestens innerhalb plus und minus 10 % einer angegebenen Reibungszahl gerechnet werden. Es ist deshalb nicht vertretbar, ob es 0,52 heißt oder 0,48.
Auch die vorgenommene Festlegung von µ = 0,6 für Anti-Rutschmatten ist positiv zu sehen. Wenn von Reibung in der Ladungssicherung gesprochen wird, ist immer die sog. Coulombschen Reibungstheorie gemeint. Das bedeutet dann, dass Kontaktflächen im technischen Sinne steif, großflächig und eben sind. Sinkt ein Körper etwas in eine Fläche ein, wie das bei Hartgummi der Fall ist, ist die Voraussetzung "steife Oberfläche" nicht erfüllt.
Bei der Hartgummilauffläche eines Reifens auf einer Betonfahrbahn liegt dann auch nicht eine Coulombsche Reibung, sondern eine visko-elastische Reibung vor. Werte über 1 bis 1,3 sind möglich! Aber auch hier kann es "springende" Ladungen geben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Verfasser der DIN EN 12 195 die Denkweisen des CTU-Codes auf- und übernehmen. Es besteht sonst die Gefahr, dass ein Container auf See nach anderen Maßstäben kontrolliert wird als im Zu- und Ablauf im Landverkehr.
(aus: gela 03/13, www.gefaehrliche-ladung.de)
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