Dauerthema – Stückgüter müssen beim Straßentransport gesichert werden, dennoch sind Mängel bei der Ladungssicherung an der Tagesordnung. Immerhin: Kontrollen erfolgen bald nach EU-weit einheitlichem Schema.
Von Stefan Klein
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist in rund 70 Prozent aller Fälle die Ladung nicht oder schlecht gesichert – dies ergeben die zusammen mit Behörden durchgeführten Stichprobenkontrollen der Versicherer Jahr für Jahr. Die Gründe für den anhaltenden Missstand liegen häufig in einer Unterschätzung der Gefahren durch das fahrende Personal, hinzu kommen mangelndes Wissen über physikalische Grundlagen, die Festigkeit von Fahrzeugaufbauten und die verschiedenen Arten der Ladungssicherung.
Hauptgrund ist aber sicherlich der sich immer weiter verschärfende Zeitmangel in der Branche: das Verhältnis zwischen verfügbarem Frachtraum und Transportnachfrage wurde zuletzt immer geringer. Und nicht zuletzt kostet eine ordnungsgemäße Ladungssicherung Geld. Der monetäre und zeitliche Aufwand wird von den Kunden der Transportunternehmen aber offenbar meist nicht honoriert.
Stark abweichende Mängelquoten
Zieht man die aktuellen Kontrollstatistiken des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) aus dem Jahr 2016 heran (neuere Zahlen gibt es nicht), so lag die Beanstandungsquote im Kontrollpunkt Ladungssicherung bei 10,6 Prozent. Bei den allgemeinen BAG-Straßenkontrollen in jenem Jahr wurden insgesamt 82.700 Lkw überprüft, davon:
– 27.500 aus Deutschland (Lasi-Beanstandungsquote 9,1 %)
– 55.200 Gebietsfremde (Lasi-Beanstandungsquote 11,4 %).
Bei den gesonderten Gefahrgutkontrollen des BAG, bei denen der Punkt Ladungssicherung ebenfalls überprüft wird, schrumpft die Größenordnung der Verstöße noch einmal spürbar: von 16.900 kontrollierten Fahrzeugen im Jahr 2016 waren nur 299 nicht oder schlecht gesichert, was einer Beanstandungsquote von 1,7 Prozent entspricht. Nennenswerte Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Lkw gab es hier kaum. Diese fanden sich eher in solchen Bereichen, in denen deutlich mehr (Gefahrgut-)Verstöße und auch höhere Mängelquoten festgestellt wurden:
– Beförderungspapier/Schriftliche Weisungen: insgesamt 867 Verstöße; Beanstandungsquote 5,1 % (4,0 % bei deutschen vs. 6,2 % bei ausländischen Lkw),
– Ausrüstung laut ADR: 868 Verstöße; Beanstandungsquote 5,1 % (4,5 % bei deutschen vs. 5,7 % bei ausländischen Lkw)
– Kennzeichnung/Bezettelung: 908 Verstöße; Beanstandungsquote 5,4 % (3,1 % bei deutschen vs. 7,5 % bei ausländischen Lkw).
Die offiziellen, relativ geringen Beanstandungsquoten im Bereich Ladungssicherung decken sich nicht mit den Erfahrungen von Kontrollbeamten, die sich den Sicherungsgrad von Stückgütern im Straßenverkehr genauer anschauen. Stephan Bode, bis vor kurzem Leiter einer Schwerlast-Kontrollgruppe der Autobahnpolizei in Nordrhein-Westfalen, führte von Anfang 2014 bis Oktober 2017 seine eigene Statistik: von 2.173 überprüften Gefahrguttransporten war in 925 Fällen die Ladungssicherung zu beanstanden, dies ergibt eine Mängelquote von 42 Prozent. „Die Trefferquote hängt in starkem Maße von der Art und Weise der Kontrolle ab“, so Bode.
Neue EU-Kontrollverordnung
Das Thema Ladungssicherung ist auch in der neuen Richtlinie 2014/47/EU über technische Unterwegskontrollen der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Nutzfahrzeugen verankert. Damit wird nun ein europaweit einheitlicher Standard in Sachen Lasi-Kontrolle geschaffen. Die sich in erster Linie an Kontrollbehörden (Polizei, in Deutschland auch das BAG) aber in der Konsequenz an alle Lasi-Beteiligten in den Unternehmen richtende Richtlinie löst zum 20. Mai die alte 2000/30/EU ab, die in Deutschland mit der Technischen Kontrollverordnung (TechKontrollV) umgesetzt ist.
Die im Zuge der Richtlinienumstellung nötige nationale Änderungsverordnung für die TechKontrollV lässt indes noch auf sich warten (bei gela-Redaktionsschluss am 22. Februar). Ende Januar hatte die EU-Kommission Deutschland in einer so genannten „mit Gründen versehenen Stellungnahme“(der Vorstufe eines Vertragsverletzungsverfahrens) aufgefordert, sich binnen zwei Monaten zum Stand der Umsetzung der 2014/47/EU zu äußern. Erfolgt keine Reaktion bzw. Umsetzung, kann die Kommission den Fall bis vor den Gerichtshof der Europäischen Union bringen.
Die neue Richtlinie gilt für Lkw ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, gleichwohl weist sie aber ausdrücklich darauf hin, dass Mitgliedstaaten auch Kleintransporter technischen Unterwegskontrollen unterziehen dürfen. In Artikel 5 gibt die 2014/47/EU eine Kontrolldichte vor: es sollen pro Jahr mindestens fünf Prozent aller in einem Mitgliedsstaat gemeldeten Fahrzeuge kontrolliert werden.
Kontrolldichte schon jetzt erfüllt
Betrachtet man hier einmal Deutschland, so sind gemäß der ausführlichen Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes hierzulande rund 530.000 Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gemeldet (Stand 1. Januar 2016). Das BAG führte im Jahr 2016 wie eingangs geschildert rund 27.500 Straßenkontrollen an deutschen Lkw durch. Damit liegt die Kontrolldichte in Deutschland genau bei den gemäß EU-Richtlinie geforderten fünf Prozent.
In der neuen Richtlinie sind neben der technischen Fahrzeugbeschau wie erwähnt auch Anforderungen an die Ladungssicherung (Artikel 13) genannt, ausdrücklich wird zudem auf gefährliche Güter nach ADR verwiesen. Gefahrguttransporte wurden bislang einzig nach der Richtlinie 95/50/EG kontrolliert, die in Deutschland mit der GGKontrollV umgesetzt ist. Dort findet sich in Anlage 1 zwar ein Prüfpunkt Ladungssicherung, jedoch ohne weitere Vorgaben.
Die neue 2014/47/EU macht nun genau solche Vorgaben. So darf sich die Ladung während der Fahrt – in sich sowie in Bezug auf die Bordwände – grundsätzlich nur „äußerst geringfügig“ verschieben (Artikel 13, Abs. 1). Einzelne Ladungssicherungsmängel werden dann in einer mehrseitigen Tabelle in Anhang III aufgelistet und – so wie die technischen Fahrzeugmängel (Anhang II) – in die drei Kategorien gering, erheblich und gefährlich eingeteilt. Diese Kategorien werden zuvor so definiert:
– Ein geringer Mangel liegt vor, wenn die Ladung zwar sachgerecht gesichert ist, aber möglicherweise ein Sicherheitshinweis angezeigt ist.
– Ein erheblicher Mangel liegt vor, wenn die Ladung nur unzureichend gesichert ist und eine erhebliche Verlagerung oder ein Umkippen der Ladung oder von Ladungsteilen möglich ist.
– Ein gefährlicher Mangel liegt vor, wenn die Verkehrssicherheit aufgrund der Gefahr des Verlusts der Ladung oder von Ladungsteilen oder aufgrund einer von der Ladung unmittelbar ausgehenden Gefahr unmittelbar beeinträchtigt ist oder wenn Menschen unmittelbar gefährdet werden.
In der Mängel-Liste (Anhang III) wird dann zunächst nach der Art der Ladungssicherung spezifiziert. Ist Ladung per Formschluss gesichert, so gelten zum Beispiel Ladelücken (Abstand Ladung zu Bordwänden) ab 16 Zentimetern in Verbindung mit der Gefahr des Duchdringens der Bordwand als gefährlich, bis einschließlich 15 Zentimeter Breite stellen sie nur einen erheblichen Mangel dar. Bei Direkt- und Niederzurren beträgt die Grenze zwei Drittel der erforderlichen Sicherungskraft: sichern die Gurte die Ladung ungenügend, ist es ein erheblicher Mangel, beträgt ihre Sicherungskraft weniger als 0,67 Prozent der eigentlich nötigen Sicherungskraft, handelt es sich um einen gefährlichen Mangel.
Nur für einige wenige Tatbestände, die sich nicht genau eingrenzen lassen – etwa wenn eine für ordungsgemäße Ladungssicherung ungeeignete Transportverpackung oder ein ungeeignetes Fahrzeug eingesetzt wird – überlässt die Richtlinie die Bewertung des Schweregrads des Mangels dem Kontrolleur. Die Kontrolleure werden also gerade bei Gefahrguttransporten, für die es bisher keine gesonderten Regelungen gab, künftig genau nachmessen. Schon ein Zentimeter mehr oder weniger kann sich entscheidend auf die Folgen einer Kontrolle auswirken: bei einem gefährlichen Mangel wird die Weiterfahrt untersagt, es muss vor Ort nachgebessert werden; eine Fahrt zu einem den oder die Lasi-Mängel behebenden Unternehmen – wie bei erheblichen Mängeln noch gestattet – ist nicht möglich.
Verschiedene Berechnungsnormen
Die 2014/47/EU verweist darüber hinaus auf anzuwendende Normen (Anhang III, Abschn. 1). Etwa auf die EN 12195-1 über die Berechnung von Sicherungskräften, die nach der Inbezugnahme durch das ADR (in Unterabschnitt 7.5.7.1 ab Ausgabe 2013) nach langem Hickhack inzwischen auch für alle in Deutschland durchgeführten Straßengütertransporte gilt. Bis Mitte 2016 konnte sich der hier maßgebende Bund-Länder-Fachausschuss Straßenverkehrsordnung (StVO)/Ordnungswidrigkeiten (OWi) nicht von den nationalen, 2014 überarbeiteten VDI 2700, Blatt 2 als anerkannten Regeln der Technik nach § 22 StVO verabschieden. Denn diesen wurde von vielen Experten ein höherer Sicherheitslevel attestiert. So definiert die europäische Norm etwa höhere Ausgangs-Reibbeiwerte für Materialpaarungen (zum Beispiel Siebdruckfahrzeugboden/Holzpaletten) als die VDI-Richtlinie oder sieht in der Zurrkraftberechnung keinen k-Wert für den Verlust an Vorspannkraft in Zurrmitteln vor.
Somit machte sich in der Transportbranche und auch unter Kontrolleuren in den letzten Jahren die Auffassung breit, dass Gefahrgut weniger zu sichern sei als „Normalgut“. Genau genommen gibt es auch nach der alleinigen Gültigkeit der EN 12195-1 noch einen Unterschied: denn die Norm gilt erst für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht – darunter ist nach wie vor nach VDI 2700, Blatt 2 zu sichern. Das ADR aber kennt keine Grenze in Bezug auf das Fahrzeuggewicht.
Blick in die Kontrollpraxis
Solche Spitzfindigkeiten und erst recht die Berechnungsfeinheiten in den Normen/Richtlinien haben nach Meinung von Kontrollbeamten kaum Relevanz für die Grundproblematik. „Wichtig ist, dass überhaupt eine erkennbare, einigermaßen wirkungsvolle Ladungssicherung vorhanden ist“, so Michael Perbandt von der Autobahnpolizei Schleswig-Holstein. Auf einen Gurt mehr oder weniger komme es nicht an. Schließlich gibt es bei der Berechnung der notwendigen Ladungssicherung für die immer noch am häufigsten vorkommende Niederzurrmethode eine große Unbekannte: den Reibbeiwert. Wie erwähnt legen die Richtlinien in Tabellen zwar offizielle Reibbeiwerte zwischen diversen Materialpaarungen fest, doch die tatsächlich vorhandene Reibung auf einer Ladefläche kann erheblich davon abweichen, etwa wenn diese verschmutzt oder abgenutzt ist. „Diesen zustandsabhängigen Reibbeiwert können wir bei den mobilen Kontrollen nicht ermitteln“, so Perbandt.
Auch mit eventuell vorhandenen Hilfsmitteln wie dem Königsberger Reibklotz lasse sich die tatsächliche Reibungskraft nicht exakt bestimmen, zudem sind diese nicht gerichtsfest. Ohne die genaue Reibungskraft lässt sich aber nicht die erforderliche Sicherungskraft bzw. die Zahl der erforderlichen Gurte berechnen.
Das heißt in der Konsequenz: grenzwertige Fälle von Ladungssicherung werden, so bestätigen es viele Kontrollbeamte, bislang nicht beanstandet. Insofern ist laut Perbandt die neue EU-Richtlinie durchaus von Nutzen, weil sie – da wo möglich – konkrete Vorgaben macht und den Auslegungsspielraum in der Bewertung von Ladungssicherung verkleinert. Er hofft, dass bei mobilen Kontrollen außer auf Fahrer und Fahrzeug künftig immer auch nach der Ladungssicherung geschaut wird, bislang war dies eher „Expertensache“.
Ohne Schulung geht es nicht
Wie sieht nun aber eine gute Ladungssicherung aus? „Korrekte Ladungssicherung benötigt Zeit, Material und Know-how“, so Alwin Tiedemann, Ausbilder beim Maritimen Competenzcentrum (ma-co) in Hamburg. Know-how lasse sich am besten aufbauen, wenn die für die Ladungssicherung verantwortlichen Fahrer nicht mit den speziellen Faktoren aus den ohnehin komplizierten Berechnungsformeln beschäftigt werden (mit denen sie nichts anfangen können), sondern ihnen mittels realer Fahrversuche die physikalischen Zusammenhänge bewusst gemacht und praktische Regeln an die Hand gegeben werden. Für die Berechnung von Sicherungskraft und Zurrmitteln gibt es schließlich recht einfach zu bedienende Lasi-Rechner.
Dazu kommt, dass sich die viel zitierten EN 12195-1 und VDI 2700, Blatt 2 auf das Niederzurren der Ladung beziehen. Diese Sicherungsmethode hat aber Nachteile gegenüber anderen wie Direktzurren oder Formschluss (in Verbindung mit einem Code XL-Fahrzeugaufbau) und sollte nach Meinung der meisten Lasi-Berater Experten nur ergänzend angewendet werden bzw. nur dann, wenn andere Methoden nicht in der Form möglich sind. Denn die Niederzurrung ist direkt abhängig vom Gewicht der Ladung: je schwerer dieses ausfällt, desto mehr Gurte sind erforderlich. In manchen Fällen führt die Lasi-Berechung dann zu einer abnorm hohen Zahl von Zurrmitteln, die in der Praxis kaum anzubringen sind.
(aus: gela 03/18, www.gefaehrliche-ladung.de)
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