Kontrolle – In den deutschen Seehäfen sind Wasserschutzpolizeien (WSP) die Kontrollinstanz für Gefahrguttransporte. Wir haben die Wasserschützer in allen Küsten-Bundesländern zu ihrem Wirken befragt.
(skl) An einem Abend im vergangenen Frühjahr kontrollierten Beamte der Wasserschutzpolizeistation Puttgarden auf Fehmarn einen rumänischen Klein-Lkw, der nicht vorschriftsmäßig gekennzeichnet war. Vom Festland kommend, wollte der Fahrer nach Dänemark übersetzen. Wegen einer "unkorrekten Papierlage", so die Polizei, musste der 3,5-Tonner bis zur Klärung der Lage auf dem Gefahrgutparkplatz des Fährhafens verbleiben. Als die Beamten den Parkplatz später aufsuchten, trauten sie ihren Augen nicht: der Fahrer hantierte mit Versandstücken auf der Ladefläche, dabei lud er unter anderem Säcke mit Magnesiumfluorosilicat um, der pulvrige, Stoff rieselte aus einigen Säcken.
Der Fahrer wurde sofort aufgefordert, den Klein-Lkw zu verlassen, und der Bereich weiträumig abgesperrt. Der herbeigerufene Gefahrgutzug Nord des Kreises Ostholstein füllte das ausgetretene Gefahrgut in Bergebehälter um. Der eventuell mit dem giftigen Stoff in Berührung gekommene Fahrer musste sich seiner Kleidung entledigen und erhielt Ersatzkleidung. Eine ärztliche Untersuchung im Krankenhaus lehnte er indes ab: er sagte, er wolle die Nacht auf seinem Fahrzeug verbringen! Dies wurde ihm jedoch von der Polizei untersagt; ihm wurde nahegelegt, eines der Hotels auf Fehmarn aufzusuchen.
Ein ähnlich grotesker Fall ereignete sich im Oktober im Seehafen Rostock. Hier erhielt die örtliche Wasserschutzpolizei gegen Mittag den Anruf einer Reederei-Mitarbeiterin. Bei ihr hatte sich kurz zuvor der bulgarische Fahrzeugführer eines Gefahrgut-Lkw für die Fähre nach Schweden angemeldet, aus der Fahrerkabine habe sie deutlichen Alkoholgeruch wahrgenommen. Der Fahrer hatte nach der Anmeldung sein Fahrzeug in die Wartespur gefahren. Kurze Zeit später waren die Beamten schon bei ihm und führten eine Gefahrgutkontrolle durch. Auch ihnen fiel der glasige Blick und der Alkoholgeruch des Fahrzeugführers auf. Bei einem freiwilligen Atemalkoholtest wurde ein Wert von 2,25 Promille gemessen. Einer Blutprobenentnahme stimmte der Fahrer nicht zu, so dass diese richterlich angeordnet werden musste. Die Weiterfahrt des Gefahrguttransporters wurde untersagt, der Führerschein beschlagnahmt und die Fahrzeugschlüssel sichergestellt. Durch die Transportfirma wurde die Reederei dann beauftragt, den Lkw wie geplant – nur ohne Fahrer – nach Trelleborg zu befördern. Der Trucker trat ohne Führerschein die Heimreise an.
Die in den deutschen Seehäfen amtierenden Wasserschutzpolizeien machen nicht nur solche "Schwarzen Schafe" ausfindig, sie haben über die Jahre in aller Regel großes Know-how in Sachen Gefahrgut aufgebaut. In vielen Häfen überwachen sie nicht nur den schiffseitigen Verkehr, sondern sind auch für die Landverkehrsträger (Lkw, Bahn, Binnenschiff) zuständig.
Hamburg
Das ist beispielsweise auch im Hamburger Hafen so. "Wir machen alles außer Luftverkehr", sagt Lutz Dreyer von der Zentralstelle Gefahrgutüberwachung der Hamburger Wasserschutzpolizei (WSP). Nur das Eisenbahnbundesamt führt ansonsten noch Gefahrgutkontrollen im Bereich Bahnverkehr durch: auf den Strecken, die nicht zur Stadt Hamburg bzw. nicht zur so genannten Hafenbahn gehören.
Im vergangenen Jahr durchliefen fast 206.000 Gefahrgut-Container den Hamburger Hafen, rund 4.400 wurden von den Beamten der drei Wasserschutzpolizeikommissariate kontrolliert. Zwei von drei Ladeeinheiten (Beanstandungsquote: 67 Prozent) verstießen gegen die Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter. Die mit Abstand häufigsten Mängel entfielen auf die Bereiche Kennzeichnung von Containern sowie die Ladungssicherung darin. Deutlich geringere Beanstandungsquoten gab es:
Unter den kontrollierten Schiffen sind Containerschiffe, auf denen vor allem die Einhaltung der Stau- und Trennvorschriften überprüft wird, aber auch Bulker, Gas- und Chemikalientanker. Bei den Lkw-Kontrollen fällt der Blick der Beamten außer auf die Ladung auch auf Bremsen und Fahrgestell, auf der Schiene werden sowohl (Tank-)Container als auch Kesselwagen inspiziert. Die Kontrolleure müssen sich also nicht nur in den Gefahrgutvorschriften vom IBC-, IGC- und IMSBC-Code bis zu den GGAV-Ausnahmen auskennen, sondern auch technisches Know-how für verschiedenste Fahrzeugtypen mitbringen. "Viele Kollegen verfügen über ein nautisches oder technisches Patent", so Dreyer. Regelmäßig gibt es Weiterbildungen: an der mitten im Hafen gelegenen Wasserschutzpolizeischule, die auch Ausbildungsstätte für andere Bundesländer ist, oder durch interne Schulungen.
Die hohen Beanstandungsquoten bei den Kontrollen auf den vier Hamburger Containerterminals erklären sich dadurch, dass dem geschulten Auge der Kontrollbeamten äußere Kennzeichnungsfehler schnell auffallen – nach dem Öffnen der Boxen finden sich drinnen oft noch mehr Mängel. Desweiteren werden Container nach Einblick in das Gefahrgut-Informations-System (Gegis), an das jede see- oder landseitig in den Hafen eingebrachte Transporteinheit mit gefährlichen Gütern zu melden ist, zur Kontrolle ausgewählt – hierbei vor allem solche, die relativ selten vorkommende Ladungen enthalten. Und natürlich schauen die Beamten auch auf die Herkunft der Container: vor allem bei Import-Containern gibt es nach wie vor bestimmte Güter(gruppen) wie Feuerzeuge, Aluminiumphosphid und Naturerzkonzentrate, wo anhaltend viele Mängel auftreten.
Die Hamburger Wasserschutzpolizei, älteste in Europa und mit zirka 540 Beamten die größte in Deutschland, versteht sich aber nicht nur als Bußgeldbehörde, sondern hilft Unternehmen auch mit gefahrgutrechtlichem Rat.
Bremen
Auch in Bremen und im Hafengebiet von Bremerhaven kontrolliert die WSP Gefahrgut auf den Verkehrsträgern Straße, Schiff und dem landeseigenen Schienennetz. Im Stadtgebiet Bremerhaven werden Lkw indes von der Ortspolizei überwacht. Ein wichtiger Unterschied im Vergleich zu Hamburg ist, dass die zuständige Behörde für die Überwachung von gefährlichen Gütern das Hansestadt Bremische Hafenamt (HBH) und damit außerhalb des Polizeiapparats angesiedelt ist. Sowohl HBH als auch Wasserschutzpolizei führen Gefahrgutkontrollen durch. Im Jahr 2013 wurden 863 Beförderungseinheiten kontrolliert, die Beanstandungsquote lag bei 13 Prozent.
In den Bremischen Häfen stehen das Hafeninformationssystem Bremen Port Operations System (Brepos) zur Verfügung, auf das die WSP Zugriff hat. "Darin sind Verkehrsablaufpläne sowie Informationen über Gefahrgüter an Bord der Schiffe einsehbar", so Linda Schulken von der Direktion Wasserschutz- und Verkehrspolizei. In dem Zwei-Städte-Land gelten gemäß § 42 Absatz 1 bzw. Anlage 4 der Bremischen Hafenordnung besondere Sicherheitsvorschriften und Mengenbegrenzungen für einzelne Gefahrklassen. Für die Gefahrklassen 1.1, 1.5, 5.2 (mit Explosionsgefahr) und 6.2 existieren Bereitstellungsverbote. Zugelassen ist nur der Direktumschlag aus Landfahrzeugen in ein Schiff oder umgekehrt sowie der Bord-zu-Bord-Umschlag, unter Einhaltung festgelegter Höchstmengen an von der Hafenbehörde bestimmten Liegeplätzen.
Niedersachsen
Die Wasserschutzpolizei Niedersachsen ist in den neun für den Güterumschlag bedeutsamen Landeshäfen sowie auf Bundes- und Landeswasserstraßen zuständig für die Überwachung von Gefahrgutbeförderungen – allerdings nur an Bord von Binnen- und Seeschiffen. Zuständige Hafenbehörde für die Gefahrgutüberwachung in den Seehäfen ist das Referat 31.2 des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Die WSP-Beamten führen jährlich rund 1.900 Kontrollen auf See- und Binnenschiffen durch.
In der Containerschifffahrt liegt der Schwerpunkt der Kontrollen auf der richtigen Stauung und Trennung, in der Massengut-Schifffahrt sind es schiffseitig durchzuführende Maßnahmen zum Schutz der Besatzung und der Umwelt vor der Gefahrgutladung. "Die einzelnen Kontrollen beschränken sich aber nicht auf einen Schwerpunkt, sondern decken den gesamten Bereich relevanter Rechtsvorschriften ab", so Heinz-Gerhard Elsen von dem in Wilhelmshaven befindlichen Dezernat 24 (Wasserschutzpolizei) der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsens. Zu beachten sind auch hier landesspezifische Gefahrgutregelungen, die in Teil 3 der niedersächsischen Hafenordnung festgelegt sind.
Die Wasserschutzpolizei des Landes hat keinen Zugriff auf ein Gefahrgutinformationssystem mit Überblick über alle Gefahrgutladungen in den Häfen.
Schleswig-Holstein
Der Umschlag gefährlicher verpackter Güter findet in Schleswig-Holstein hauptsächlich in den (Fähr-)Häfen Puttgarden, Travemünde und Kiel statt. WSP-Kontrollen erfolgen an den Schnittstellen Straße/See bzw. Schiene/See. Binnenschiffsverkehre spielen kaum eine Rolle. Eine Besonderheit weist der Hafen Puttgarden auf, da dort ausschließlich begleitete Fähr-Verkehre in kurzer Abfahrtsfolge von 45 Minuten stattfinden.
Jährlich werden rund 2.500 Gefahrgut-Transporteinheiten kontrolliert. "Die Beanstandungsquote liegt bei zirka 20 Prozent", so Jens Schröder von der Abteilung 4 (Wasserschutzpolizei) des Landespolizeiamtes Schleswig-Holstein. Hauptmangel sei schon seit längerem die Ladungssicherung von Stückgütern in Sammelverkehren und auch bei Bigbags, die häufig mit nur einem Gurt niedergezurrt werden und dann durch den Transport spätestens bei der Kontrolle losgerüttelt sind. In Lübeck-Travemünde – mit seinen 21 Einzelhäfen bzw. Terminals und 26 Millionen Tonnen Jahresumschlag der größte Hafen in Schleswig-Holstein – wurden zudem Aluminiumschlacken und Recycling-Rückstände auffällig. Von rund einer Million Lkw, Trailern und Containern, die den Hafen jährlich passieren, sind zirka 60.000 Gefahrgut-Einheiten.
Die im größten Hafenteil, dem Travemünder Skandinavienkai, angesiedelte Wasserschutzpolizei fungiert auch als "Zentrale Gefahrgutauskunftsstelle" der Landespolizei Schleswig-Holstein. Rund um die Uhr stehen die in drei Schichten arbeitenden 17 Mitarbeiter anderen Dienststellen, Organisationen und Unternehmen für Auskünfte in Sachen Gefahrgutrecht zur Verfügung. "Hierbei betreiben wir aber kein Call Center", so Roland Liedtke, Leiter des Hafensicherheitsdienstes Skandinavienkai. Die Beamten seien vielmehr durch ihre Ausbildung, jahrelange Erfahrung in der Gefahrgutüberwachung multimodaler Verkehre sowie durch technische Hilfsmittel in der Lage, Auskünfte auch "aus dem Streifenwagen" heraus zu geben – ob als Hilfestellung bei Gefahrgutkontrollen, als Beitrag zur Eigensicherung bei Gefahrgutzwischenfällen oder als Service-Leistung der Polizei. Die Wasserschutzpolizei trete zudem als Regulativ zur Chancengleichheit von Unternehmen auf, so Liedtke. Die Erfahrung zeige, dass bei Nachlassen des "Kontrolldrucks" Lücken in das gemeinsame Sicherheitsnetz von Hafenwirtschaft, Reedereien, Logistikern und Wasserschutzpolizei gerissen werden, die von einigen Transportunternehmen ausgenutzt werden.
In Schleswig-Holstein existieren verschiedene Gefahrgutinformationsysteme, etwa Travemünder Datenverbund (Tradav) in Lübeck und Kiel oder "HIS Schleswig-Holstein" in den Häfen Brunsbüttel, Büsum und entlang der Westküste. Da die Systeme nicht verbindlich von Reedereien und Speditionen zu nutzen sind, werden viele Anmeldungen noch per E-Mail oder Fax an die zuständigen Hafenbehörden getätigt. Dies macht es der WSP schwer, Zugriff auf die Informationssysteme bzw. die darin gemeldeten Gefahrgut-Ladeeinheiten und deren spezifische Ladung zu bekommen. Aus Sicht der Kontrolleure wäre eine Vorschrift in der Hafensicherheitsverordnung des Landes wünschenswert, die eine einheitliche EDV-Anmeldung landseitig vorschreibt – so wie es in anderen Bundesländer längst Usus ist.
Mecklenburg-Vorpommern
In dem Bundesland werden Belange des Umschlags gefährlicher Güter durch die Hafengefahrgutverordnung Mecklenburg-Vorpommern geregelt. Für die Überwachung des Gefahrgutumschlags ist neben den Hafenbehörden auch die Wasserschutzpolizei benannt. Letztere ist neben der Landespolizei auch zu Kontrollen auf der Straße ermächtigt. Aufgrund dieser Gegebenheiten werden durch die WSP die Verkehrsträger Straße, Eisenbahn und Seeschifffahrt kontrolliert. Die Binnenschifffahrt kann vernachlässigt werden, da in dem Bundesland abgesehen von einigen Bunkerbooten keine Gefahrgutbeförderungen mit Binnenschiffen stattfinden.
Pro Jahr finden allein durch die Wasserschutzpolizei rund 1.300 Gefahrgutkontrollen an Transporteinheiten statt. Darüber hinaus werden diese Kontrollen auf Seeschiffen durchgeführt. Die durchschnittliche Beanstandungsquote der zurückliegenden Jahre beträgt 22 Prozent. "Die meisten Beanstandungen ergeben sich im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Ladeeinheiten und Versandstücken sowie bei der Dokumentation", so Detlef Kießlich vom Landeswasserschutzpolizeiamt. Probleme mit der Ladungssicherung seien weiter gegenwärtig, jedoch stark rückläufig.
Die für die Kontrollen benötigten Regelwerke werden den Beamten entsprechend den Erfordernissen in Papierform bereitgestellt. Darüber hinaus stehen sie digital am Büroarbeitsplatz zur Verfügung. Neben den einschlägigen internationalen und deutschen Regelwerken für Gefahrgutbeförderungen auf See ist in den Fährhäfen Rostock und Sassnitz (wie auch in den schleswig-holsteinischen Fährhäfen) das Memorandum of Understanding (MoU) für die Beförderung verpackter gefährlicher Güter mit Ro/Ro-Schiffen in der Ostsee anwendbar und zu beachten.
In allen Landeshäfen ist das Hafeninformationssystem "HIS M-V" verbindlich zu nutzen, mit dem auch alle gefahrgutbezogenen Daten ausgetauscht werden. Die mit der Überwachung gefährlicher Güter betrauten WSP-Beamten haben online Zugriff auf die Datenbank und verfügen über Leserechte. Parallel dazu können Auskünfte über das Zentrale Meldesystem für Gefahrgut und Schiffsverkehre der Bundesrepublik Deutschland (ZMGS) eingeholt werden.
(aus: gela 02/15, www.gefaehrliche-ladung.de)
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