Doppelt hält besser

Chemielogistik – Infraserv Logistics erfüllt am Hauptstandort Frankfurt-Höchst eine Vielzahl an Services rund um Gefahrgüter – bis hin zur Gefahrgutbeauftragtengestellung. An einem Prinzip kommt dabei niemand herum.

(skl) Wer durch eines der Tore in den Industriepark Höchst gelangen möchte, sollte schon den Unterschied zwischen den Sirenen für Räumungsalarm und Gasalarm kennen: Drei richtige Antworten auf zufällig ausgewählte Fragen zum Thema Sicherheitsvorschriften werden Besuchern am Empfang in einem kleinen Test abverlangt. Liegt man einmal daneben, heißt‘s von vorn beginnen. Es empfiehlt sich das aufmerksame Anschauen des am Empfangsterminal zuvor dargebotenen Sicherheitsfilms.

Noch schwieriger ist es für Gefahrgutfahrer, in den Industriepark zu kommen. Am Tor Süd, der Hauptzufahrt, werden sie und ihre Fahrzeuge einem umfassenden Check durch Infraserv Logistics, der Logistik-Tochter des Chemieparkbetreibers Infraserv Höchst, unterzogen. Der Fahrer muss ADR-Schein und Lkw-Zulassung vorzeigen, danach erfolgt eine Kontrolle der persönlichen Schutzausrüstung, der Fahrzeugkennzeichnung und -ausrüstung einschließlich Feuerlöscher sowie ein kurzer Check des technischen Fahrzeugzustands bis hin zur Profiltiefe der Reifen. "Wenn der Lkw bei unserer Vorab-Kontrolle nur in irgendeiner Weise auffällig ist, wird er nicht zur Beladung freigegeben und der Fahrer bzw. die Spedition müssen nachbessern", so Sven Frerick, Marketing-Leiter bei Infraserv Logistics. Alles werde dokumentiert, dauerhaft auftretende Mängel fließen in die Spediteursbewertung bzw. den Frachteneinkauf von Infraserv Logistics ein.

Die zwei Türme im Südteil

Die meisten Lkw fahren – so sie denn hereingekommen sind – das 2008 in Betrieb gegangene Neue Logistik Center im Südteil des Industrieparks an. Dieses besteht aus zwei Lagerblöcken, jeweils 135 Meter lang, 45 Meter breit und mehr als 40 Meter hoch, intern spricht man auch von "Turm Nord" und "Turm Süd". In dem gigantischen Komplex haben 70.000 Paletten Platz, damit ist es das mit Abstand größte Gefahrgutlager in Hessen und eines der größten in Deutschland.

Ein- und Auslagerungen erfolgen mit Hilfe von Elektro-Hängebahnen und Regalbediengeräten automatisch, in einer Geschwindigkeit von bis zu 150 Paletten (Wareneingang) bzw. 200 Paletten (Warenausgang) pro Stunde. Auch die Lagerplatzzuweisung einer Palette geschieht nach Erfassung der Sendungsdaten und einer Konturenprüfung – es gibt im Lager vier verschiedene Lagerfachhöhen von 1,25 bis 2,20 Meter – automatisch durch das Lagerverwaltungssystem nach dem chaotischen Prinzip. Alle Ein- und Auslagerungen werden von an den Regalbediengeräten installierten Kameras aufgenommen, so dass Störungen schnell analysiert sind. Sollte sich, aus welchen Gründen auch immer, einmal ein Mensch in die Gassen zwischen den 17 Ebenen hohen Regalreihen verirren, geht der ganze Betrieb sofort auf Stopp.

2.000 Paletten am Tag

In der dem Hochregallager angegliederten, ungleich niedrigeren Warenumschlags- und Konfektionierhalle wuseln auf einer Fläche von 4.500 Quadratmetern umso mehr Mitarbeiter herum: in der oberen Etage werden Fertigwaren kommissioniert und konfektioniert, wozu etwa auch das Belabeln von Packstücken mit Gefahrzetteln gehört. In der unteren Etage werden die zuvor palettierten Sendungen von Staplerfahrern in draußen an der Rampe stehende Lkw geladen. Ein Großteil der insgesamt 20 Verladetore ist ständig von Lkw besetzt. Nur nachts zwischen 22 und 6 Uhr ruht der Betrieb. "Unser durchschnittlicher Warenumschlag beträgt fast 2.000 Paletten am Tag, zwei Drittel davon ist Gefahrgut", erklärt Harald Karches, der für das Neue Logistik Center verantwortlich zeichnet.

Die Fahrzeuge werden ausnahmslos von Infraserv-Mitarbeitern beladen, und nicht nur das: Stellt sich bei einer Beladung heraus, dass ein Fahrer zu wenig Zurrgurte für die Ladungssicherung zur Verfügung hat, so wird der Rest von Infraserv Logistics gestellt. Die Gurte werden später mit dem Spediteur verrechnet. Antirutschmatten, Kantenschutzprofile und Leerpaletten sowie Staupolster (letztere nur im Falle von Containern mit größeren Ladelücken) werden bei Bedarf zur Verfügung gestellt. Neben dem Fahrer prüft zusätzlich der Dienst habende Lademeister, ob die vorgenommenen Sicherungen wirksam sind. Zum Abschluss wird zwecks Dokumentation ein Foto vom fertig gestauten Laderaum gemacht.

Neben der Hauptrampe verfügt das Neue Logistik Center an der Seite über einen kleinen, extra abgesperrten Bereich und damit über eine separate Ausschleusung aus dem Lager. "Wir sind nämlich auch als Reglementierter Beauftragter für die sichere Abwicklung von Luftfracht zugelassen", erklärt Karches. Dieses Tätigkeitsfeld macht Sinn, schließlich ist der Frankfurter Flughafen keine zehn Kilometer entfernt.

Das Hochregallager ist gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 510 für die Lagerklassen 6, 8 und 10 bis 13 zugelassen, wobei die Lagerung von hochtoxischen Stoffen bis zu rund 10.000 Tonnen möglich ist. Die Lagerung anderer Gefahrklassen (außer Klasse 1 und 7) erfolgt in einfachen Blocklägern, die sich über den gesamten Südteil des Industrieparks verteilen. "Zurzeit planen wir, diese meist älteren Läger mit einer Gesamtkapazität von rund 80.000 Palettenstellplätzen entweder zu revitalisieren oder durch einen zentralen Neubau zu ersetzen", so Frerick. Eine Entscheidung hierüber sei im Herbst zu erwarten. In den Flachlägern werden vor allem die Güter der Gefahrklassen 3, 4 und 5 aufbewahrt.

Unterdessen erfährt in diesem Sommer auch das Hochregallager kleinere, bauliche Änderungen: Unter anderem werden Hitzebleche und eine leistungsstärkere Sprinkleranlage installiert. Zusammen mit den vorhandenen Rauchabsaugsystemen werden damit die restriktiveren Brandschutzauflagen erfüllt, die behördlicherseits an Infraserv Logistics gestellt wurden.

Bahn und Binnenschiff für Bulk

Wie es sich für einen großen Chemiestandort gehört, fallen hier neben Stückgütern auch Massengüter an – und das in noch weit größeren Mengen. In der Produktionsversorgung kommen vornehmlich Binnenschiffe und zu einem geringeren Anteil Kesselwagen zum Einsatz. Außerdem gibt es noch eine aus dem Ruhrgebiet gespeiste Pipeline mit Ethylen. Für die Entladung aus Binnenschiffen stehen am nördlichen Mainufer drei Steiger zur Verfügung, der Fluss durchschneidet den Industriepark von Ost nach West. Die Binnentanker geben unter Aufsicht von Schlauchwachen Grundstoffe wie Methanol, Acetaldehyd oder Essigsäure in die insgesamt 140 Lagertanks des Industrieparks ab, bis die Stoffe von den ansässigen Chemieproduzenten in ihren Anlagen gebraucht werden.

Die Gesamtkapazität des Tanklagers beträgt etwa 60.000?m3. Aus jedem der 50 bis 5.500 m3 großen Tanks führe mindestens eine Leitung über die markanten oberirdischen Rohrleitungsbrücken zu einer Produktionsanlage, erklärt Frerick. Tanks und Leitungen sind also dedicated – sie werden immer nur für ein Produkt genutzt und müssen nicht gereinigt werden, wie es bei Produktwechseln nötig wäre. Durch den klassischen Stoffverbund im Chemiepark – ein Hersteller nutzt das Endprodukt eines anderen Herstellers als Ausgangsprodukt – fällt eine Menge an Zwischenprodukten an, die Frankfurt-Höchst nicht verlassen, sondern gleich weiterverarbeitet werden. Fertigprodukte werden in der Regel in Tankfahrzeug/-container-Größen von einer der zahlreichen Füllbühnen oder eben als verpackte Ware abgefahren. Der Produktions-Output aus dem Chemiepark läuft also zum Großteil über die Straße.

Trimodalport mit Gefahrgutlager

Den Modal Split zugunsten der umweltfreundlichen Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff zu ändern, versucht der vor zehn Jahren eröffnete Trimodalport am Südufer des Mains. Der KV-Terminal ist ein Joint Venture zwischen Infraserv Logistics und Contargo, einem der größten Containerlogistiker in Westeuropa. Er hat eine Stellplatzkapazität von rund 2.800 TEU (20-Fuß-Standardcontainer), ein Großteil davon entfällt auf das Leercontainerdepot. Von den Containern, die hier direkt für den Transport umgeschlagen werden, kommen oder gehen 90 Prozent aufs Binnenschiff, der Rest entfällt auf die Bahn. Jeweils dreimal die Woche wird der Terminal von Binnenschiffen und KV-Zügen angefahren, um Container aus den Westhäfen Antwerpen und Rotterdam zu bringen oder für den Export abzuholen.

Rund 20 Prozent des Umschlags im Trimodalport entfallen auf Tankcontainer, in denen sich zumeist gefährliche Güter befinden. Für den Umschlag sind alle Klassen bis auf 1, 4.1 und 7 zugelassen, darüber hinaus dürfen Container der Klassen 2, 3, 6.1, 8 und 9 in einem Gefahrgutlagerbereich untergebracht werden – sie müssen also nicht innerhalb des transportbedingten Zwischenaufenthaltes von maximal 24 Stunden wieder umgeschlagen werden. Die Kapazität des Gefahrgutlagers beträgt 280 TEU (20-Fuß-Standardcontainer), wobei durch das Bundesimmissionsschutzgesetz strikte stoffgruppen- und mengenabhängige Grenzen bestehen. Die Gefahrklassen-spezifischen Lagerbereiche sind durch Blöcke von Boxcontainern getrennt, die quasi als Brandschutzwand zwischen den Bereichen fungieren.

"Gut ausgelastet ist der Lagerbereich für verflüssigte Druckgase wie Chlormethan oder Dimethylsulfat sowie der Bereich für entzündbare, flüssige Stoffe", so Andreas Mager, Leiter des Trimodalports. Für die am Standort angesiedelten Produzenten sei es durch das Gefahrgutlager möglich, Ware genau dann zu erhalten, wenn sie benötigt wird bzw. sofort aus der Anlage zu bekommen, wenn eine Charge fertig abgefüllt ist.

Außer der bloßen Vorhaltung bietet das Trimodalterminal zusätzliche Services, etwa das Beheizen von Tankcontainern, deren Inhalt in der Produktion mit einer gewissen Temperatur benötigt wird. Insgesamt könnte die Auslastung gerade des Gefahrgutlagers aber noch stetiger und kontinuierlicher sein, so Mager. Man habe mit dem Umstand zu kämpfen, dass es sich bei diversen Produkten, die im Chemiepark hergestellt werden, um saisonale Ware handelt.

Gefahrgutbeauftragtengestellung

Ein Logistiker, der in so vieler Hinsicht mit Gefahrgütern zu tun hat, hat natürlich auch Gefahrgutbeauftragte. Bei Infraserv Logistics besteht das Gefahrgut-Team im Kern aus zehn Mitarbeitern plus Leiter, sie nehmen im Rotationsprinzip die eingangs erwähnten Torkontrollen oder eben die typischen Tätigkeiten eines Gefahrgutbeauftragten zwischen Begehungen, Unterweisungen und täglichen Pro­blembewältigungen wahr.

Infraserv Logistics ist hier aber auch über die Werksgrenzen hinaus tätig: die Gefahrgutbeauftragtengestellung wird für Fremdunternehmen im Umkreis von 200 Kilometern angeboten. "Ein Gefahrgutbeauftragter ist ja formal relativ schnell als solcher geprüft und berufen", so Frerick. Aber wie man dieses komplexe Tätigkeitsfeld im Tagesgeschäft wirklich voll ausfüllen kann – etwa auch in der Kommunikation mit Behörden –, dazu gehöre schon ein gewisses Maß an Erfahrung und Know-how. Für Infraserv ist die Gestellung von externen Gefahrgutbeauftragten zwar ein Randgeschäft, aber eines, das wächst und gut skalierbar ist. Zudem lässt es sich gut mit den ebenfalls für Dritte angebotenen Schulungen und Beratungen im Bereich Sicherheit und Gefahrgut kombinieren.

Fazit: Der Standortlogistiker eines Chemieparks ist auf vielen Feldern der Gefahrgutlogistik zu Hause. Er nutzt alle fünf Verkehrsträger und erbringt dabei fast alle erdenklichen Services von der Binnenschiffsdisposition bis hin zum weltweiten Musterversand per Luftfracht. Zu den klassischen Transport- und Lagerdienstleistungen kommen werkslogistische Tätigkeiten und die Übernahme des gesamten Beschaffungs- und Distributionsmanagements für Kunden als Lead Logistics Provider hinzu.

Nochmal zurück zu Tor Süd: Selbst nach den von Infraserv vorgenommenen Ausgangs-Checks im Neuen Logistik Center (Stückgut-Lkw) oder an einer der Füllbühnen (Tanklastzüge und -container) sind die Fahrzeuge nicht außer Kontrolle. Vor der Ausfahrt aus dem Industriepark steht zur Sicherheit noch einmal eine Endkontrolle der Dokumentation und Kennzeichnung gemäß ADR sowie auf Ladungssicherung bzw. Armaturen-/Domdeckeldichtheit an, Stichwort Vier-Augen-Prinzip. Auf diese Weise sparen die Transportunternehmen letztlich bares Geld: denn bei Fahrzeugen, die den Chemiepark verlassen, dürften behördliche Kontrolleure kaum einmal fündig werden.

(aus: gela 08/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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