Nimm drei

Änderungsrhythmus – Manch ein Anwender ist der Ansicht, dass sich die Gefahrgutvorschriften zu häufig ändern. Ein Triennium anstelle eines Bienniums würde Entlastung mit sich bringen – ein Diskussionsbeitrag.

Von Joachim Wolf

Der bislang praktizierte Rhythmus der Änderungen im Gefahrgutrecht wird durch die an ein Biennium gebundene Verfahrensweise des UN-Expertenunterausschusses für die Beförderung gefährlicher Güter bestimmt: die UN-Empfehlungen für die Beförderung gefährlicher Güter (UN-Modellvorschriften, Orange Book) erlebten 2015 ihre 19. Ausgabe. Umfang und Inhalt der zu realisierenden Aufgaben im Zusammenhang mit der Ablösung der Randnummern-Systematik durch die Einführung einer neuen Struktur der Vorschriften und bedingt durch die Arbeiten, um die verkehrsträgerspezifischen Vorschriften weitestgehend zu harmonisieren, haben einen erheblichen auch unter Zeitdruck stehenden Impuls für die zeitliche Abfolge der Änderungen gerechtfertigt.

Permanent waren und sind die sich aus dem aktuellen Stand der Technik und den praktischen Erfahrungen bei der Anwendung der Vorschriften ergebenden Forderungen auf Aktualisierung des Vorschriftenwerkes zu berücksichtigen. Auch die EU hat ihr Vorhaben, die innerstaatlichen Gefahrgutvorschriften der Binnenverkehrsträger an die internationalen Gefahrgutvorschriften anzugleichen, diesem Rhythmus untergeordnet.

Erhebliche Belastungen durch Vorschriftenänderungen

Dieses Votum für ein Biennium hat Hinweise auf Nachteile eines relativ kurzen Änderungsrhythmusses als zweitrangig erscheinen lassen. Es bleibt jedoch bei den erheblichen Belastungen der an der Beförderung Beteiligten. Die Belastungen entstehen daraus, die Gefahrgutlogistik in den Unternehmen häufig umzustellen, neue Anforderungen an die technische Ausrüstung in den Bereichen Verpackung und Fahrzeugpark umzusetzen sowie Inhalte von Schulungen und Qualifikation kurzfristig zu ändern.

Im Folgenden wird deutlich, dass für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Binnenschifffahrt in den europäischen Übereinkommen und im GGBefG keine oder keine terminlich fixierten Vorgaben für Änderungen bestehen.

  • Das ADR-Übereinkommen von 1957 in der Fassung des Protokolls vom 28. Oktober 1993 enthält keine Festlegungen, um Fristen für Änderungen seiner Anlagen A und B zu regeln.
  • Das COTIF von 1980 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juni 2015 regelt keine konkreten Fristen für Änderungen seines Anh. C, dem RID. Nach Art. 2 § 1 Buchstabe f in Verbindung mit Buchstabe a Nr. 4 ist es das allgemeine Ziel der OTIF, die einheitlichen Rechtsordnungen "unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen" weiterzuentwickeln. Als eine solche einheitliche Rechtsordnung gilt nach Art. 6 § 1 Buchstabe c das RID, für dessen Weiterentwicklung der in Art. 13 § 1 Buchstabe d genannte RID-Fachausschuss benannt ist. Dieser Fachausschuss entscheidet nach Art. 18 § 1 über Anträge auf Änderungen des RID.
  • Im ADN-Übereinkommen von 2000 wird in Art. 20 allgemein darauf hingewiesen, dass Änderungen der Anlage zum ADN auf Vorschlag des Generalsekretärs der UN möglich sind, um sie mit den übrigen relevanten internationalen Übereinkommen bzw. aufgrund der UN-Modellvorschriften zu harmonisieren.
  • Nach § 3 Abs. 1 GGBefG in der Fassung der Verordnung vom 31. August 2015 haben die seinem Geltungsbereich in § 1 unterliegenden Rechtsverordnungen "den Stand der Technik zu berücksichtigen". Liegen Bedingungen bei der Beförderung gefährlicher Güter vor, die Kriterien für die Notwendigkeit erfüllen, befristete Sofortmaßnahmen einzuleiten, ist im Sinne von § 7 kurzfristig zu handeln.

Hinweise auf Handlungsbedarf

Der gegenwärtige Stand in der Fortschreibung der Vorschriften sowie der skizzierte Sachstand in den Übereinkommen und im GGBefG rechtfertigen es zu überlegen, inwieweit eine Ablösung des bisherigen Bienniums durch ein Triennium sinnvoll und möglich ist. In einem Bericht über die 98. Tagung der WP.15 der UNECE, in dem u.a. über die Verkürzung der Sitzungszeit wegen einer geringen Anzahl der zu behandelnden Dokumente und über Diskussionen zur Veränderung der Tagungsfrequenzen informiert wird, gibt es deutliche Hinweise auf Handlungsbedarf. Auch ist aus den Informationen über die in den Folgejahren beabsichtigten Projekte, um die Vorschriften fortzuschreiben, nicht erkennbar, dass deren Realisierung und unmittelbare Sicherheitsrelevanz einem Triennium entgegenstehen würden.

Betrachtet man die zahlreichen, auf ein breites Spek­trum der Vorschriften bezogenen Übergangsvorschriften in Kap. 1.6 RID/ADR/ADN wird deutlich, dass erhebliche Teile der nach zwei Jahren erarbeiteten, neuen Vorschriften nicht unmittelbar bzw. nicht mit einer halbjährlichen Übergangszeit in Kraft gesetzt werden. Unter der Voraussetzung, dass bislang geltende Vorschriften eingehalten werden, ist deren weitere Akzeptanz über den halbjährlichen Übergangszeitraum hinaus – z. B. in Unterabschn. 1.6.4.45 ADR bis zum 31. Dezember 2018 – oder ohne eine Befristung – z. B. Weiterverwendbarkeit von Tankcontainern in Unterabschn. 1.6.4.1 ADR – zugelassen. Die GGVSEB enthält für ihren Geltungsbereich in Anlage 2 Nr. 2.2 ebenfalls unbefristete Übergangsregelungen. Eine Prüfung, ob ein Biennium weiterhin notwendig ist, sollte auch diesen Sachstand berücksichtigen.

Vorgriff auf zu erwartende Vorschriften

Schon heute werden auf maximal fünf Jahre befristete Multilaterale Vereinbarungen über zeitweilige Abweichungen von geltenden Vorschriften abgeschlossen; damit wird auf zu erwartende Vorschriften vorgegriffen. Längerfristig erwartete Änderungen könnten, z. B. im Rahmen eines Trienniums, vorab verbindlich werden.

Den zuständigen Behörden der Vertragsparteien bzw. Mitgliedstaaten ist in Art. 4 Abs. 3 des ADR-Übereinkommens in Verbindung mit Kap. 1.5 ADR, in Kap. 1.5 RID und in Art. 7 Abs. 1 des ADN-Übereinkommens die Kompetenz gegeben, um derartige Bi- und Multilaterale Vereinbarungen abzuschließen. Nach derzeitigem Stand gibt es für das ADR neun gültige, teils bis zum 30. Juni 2019 befristete Vereinbarungen, die von Deutschland initiiert oder gezeichnet wurden. Für das ADN gilt dies für fünf, teils bis 31. Dezember 2019 befristete Multilaterale Vereinbarungen.

Die Einführung eines Trien­niums würde dazu führen, dass die Häufigkeit von Unterweisungen und Auffrischungsschulungen reduziert würde. Der Umgang der Mitarbeiter mit längerfristig geltenden Vorschriften würde dadurch mehr Sicherheit zur Folge haben.

Aus Sicht des ADR ist dies für die Schulung der Fahrzeugbesatzung nach Abs. 8.2.2.5.1 möglich, da Auffrischungsschulungen "in regelmäßigen Zeitabständen" stattfinden sollen. Die Auffrischungskurse, um an der Gefahrgutbeförderung beteiligte Personen zu unterweisen, sind laut Unterabschn. 1.3.2.4 ADR in regelmäßigen Abständen vorzunehmen, "um Änderungen in den Vorschriften Rechnung zu tragen". Gleiches fordert das RID in Kap. 1.3. Vergleichbare terminliche Vorgaben für die Schulung/Ausbildung von Personen, die an der Gefahrgutbeförderung beteiligt sind, und Sachkundigen sind in Kap. 1.3 sowie Abschn. 8.2.1/8.2.2 ADN zu finden.

Die RSEB geben in Nr. 1-25 für im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG ausdrücklich beauftragte Personen keine von RID/ADR/ADN abweichende Orientierung.

Ein Triennium böte zudem den Experten für die Weiterentwicklung der Vorschriften mehr zeitliche Möglichkeiten, um die Texte intensiv zu erarbeiten, abzustimmen und zu übersetzen. Dadurch ließen sich die Belastungen vermeiden, welche für die an der Umsetzung der Vorschriften Beteiligten entstehen; diese Belastungen entstehen auch durch die in ziemlicher Regelmäßigkeit verlangten Berichtigungen für RID/ADR/ADN im Nachgang zu turnusmäßigen Änderungen der Regelwerke.

(aus: gela 01/16, www.gefaehrliche-ladung.de)

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