Akkus – Große Lithiumionenbatterien sind gemäß SV 376 vor der Entsorgung in nur defekte oder kritische (eventuell gefährlich reagierende) Batterien einzuteilen. Ein Anbieter aus Berlin hat für jeden Typ die passende Lösung.
Von Stefan Klein
Ein Hauch von Start-Up weht durch den Firmensitz der Genius Entwicklungs GmbH in Rangsdorf am Rand von Berlin: modernste Bürotechnik, viele Bezeichnungen auf Englisch, fast nur junge Mitarbeiter ... Nur, dass das 2010 gegründete Unternehmen eben nicht in Software/IT macht, sondern wie man spätestens beim Gang in die Fertigungshalle feststellt, sehr handfeste Produkte, nämlich mobile und festinstallierte Brandschutzlösungen. Immerhin passt da der Begriff der Innovationsschmiede.
"Alle unsere Lösungen basieren auf dem Löschgranulat Pyro Bubbles", erklärt Alexander Saupe, Leiter Forschung und Entwicklung bei Genius. Das leichte, inerte und temperaturbeständige Granulat in Korngrößen zwischen 0,5 und 5 Millimetern eignet sich zur Bekämpfung fester und flüssiger Stoffe (Brandklassen A, B, D und F). Es hat diverse Vorteile gegenüber Löschschaum, bei dem man etwa in der Mineralöl-/Chemiebranche vor dem Einsatz erstmal zwischen polaren und unpolaren Brandgütern unterscheiden muss – spätestens seitdem der effiziente Allround-Schaum AFFF wegen der enthaltenen Fluortenside nur eingeschränkt verwendbar ist. Zudem sind "Pyro Bubbles" nicht elektrisch leitfähig, Rückzündungen werden verhindert.
Dabei funktioniert das Granulat, das vor allem aus Siliziumdioxid besteht, ähnlich wie Löschschaum: Schon geringe Schichtdicken des Löschmittels schirmen den Brandherd von dem in der Umgebung vorhandenen Sauerstoff ab. "Die Löschwirkung beruht primär auf diesem Stickeffekt", so Saupe. Zusätzlich nehmen "Pyro Bubbles" beim Aufbringen Energie auf und erreichen so einen Kühleffekt als sekundäre Löschwirkung. Ab 1.050 °C schmilzt das Granulat auf und legt sich wie ein Kokon um den Brandherd. Granulat, das nicht geschmolzen ist, kann nach einem Brand aufgesaugt und wiederverwendet werden.
"Pyro Bubbles" können auch bei den sehr schwer zu bekämpfenden Bränden von Metallen (Magnesium, Natrium, Lithium) oder pyrophoren Flüssigkeiten (Triethylaluminium, Silanverbindungen) ausgebracht werden. Im anlagentechnischen Brandschutz erfolgt die Ausbringung in der Regel per Druckluftleitung oder per Schwerkraft aus stationären Vorratsbehältern. Darüber hinaus findet das Granulat im baulichen Brandschutz (Baustoffklasse A) Verwendung: entweder zu Platten verarbeitet oder verfüllt in Kabelschächten.
Die Hauptanwendung der Pyro Bubbles liegt inzwischen aber in der Entsorgung defekter Lithiumionen-Batterien – ein wie man inzwischen aus zahlreichen Vorfällen weiß, brandtechnisch ebenfalls sehr gefährliches Gut. In diesem Bereich, der innerhalb der Genius-Gruppe als "Lionguard" firmiert, wird das Granulat in Spezialbehälter gefüllt, mit denen die Batterien befördert und auch gelagert werden können.
Defekte Batterien
Für den rechtskonformen Transport defekter Lithiumbatterien ist die SV 376 im ADR maßgeblich. Danach gelten Batterien als beschädigt, wenn sie nicht mehr einem nach UN-Handbuch geprüften Typ entsprechen, was der Fall sein kann, wenn sie:
Mit der SV 376 sind die beiden Verpackungsanweisungen P 908 und LP 904 verbunden. Dort werden bauartzugelassene Verpackungen aus Metall, Holz, Pappe und Kunststoff auf dem Prüflevel der Verpackungsgruppe VG II vorgeschrieben, wobei in der LP 904 Holz oder Pappe als Verpackungswerkstoffe nicht zugelassen sind. Innen- und Außenverpackung müssen flüssigkeitsdicht sein, wobei Batterien größer 30 Kilogramm nur einzeln in die Außenverpackung kommen dürfen; LP 904 gilt generell nur für einzelne, beschädigte Batterien. Zusätzlich wird in P 908/LP 904 die Beigabe nicht-brennbaren, nicht-leitfähigen Wärmedämm- und Polstermaterials sowie eine Entlüftungseinrichtung gefordert.
Für den Transport beschädigter Lithiumbatterien gemäß SV 376 hat Genius bereits seit Jahren diverse Kunststoff-Behälter in Größen zwischen 56 und 600 Liter im Programm. Es existieren verschiedene Verpackungsmethoden: die Batterien werden entweder gleichmäßig mit Pyro Bubbles-Kissen umgeben, d. h. das Granulat kommt in handlichen, mit PE-Folie umhüllten Abpackungen dazu. Oder es wird ein für das jeweilige Behältervolumen passender Gitterkorb eingesetzt, der die nötigen Sicherheitsabstände der Batterie(n) zur Behälterwand gewährleistet. Die Hohlräume werden dann entweder mit Pyro Bubbles-Granulat oder den Kissen verfüllt. "Die Wirkungsweise des Systems ist hier immer unabhängig vom Batterietyp", betont Saupe. Die Pyro Bubbles sorgen für die Lagefixierung, sie dienen außer als Füllmaterial als Wärmedämm-, Lösch- und Bindemittel, sollte doch einmal Elektrolyt auslaufen oder es zu Zündungen kommen.
Kritische Batterien
Im letzten Absatz der SV 376 findet sich ein entscheidendes Kriterium: Wenn defekte Batterien unter normalen Beförderungsbedingungen zu:
neigen bzw. diese Gefahren nicht auszuschließen sind, dürfen sie nur nach den von der zuständigen Behörde eines ADR-Vertragsstaates genehmigten Bedingungen befördert werden. Die in Deutschland zuständige Behörde ist gemäß § 8 Nr. 1a GGVSEB die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Sie bestimmt in so genannten Festlegungen, unter welchen Bedingungen ein Antragsteller – in der Regel ein Batterie- oder Fahrzeughersteller, zuweilen auch ein Verpackungsanbieter oder Entsorger – einen ganz bestimmten Batterietyp verpacken und befördern darf.
Festlegungen der Behörde
Genius hat im Auftrag seiner Kunden für mehrere solcher BAM-Festlegungen zugearbeitet. Zuletzt erreichte man gar eine Festlegung für den Seeverkehr, da ein großer Automobilkonzern kritische Batterien nicht anders aus Großbritannien herausbringen kann. Die Möglichkeiten für Festlegungen wurden durch eine Änderung der SV 376 2015 noch etwas erweitert: seitdem können auch zuständige Behörden anderer ADR-Vertragsstaaten Genehmigungen für den Transport kritischer Batterien erteilen.
Die behördlichen Auflagen sind von Festlegung zu Festlegung verschieden: So sind die Batterien mal gegen Kurzschluss zu sichern, mal voll zu entladen oder sie sind herunterzukühlen und dann temperaturgeführt zu befördern. Oft müssen sie vor dem Transport auch länger auf etwaige Zustandsänderungen vor allem hinsichtlich der Temperatur beobachtet werden.
"Die Entscheidung, ob eine Batterie nicht nur beschädigt ist, sondern auch gefährlich reagieren kann, ist selbst für Experten schwierig", sagt Saupe. Es gebe inzwischen nicht mehr zählbare Akkutypen von immer mehr Herstellern, diese unterscheiden sich hinsichtlich der Anzahl, Anordnung, Zusammenschaltung, Zusammensetzung und Energiedichte der einzelnen Zellen. Im Zweifel rät Saupe seinen Kunden zur sicheren Variante auf Basis einer (BAM-)Festlegung.
Für den Bereich der kritischen Batterien hat Genius zum Einen ein Box-in-Box-System im Portfolio, das im Gegensatz zu den meisten anderen BAM-Festlegungen nicht an einen bestimmten Batterietyp gebunden ist. Es besteht aus einem nach den Prüfanforderungen für Verpackungsgruppe I geprüften Außenbehälter aus Edelstahl (genannt "Mutterbox"), und als Innenverpackungen dienenden "Tochterboxen". Letztere gibt es in zwei Größen, so dass entweder vier kleine oder zwei große oder auch eine große und zwei kleine Tochterboxen mit Hilfe von Gurten in die zwei Innenkammern aufweisende Mutterbox gehoben werden können. Die Hohlräume um die beiden Mutterbox-Innenkammern sowie in den Tochterboxen werden mit Pyro-Bubbles befüllt, obendrauf kommen große Granulatkissen. Das Box-in-Box-System eigne sich für Batterien zwischen 0,5 und 30 Kilogramm, erklärt Saupe, zum Beispiel für defekte Akkus von Power-Tools, E-Bikes oder auch Kfz-Starterbatterien, die ja zunehmend als Lithiumionenbatterien ausgeführt sind.
Für größere Lithiumionen-Akkus, wie sie etwa in immer größeren Ausmaßen in der Automobilindustrie verbaut werden, hat Genius einen standardisierten, für Güter der Verpackungsgruppe I geprüften Edelstahlbehälter entwickelt. Mit der größten Variante, der XXL-Box in den Maßen 2,5 Meter Länge, 1,5 Meter Breite und gut 1 Meter Höhe, können Batterien bis zu 400 Kilogramm Gewicht befördert werden, und das ohne separate Innenverpackung. Die beim Unternehmen Contek im Südharz gefertigten Behälter sind mit Spannverschlüssen, Gummidichtung und Überdruckventil ausgerüstet und lassen sich mittels Hubwagen, Stapler oder Kran bewegen. Die Mindestabstände der eingesetzten Batterie(n) zur Behälterinnenwand bzw. die Aufschüttung der Hohlräume mit Pyro Bubbles(-Kissen) sind in der BAM-Festlegung – so wie auch der Batterietyp – genau vorgeschrieben.
Für noch größere Akku-Typen zwischen 400 bis 700 Kilogramm Gewicht arbeitet Genius derzeit an einer Festlegung für eine Großverpackung (LP), bei der das gemäß Gefahrgutrecht zulässige Volumen von drei Kubikmetern ausgereizt wird – sonst würden die Batterie und die Mindestschichtdicken an Pyro Bubbles nicht hineinpassen.
Realbrandtests
"Durch die Abstimmung der Komponenten bei all diesen Behältern stellt der gefürchtete Thermal Runaway einer Batterie keine Gefahr selbst für die unmittelbare Umgebung dar", erklärt Saupe. Die zur Erreichung einer BAM-Festlegung obligatorischen Realbrandtests, die Genius auf einem Testgelände im nahen Luckenwalde durchführt, zeigten, dass die Temperatur an der Behälteraußenwand auch im Fall des thermischen Durchgehens von Batteriezelle zu -zelle bei weit unter der von der BAM festgelegten Grenze von 100 °C verharrt. "Im Inneren treten bei der stark exothermen chemischen Reaktion Temperaturen von bis zu 800 °C auf", sagt Saupe, Absolvent des Studiengangs Sicherheit und Gefahrenabwehr an der Uni Magdeburg.
Lithiumbatterien unterscheiden sich in ihrem Brandverhalten zwar nicht grundsätzlich von anderen Gütern, besonders gefährlich sind aber die entstehenden Brandgase einschließlich Sauerstoff sowie die mit Luftfeuchte mögliche Reaktion von freigesetztem Elektrolyt zu Flusssäure (siehe unten). Doch auch in diesem Fall helfen Pyro Bubbles: Die äußerst gefährliche Säure reagiert mit dem Hauptbestandteil Siliziumdioxid zu weit weniger gefährlichen Verbindungen.
Lagerung von Lithiumionenbatterien
Immer wieder kommt es zu Bränden bei Herstellern, Verarbeitern und Entsorgern von Lithiumionenbatterien, zuletzt Anfang April bei einem Hersteller in Kamenz (Sachsen). In den meisten Fällen waren die Batterien selbst der Brandauslöser.
Das thermische Durchgehen (Thermal Runaway) von Batteriezellen ist eine chemische Reaktion, die sich – einmal in Gang gesetzt – nicht mehr von außen unterbrechen lässt. Wie sich eine Zelle zersetzt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig, vor allem der Zellchemie-Spezifikation und dem Ladezustand. Je höher der Ladezustand, desto gefährlicher ist sie prinzipiell. Auslöser von Thermal Runaways können außer in Produktionsfehlern in unsachgemäßer Bedienung (Überladung oder Tiefenentladung), in mechanischen Beschädigungen oder in zu hohen Umgebungstemperaturen begründet liegen. Diese führen zunächst zu Kurzschlüssen oder gleich zur Freisetzung der brennbaren Elektrodenmaterialien und des Elektrolyts (meist Lithiumhexafluorophosphat).
Wegen der hohen Risiken (hohe Energiedichte, Selbstentzündungspotenzial, Elektrolytverlust, Flusssäurefreisetzung) bei Produktion, Transport und Lagerung beschäftigt sich auch die Versicherungsbranche intensiv mit Lithiumionenbatterien. Mitte 2016 veröffentlichte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) das Ergebnis von Brandversuchen in Batterielägern, die in das zeitgleich aktualisierte GDV-Merkblatt zur Schadenverhütung für Lithiumbatterien (VdS 3103) einflossen. Ergebnis: Je früher eine Sprinkler- oder Sprühwasserlöschanlage auslöste und je vollständiger sie das gefährliche Lagergut mit Wasser kühlte, desto besser war die Schutzwirkung.
Die Schadenverhüter des Verbands empfehlen, für Batterieläger ein ganzheitliches Brandschutzkonzept zu entwickeln. Denn auch die Verpackung (in der Regel Wellpappkartons) oder die mit den Akkus betriebenen Geräte (aus Kunststoffen bestehend) würden eine schnelle Ausbreitung des Feuers begünstigten.Kernelement des Brandschutzes sollte eine zuverlässige automatische Löschanlage sein, die sich am Verpackungsmaterial sowie den gelagerten Materialien orientiert. Zudem seien zusammen mit der Feuerwehr passgenaue Einsatzstrategien zu entwickeln. Denn auch die Feuerwehr kann die heftigen Brände mit Lithiumakkus nur beherrschen, wenn sie in den ersten Minuten nach Ausbruch des Feuers mit einer wirksamen Brandbekämpfung beginnt, so der GDV. Gelingt das nicht, kann sie nur noch versuchen, die Umgebung zu schützen.
Der US-amerikanische Gewerbeimmobilienversicherer FM Global hat ebenfalls Brandtests im 10.000 m2 großen, unternehmenseigenen Brandschutz-Labor durchgeführt. Die Ergebnisse fielen ähnlich aus wie die des GDV. Zudem wurde nachgewiesen: Großformatige Lithiumionenbatterien, wie sie u.a. in Elektroautos verwendet werden, neigen bei einem Lagerbrand dazu, sich schneller zu entzünden als kleinformatige Batterien (etwa für Smartphones). Die Brandversuche von GDV und FM Global werden von Experten aber auch kritisiert, da das Feuer immer von außen gelegt wurde und nicht von innen her durch einen Thermal Runaway ausgelöst wurde.
Einig ist man sich, dass Wasser oder – wenn dies weniger eingesetzt werden soll – wässrige Lösungen mit Schaum oder Gel das beste Löschmittel sind. (Metallbrand-)Pulver und Kohlendioxid sind wenig bis überhaupt nicht geeignet.
Für die Lagerung von Lithiumionenbatterien gibt es im Gegensatz zum Transport keine Vorschriften. Eine Einstufung in die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 510 gibt es (bislang) nicht.
(aus: gela 08/17, www.gefaehrliche-ladung.de)
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