Keine intrinsische Eigenschaft

Das Europäische Gericht erklärt Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid in Pulverform als krebserzeugend beim Einatmen für nichtig

(ur) Die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid in bestimmten Pulverformen als karzinogener Stoff beim Einatmen erklärt das Europäische Gericht (EuG) mit seinem Urteil vom 22. November 2022 für nichtig.

Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/217 vom 4. Oktober 2019 zur Änderung der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt und zur Berichtigung der Verordnung stellte die EU-Kommission fest, dass bei Titandioxid der Verdacht einer karzinogenen Wirkung beim Menschen bestehe, wenn dieser Stoff in Pulverform mit mindestens 1 % Partikel mit aerodynamischem Durchmesser von höchstens 10 μm eingeatmet werde.

Die Kommission folgte damit einer Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), wonach Titandioxid als karzinogener Stoff der Kategorie 2 mit dem Gefahrenhinweis „H351 (Einatmen)“ einzustufen sei.

In seinem Urteil bemängelte das Gericht, dass die Einstufung eines karzinogenen Stoffes auf zuverlässigen und anerkannten Untersuchungen beruhen muss, nicht erfüllt wurde und dem RAC ein Beurteilungsfehler bei der Lungenüberlastung mit Titandioxidpartikeln und der Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Studie unterlaufen war.

Weiter stellte das Gericht fest, dass die angefochtene Einstufung und Kennzeichnung gegen das Kriterium verstoßen hat, wonach sich die Einstufung eines Stoffes als karzinogen nur auf einen Stoff mit der intrinsischen Eigenschaft, Krebs zu erzeugen, beziehen darf.
In diesem Zusammenhang legt das Gericht den Begriff „intrinsische Eigenschaften“ aus und berücksichtigt dabei, dass die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung eines Stoffes als karzinogen nach der Verordnung Nr. 1272/2008 nur auf den intrinsischen Eigenschaften des Stoffes beruhen darf, die seine Eigenschaft begründen, für sich genommen Krebs zu erzeugen.

Das Gericht gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie der Schlussfolgerung in der Stellungnahme des RAC gefolgt ist, wonach die Wirkungsweise der Karzinogenität, auf die sich dieser Ausschuss stützte, nicht als eine intrinsische Toxizität im klassischen Sinn angesehen werden könne, die aber im Rahmen der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 zu berücksichtigen sei.

Nach Auffassung des Gerichts besteht die Gefahr der Karzinogenität nur in Verbindung mit bestimmten lungengängigen Titandioxidpartikeln, wenn sie in einem bestimmten Aggregatzustand, einer bestimmten Form, einer bestimmten Größe und einer bestimmten Menge vorhanden sind; sie zeigt sich nur bei einer Lungenüberlastung und entspricht einer Partikeltoxizität.

Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

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