Tödliche Falle

Behälterreinigung – Beim so genannten Befahren von Behältern bestehen für Beschäftigte vielfach unterschätzte Gefahren, die immer wieder zu Todesfällen führen. Worauf ist zu achten?

Sicherheit bei der Behälterreinigung

(Frank Sieck, Glinde) Täglich wird in der Tankwagen-, Behälter-, Tankcontainer und Kesselwagen-Innenreinigung (kurz: Behälter-Innenreinigung) mit unterschiedlichen Stoffen und Stoffgemischen oder Produkten umgegangen. Die mit Restproduktanhaftungen entladenen Behälter werden vor einer neuen Beladung, einer anstehenden Inspektion oder für einen Produktwechsel gereinigt. Die Qualitätsanforderungen und die Reinigungsziele können dabei sehr unterschiedlich sein, so dass die Reinigungsweisen und die Endkontrolle nach der Reinigung wichtige Parameter im Gesamtprozess darstellen.

Ohne Information geht gar nichts

Vor Beginn der Arbeiten an einem Behälter sind neben den örtlichen Bedingungen, der Anlagenausrüstung und der Behältergeometrie insbesondere die Informationen zu den eingesetzten Arbeitsstoffen und Restprodukten aus dem Behälter zu berücksichtigen. Ohne eine zeitnahe, eindeutige Produktidentifikation darf mit den Arbeiten nicht begonnen werden. Dazu sollte immer ein aktuelles Sicherheitsdatenblatt des Produktes vorliegen. Gerade bei den Sicherheitsdatenblättern sind viele Änderungen durch die GHS/CLP- und die REACH-Verordnungen entstanden. Des Weiteren sind die Kennzeichnung am Behälter und die Information aus den Frachtpapieren zu beachten. Aus der abgeschlossenen Identifikation ergeben sich die weiteren Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung, die immer vor Beginn der Arbeiten durch den Anlagenbetreiber festzulegen sind.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung die produktbezogenen Entscheidungen zu bewerten und zu dokumentieren. Es ist dabei unerheblich, ob es sich z.B. um ein chemisches oder Lebensmittel-Produkt handelt. Die zugehörigen Arbeitsanweisungen und Festlegungen im Unternehmen müssen durch den ausführenden Mitarbeiter befolgt werden. Neben der ständigen Überprüfung des Reinigungsprozesses sind regelmäßige und wiederkehrende Schulungen durchzuführen.

Befahren von Behältern

Bei allen Arbeiten ist das Risiko einer Gefahr für den Mitarbeiter, den Behälter und die Anlagenausrüstung zu minimieren. Einem Arbeitsunfall oder Equipment-Schaden ist vorzubeugen. Gerade im Bereich der Behälter-Innenreinigung besteht nach den Auswertungen der Berufsgenossenschaften die größte Gefahr eines Arbeitsunfalls beim sogenannten Befahren von Behältern.

Das Befahren von Behältern bedeutet ein Arbeiten in engen Räumen. Behälter sind allseits von festen Wandungen umgeben und stellen luftaustauscharme Bereiche dar, in denen besondere Gefährdungen bestehen oder auftreten können. Diese entstehen bereits durch das Hineinbeugen in den Behälter nach dem Öffnen der Domdeckel. Das Befahren von Behältern fällt täglich in der Reinigungsanlage, aber auch im Werkstattbereich an. Es handelt sich um einen Routine-Vorgang, wobei immer wieder schwere Arbeitsunfälle passieren, die zum Teil tödlich verlaufen.

Gefahren beim Befahren

Die Gefahren bei der Arbeit am oder im Behälter ergeben sich aus den Produktresten und der Bauart des Behälters. Die häufigsten Gefahren sind Gase, Dämpfe oder Stäube, die einen Brand, eine Verpuffung oder eine Explosion auslösen können. Des Weiteren wird immer wieder ein Sauerstoffmangel, der beim Inertisieren oder durch nicht ausreichende Belüftung entsteht, genannt.

Explosionsgefahr

Es muss während der Arbeiten im Behälter nachgewiesen werden, dass die Konzentration der gefährlichen Stoffe und Produkte sicher unterhalb der bekannten Unteren Explosionsgrenze (UEG) liegt. Die Messung erfolgt dabei in der Regel mit kombinierten Messgeräten, die neben dem Sauerstoffgehalt auch toxische und explosionsfähige Gase (Ex-Tox) misst. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die UEG in einzelnen Bereichen des Behälters durch eingeschlossene Produktreste, z.B. in Anbauteilen, überschritten wird.

Für die weitere Betrachtung ist der Betrieb verpflichtet, ein aktuelles Explosionsschutz-Dokument mit einer Ex-Zonen-Einteilung zu erstellen. Alle eingesetzten elektrischen und nichtelektrischen Geräte müssen den ATEX-Anforderungen entsprechen. Brennbare und explosionsfähige Gase sind in der Regel schwerer als Luft und sind deshalb überwiegend an tief liegenden Punkten anzutreffen.

Sauerstoffmangel am Beispiel Stickstoff

Bereits beim Öffnen des Domdeckels kann z.B. Stickstoff, der aufgrund seines Dichteunterschiedes leichter als Luft ist, austreten. Beugt sich nun ein Mitarbeiter in den stickstoffbeaufschlagten Behälter, kann es passieren, dass er sofort und ohne Vorwarnung bewusstlos wird. Die Folgen können ein Absturz vom oder in den stickstoffhaltigen Behälter sein. Bei einer Sauerstoff-Konzentration von < 5 Vol.-% können bereits ein bis zwei Atemzüge tödlich sein.

Es ist daher immer sicherzustellen, dass die Atmosphäre im Behälter nicht von der natürlichen Sauerstoff-Konzentration von 20,9 Vol.-% abweicht. Jede Abweichung muss kritisch hinterfragt werden. Als untere Grenze für den Sauerstoff-Gehalt wird gemäß den berufsgenossenschaftlichen Veröffentlichungen ein Wert von 17 Vol.-% genannt.

Freimessen

Zur Erkennung und Beurteilung der Atmosphäre im Behälter muss vor dem Beginn der Arbeiten freigemessen werden. Die Messungen haben dabei mit einem geeigneten Gerät an einer repräsentativen Stelle im Behälter zu erfolgen. Die Messergebnisse sind gemäß der Betriebsanweisung im Einstiegsprotokoll zu dokumentieren. Wie beschrieben, können in der Behälter-Innenreinigung Gase auftreten, die sowohl schwerer als auch leichter als Luft sind, so dass der komplette Behälter-Durchmesser bei der Messung erfasst werden muss. Je nach Geräte-Typ und der Schlauchlänge ergibt sich die minimale Messzeit im Behälter.

Auf das Freimessen kann nur in Einzelfällen verzichtet werden, wenn sichergestellt ist, dass der Behälter vollständig entleert und gereinigt ist und keine Gefahrstoffe und Stickgase auftreten können. Der Verzicht auf die Messung müsste für jeden Behälter in einer Einzel-Gefährdungsbeurteilung vor dem Beginn der Arbeiten schriftlich nachgewiesen werden.

Das Freimessen selbst darf nur durch eine beauftragte Person, die über die erforderliche Sachkunde verfügt, erfolgen.

Persönliche Schutzausrüstung

Atemschutz

Falls für die Arbeiten im Behälter ein Atemschutz erforderlich ist, so sind grundsätzlich unabhängig von der Umgebungsluft wirkende Atemschutzgeräte zu tragen.

Nur wenn bekannte Umgebungsverhältnisse vorliegen, ist der Einsatz von Filtergeräten zulässig. In der Praxis wäre nachzuweisen, dass sich die Zusammensetzung der Behälteratmosphäre nicht nachteilig verändert und die minimale Sauerstoff-Konzentration vorhanden ist.

Absturzgefahr und Rettungsausrüstung

In der Regel erfolgt der Einstieg in den Behälter durch den oberen Domdeckel, so dass dort Höhen mit mehr als einem Meter über dem Boden erreicht werden. Die Mitarbeiter müssen sicher auf den Behälter gelangen, dort oben arbeiten und anschließend wieder zurückkehren können.

Der Einstieg in den Behälter mit z.B. einer Leiter muss sicher erfolgen. Für die Arbeiten ist eine geeignete Absturzsicherung am Arbeitsplatz zu installieren. Über den Domöffnungen sollte mindestens ein Freiraum von 1,5 m vorhanden sein.

Vor Ort wird eine Rettungsausrüstung durch die Berufsgenossenschaft gefordert. Die Anschlagpunkte zum Retten einerseits und für die Absturzsicherung andererseits müssen von einander getrennt sein. Während der Arbeit hat der Mitarbeiter einen Rettungsgurt zu tragen und über ein Seil soll eine permanente Verbindung zwischen dem Mitarbeiter und einer Hubwinde hergestellt sein. Dazu muss es im Unternehmen einen Rettungsplan geben.

Organisatorische Maßnahmen

Für das Arbeiten in einem Behälter gibt es immer eine Arbeitsanweisung und ein dazugehöriges Einstiegsprotokoll. Das Einstiegsprotokoll wird vor dem Antritt der Arbeiten ausgefüllt. Beteiligt an der Arbeit sind der Aufsichtsführende, der Sicherungsposten und der Mitarbeiter, der die Arbeiten im Behälter ausführt.

Der Aufsichtführende ist die Person, welche die Vorbereitung und Durchführung der Arbeiten mit dem Mitarbeiter bespricht und festlegt. Sie kontrolliert die Arbeiten in angemessenen Zeitabständen, muss jedoch nicht ständig vor Ort sein.

Der Sicherungsposten hat einen permanenten Kontakt zu dem ausführenden Mitarbeiter. Der Sicherungsposten löst im Falle eines Unfalles den Alarm aus und ist als Ersthelfer/Retter vor Ort.

Auf einen Sicherungsposten kann nur verzichtet werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Gefahrstoffe und kein Sauerstoffmangel vorliegen und der Mitarbeiter ohne fremde Hilfe den Behälter verlassen kann. Eine Alarmierung durch den ausführenden Mitarbeiter muss ebenfalls gewährleistet sein.

Ähnlich verhält es sich bei dem Erlaubnisschein oder das Einstiegsprotokoll. Auf das Ausfüllen des Einstiegsprotokolls kann verzichtet werden, wenn immer gleichartige Arbeitsbedingungen und gleichartige Schutzmaßnahmen festgelegt werden können.

Da in der Behälter-Innenreinigung in der Regel keine Gefahr komplett ausgeschlossen werden kann, sind der Einsatz eines Sicherungspostens und das Ausfüllen des Einstiegsprotokolls unumgänglich.

Zusammenfassung

Bei der Behälter-Innenreinigung stellt der Einstieg in den Behälter das größte Gefahrenpotenzial dar. Gerade weil es sich um eine alltägliche, wiederkehrende Arbeit handelt, muss durch regelmäßige Schulungen sichergestellt sein, dass alle arbeitsschutzrechtlichen Auflagen erfüllt werden.

Neben neuen muss auch langjährigen Mitarbeitern die Gefahr und der festgelegte Arbeitsablauf bekannt sein. Die konsequente Umsetzung im Betrieb ist eines der obersten Ziele der Leitung und rettet Leben.

Empfehlenswert ist auch ein Compliance-Audit durch einen externen Sachkundigen. Das bedeutet, dass dort überprüft wird, ob die vorgegebenen Verhaltensregeln, Gesetze und Richtlinien im Betrieb umgesetzt werden.

Bei gewissenhafter Einhaltung der genannten Abläufe wird das Befahren eines Behälters keine tödliche Falle!

 

Weiterführende Informationen:

BGI 534 – Arbeiten in engen Räumen

BGI 5091 – Sicheres Arbeiten bei der Tankfahrzeug-Innenreinigung

BGI 5091-2 – "Sicherheits-Check" Tankfahrzeug-Innenreinigung

BGR 117-1 – Behälter, Silos und enge Räume

BGG G 970 – Freimessen, Ausbildung, Beauftragung

(aus: gela 04/13, www.gefaehrliche-ladung.de)

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