Europäische Tank- und Chemieschifffahrt in schwerer Krise
(fu) Die Tank- und Chemieschifffahrtsunternehmen in Europa stecken in ihrer schwersten Krise seit Existenz der Branche. So beschreibt Dr. Gunther Jaegers, Geschäftsführer der Duisburger Reederei Jaegers und Gefahrgut-Preisträger 2007, die aktuelle Lage.
Im vergangenen Jahr beförderte Tankschiffe knapp 50 Mio. Tonnen Güter auf deutschen Flüssen und Kanälen. Der Gefahrgutanteil ist erheblich: Vor allem Kraftstoffe, Gas-, Diesel-, Heizölprodukte sowie sonstige Mineralölerzeugnisse und chemische Produkte werden befördert. Die Eigentümer von Einhüllenschiffen, die häufig bereits abbezahlt sind, kämen derzeit "gerade so" über die Runden, erklärte Jaegers. Problematisch sei die Lage aber für jene, die im Interesse der Sicherheit bereits in Doppelhüllentankschiffe investiert haben. Sie "leben von der Substanz und haben zum Teil gewaltige Probleme, ihren Kapitaldienst zu leisten", erklärte der Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt jetzt anlässlich der jährlichen Tankreederversammlung. Die Kombination aus extrem niedrigen Frachtraten und stark wachsenden Treibstoffkosten verhindere derzeit einen wirtschaftlichen Betrieb von Doppelhüllentankschiffen.
Diese Marktsituation werde durch den Neubau-Boom bei Doppelhüllenschiffen hervorgerufen. Das ADN - maßgebende Gefahrgutvorschrift für die Binnenschifffahrt - schreibt die Doppelhülle für nahezu alle Gefahrgüter spätestens ab Ende 2018 vor. Problematisch sei, dass mit Hilfe von Übergangsbestimmungen bis zu diesem Zeitpunkt viele alte Einhüllenschiffe im Markt verbleiben. Dies sei nicht überraschend. Dr. Jaegers betont: "Ich hatte bereits im Jahr 2006 die Sorge, dass Eigner von Einhüllenschiffen bis zum Auslaufen der Übergangsbestimmungen des ADN ihr Schiff in der Fahrt halten. Ich habe deshalb bereits damals vor den drohenden erheblichen Verwerfungen in der Branche gewarnt und im europäischen Binnentankschifffahrtsgewerbe für
eine Art Prämie für das Austauschen des Einhüllenschiffsraums geworben." Diese Maßnahme hätte aus Geldern des Gewerbes im europäischen Reservefonds, immerhin rund 20 Mio. Euro, finanziert werden können. Man sei jedoch am Widerstand niederländischer Vertreter gescheitert, die ihrerseits die Interessen der bereits bestehenden Doppelhüllenschiffe im Visier hatten.
Die Marktsituation habe nun auch einen dramatischen Werteverfall beim Doppelhüllenschiffsraum zur Folge. Ein 110-Meter-Schiff, das in Boom-Zeiten deutlich über 6 Mio. Euro kostete, sei heute für weniger als 4 Mio. Euro zu haben. Der Markt verfüge jetzt über rund 30 % mehr Kapazität, als benötigt wird. Dabei machen Einhüllenschiffe in Europa noch rund 32 % der Flotte aus. Ob der europäische Markt insgesamt nach Auslaufen der Übergangsbestimmungen des ADN, also ab Anfang 2019, über ausreichendenden Doppelhüllenschiffsraum verfügt, lasse sich derzeit nicht prognostizieren.
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