Mehr als heiße Luft

Tankschifffahrt – Die Branche muss sich verstärkt einem Thema zuwenden, das bald mehr als heiße Luft sein wird: dem Entgasen von Ladetanks nach dem Löschen von Stoffen mit hohem Dampfdruck.

(skl) Umweltschützer fahren derzeit eine Kampagne gegen die Binnenschifffahrt, ausgerechnet der ansonsten umweltfreundlichste Verkehrsträger wird als mitverantwortlich für die hohe Feinstaubbelastung in Ballungsräumen gesehen. Dabei gibt es keine objektiven, normierten Messtechniken, anhand derer sich Schadstoffe Verursacherbranchen wie etwa der Industrie zuordnen lassen. Fakt ist aber, dass die wenigsten Binnenschiffe über Partikelfilter verfügen, diese sind nur als Einzelanfertigungen zu haben und darum ebenso teuer sowie störanfällig.

Die Binnentankschifffahrt muss sich darüber hinaus noch mit einem anderen, ganz ähnlich gelagerten Problem herumschlagen: dem Entgasen. Gasförmige Reste in den Ladetanks, die umso mehr anfallen, je höher der Dampfdruck des zuvor entladenden Produkts war, werden dabei – so ist es seit jeher gängige Praxis – in die Atmosphäre abgegeben. Dies ist auch gemäß ADN 7.2.3.7 unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsbedingungen während der Fahrt erlaubt, außer bei toxischen und stark korrosiven Produkten.

In Deutschland besteht indes durch das Inkrafttreten der 20. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) seit 2006 ein Entgasungsverbot für den viel beförderten Stoff Benzin (UN 1203). Demnach müssen Restdämpfe so lange im Schiff zurückgehalten werden, bis dieses entweder erneut beladen (und die Reste über die Gaspendelleitung an den Lagertank abgegeben werden) oder bis die Dämpfe durch Abgasreinigungs-/Entgasungsanlagen aufgenommen werden.

Immer mehr Stoffe verboten

Mit der Erweiterung der 20. BImSchV im Jahr 2012 wurde das Entgasungsverbot um Naphtha (UN 1268) und Benzingemische (UN 3475) ausgedehnt. Mit weiteren Begrenzungen ist aus Umweltschutzgründen über kurz oder lang zu rechnen. Als "Kandidaten" für eine Ausweitung des Entgasungsverbotes gelten vor allem Stoffe mit hohem Dampfdruck wie MTBE (UN 2398)), ETBE (UN 1179) oder Methanol (UN 1230), die als flüchtige organische Verbindungen (VOC) in die Atmosphäre emittieren.

Damit ist klar: So wie bis jetzt kann und wird es nicht weitergehen. Je mehr Stoffe unter das Entgasungsverbot fallen, desto mehr gerät das sorglose Öffnen der Tanklukendeckel (nach ADN sind eigentlich spezielle Lüftungseinrichtungen und Flammendurchschlagsicherungen vorgesehen) zur illegalen Praxis, die auch irgendwann einmal von den Behörden geahndet wird.

Gerade in den Niederlanden steht das Thema stark im Blick der Öffentlichkeit und damit der Politik. Hier sind die bei Entgasungen freigesetzten Dämpfe nicht zuletzt wegen der hohen Binnen(tank)schiffsdichte für die an Wasserstraßen lebende Bevölkerung zur spürbaren Belastung geworden. Entgasungen sind daher nur an bestimmten Stellen des Rheinstromgebiets erlaubt, für Benzin besteht wie in Deutschland ein generelles Entgasungsverbot. Die Klagen von Anwohnern werden indes nicht weniger. Der Hafen Rotterdam will daher ab 2015 Entgasungen generell verbieten. Zwecks Kontrolle wurden vor kurzem 90 "e-noses" entlang des Nieuwe Waterweg (ein Mündungsarm des Rheins) installiert, die kleinste Veränderungen der Luftqualität erfassen und orten können. Zugleich sollen ein oder zwei Gasentsorgungsanlagen im Rotterdamer Hafen gebaut werden.

Solche Anlagen bräuchte man nicht, wenn Produkte dedicated transportiert würden, es also zu keinen Produktwechseln käme – denn dann würden die Dämpfe einfach beim erneuten Verladen über die Gaspendelleitung abgegeben. In dem stark umkämpften, von Überkapazitäten geprägten Markt sind solche Transporte aber die Ausnahme, schließlich fahren die Schiffe dann in der Regel zu 50 Prozent leer. Hilfreich wäre es, wenn die Verlader ihre stoffbezogenen Kompatibilitätslisten bzw. zulässigen Ladungsfolgen erweitern würden, so dass gasförmige Reste auch bei einem Produktwechsel in den Tanks verbleiben können. Oft wird jedoch vor einer Verladung für ein Tankschiff der Zustand "gasfrei und trocken" verlangt.

Womöglich CDNI mit im Spiel

Dieser Entladezustand kann bei den Gütern, die keinen hohen Dampfdruck aufweisen und ein Entgasen daher nicht möglich ist bzw. sehr lange dauern würde, nur durch Waschen der Ladetanks und anschließende Trocknung erreicht werden. Flüssige wie auch feste Reststoffe fallen unter das 2009 in Kraft getretene Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI). Das Übereinkommen sieht ein generelles Verbot der Einbringung oder Einleitung von Schiffsabfällen vor. Neben der Einführung von Entladebescheinigungen als zentralem Dokumentations- und Kontrollinstrument soll dies u.a. durch die Schaffung von Annahmestellen für kontaminiertes Waschwasser erreicht werden. Kurz vor Ablauf der fünfjährigen Umsetzungsfrist im November dieses Jahres ist von solchen Sammelstellen im Rheinstromgebiet indes wenig bis gar nichts zu sehen, das Ausstellen der Entladebescheinigungen durch Umschlaganlagen und die Nutzung des elektronischen Bezahlsystems sind inzwischen gängige Praxis.

Es bestehen nun Überlegungen, auch den Umgang mit gasförmigen Resten über das CDNI zu regeln. Seit Jahren beschäftigt sich eine von den sechs Vertragsstaaten berufene Arbeitsgruppe mit dem Thema. Eines ist klar: Wenn gasförmige Reste vom CDNI mitbehandelt werden, käme auf die Vertragsstaaten die Verpflichtung zu – wie auch schon für flüssige Reste – Annahmestellen für die Dämpfe schaffen zu lassen. Doch wie erwähnt tut man sich schon bei den laut CDNI ab Ende 2014 verbindlich vorgeschriebenen Sammelstellen für Waschwasser sehr schwer – und die Entsorgung gasförmiger Reste ist unter technischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten ungleich anspruchsvoller.

Dabei sind technische Lösungen für die Entgasungsproblematik in letzter Zeit gleich einige entwickelt worden. Vielversprechend klingt der Ansatz des niederländischen Unternehmens Vaporsol, es hat einen Spezialcontainer mit Vakuumpumpe entwickelt. "Gasförmige Produktreste aus den Ladetanks können wir mit einer Leistung von 5.000 Kubikmeter pro Stunde zu 99,97 Prozent reinigen", so Harry Maatjes von Vaporsol. Die per Spezialseife zu Aerosolen umgewandelten Reste durchlaufen mehrere Filter, an denen sie kondensieren, von Wasser-/Seiferesten separiert und letztlich in einem IBC aufgefangen werden können. Dieser kommt dann zur thermischen Verwertung ins Müllheizkraftwerk.

In einer Testphase im Frühjahr auf dem Tankschiff "Reinhold Deymann" wurden in Amsterdam und Antwerpen rund 20 Entgasungen durchgeführt. Dabei wurde in den Ladetanks in der Regel eine Restgas-Konzentration von unter 10 Prozent der Unteren Explosionsgrenze (UEL) erreicht. In Deutschland bemüht sich Vaporsol um behördliche Genehmigungen für den Einsatz der mobilen Entgasungsstation.

Eine ähnliche, ebenfalls in einem Container untergebrachte Lösung bietet die in den Niederlanden beheimatete European Innovation Group mit dem "Vento Clean System" an. Die im Hafen Voerde sitzende WDK Hafen und Lager hat einen "Gasoil Ambulant Service" für Binnentankschiffe mit Ottokraftstoffen entwickelt. Hierbei werden noch am Umschlagort die Benzindämpfe in den Ladetanks durch Kohlendioxid ersetzt, die Vorgaben der 20. BImSchV werden strikt eingehalten.

Was die Entwickler hinter vorgehaltener Hand unisono sagen, ist, dass ihre Lösungen in der Branche zwar durchaus auf Interesse gestoßen sind, sie aber niemand bezahlen kann oder will. Die Tankreedereien und Partikuliere sind durch die anhaltende Marktkrise finanziell schon so geschwächt, dass sie ums Überleben kämpfen. Die Verladerschaft, oft große Öl- und Chemiekonzerne, wollen von der gesamten Entgasungsproblematik wenig wissen. Sie haben mit ihrem Einfluss bisher auch verhindert, dass gasförmige Reste vom CDNI erfasst werden.

Dabei hat die flächendeckende Einführung von festen oder mobilen Entgasungsstationen neben dem Umweltaspekt auch einen weiteren Vorteil, nämlich Sicherheit. Beim Entgasen von Binnenschiffs-Ladetanks in die Atmosphäre ist es in der Vergangenheit schon zu einigen Unfällen mit Todesfolge gekommen. 2004 explodierte das niederländische Tankschiff "Charlotte" auf dem Rhein-Herne-Kanal, nachdem es Naphtha entladen, am nächtlichen Liegeplatz drei Kilometer weiter festgemacht und der Kapitän die Tanklukendeckel geöffnet hatte. Der Kapitän starb, seine Familie konnte per Rettungsboot flüchten. Anfang 2013 traf es einen tschechischen Schiffsführer, der in Krefeld festgemacht hatte. Er konnte von Rettungskräften nur noch tot aus einem Ladetank geborgen werden, in dem er zuvor etwas erledigen wollte. Im Ladetank befanden sich Reste von Naphtha.

(aus: gela 08/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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