Lage – Die Niedrigwasserperioden der letzten Jahre sorgten auf dem Binnentankschifffahrtsmarkt zuletzt für etwas Entspannung. Hoffen lässt auch die komplette Umstellung auf die Doppelhülle ab 2019 und das Thema LNG.
Von Stefan Klein
Ende kommenden Jahres greift die letzte Stufe der im ADN festgeschriebenen Umstellung von Ein- auf Doppelhüllenschiffe. Dann dürfen auch die aufkommensstarken Mitteldestillate wie Diesel, Heizöl oder Gasöl nur noch in doppelwandigen Tankern befördert werden, bislang sind sie gemäß 1.6.7.4 des jetzigen ADN noch davon ausgenommen. Bereits Ende 2015 endete die Übergangsfrist für Benzin und einige andere Kohlenwasserstoffe, für einige besonders gefährliche Chemikalien lief die Umstellung schon Ende 2012 ab.
90 Prozent fährt in Doppelhülle
Gemäß dem European Barge Inspection Scheme (EBIS), mit dem die Verladerschaft aus der europäischen Mineralöl- und Chemieindustrie die Binnentankerflotten fortlaufend überprüft, gab es am Stichtag 1. Januar 2017 in West- und Mitteleuropa genau 1.031 Doppelhüllenschiffe. Sie befördern inzwischen rund 90 Prozent des Transportaufkommens. Die derzeit noch gut 200 vor allem auf dem Rhein aktiven Einhüllenschiffe werden in der Regel von Partikulieren im Auftrag von Handelsunternehmen betrieben. Diese können oder wollen sich in den meisten Fällen teure Neu- oder Umbauten auf die Doppelhülle nicht leisten.
Die großen Tankreeder haben sich indes von der Einhülle schon so gut wie verabschiedet – schließlich forderten die meisten Mineralölkonzerne schon Jahre vor den eingangs genannten, gesetzlichen Fristen ausschließlich Doppelhüllenschiffe von den Reedereien. Der Logistikkonzern Imperial hat schon 2015 beschlossen, keine Einhüllenschiffe mehr einzusetzen. Die als Wijgula mit Hauptsitz in Druten (Niederlande) firmierende Tankschifffahrtssparte verfügt über 60 eigene und gecharterte Doppelhüllentanker, die vor allem für Chemikalien eingesetzt werden (Säuren, Laugen, organische Produkte).
Die Reederei Jaegers hat erst im Mai zwei baugleiche, 110 Meter lange Tankmotorschiffe mit je acht Zinksilikat-beschichteten Ladetanks und 3.000 m3 Gesamtkapazität in Dienst gestellt. Nun betreibt die größte Tankreederei Europas auf dem Rhein noch elf Einhüllenschiffe, die auch bald ersetzt werden sollen. "Wir haben in den vergangenen Jahren nicht 1 zu 1 Einhüllen- durch Doppelhüllenschiffe ersetzt", stellt Geschäftsführer Gunther Jaegers klar, der seit 2016 Präsident des europäischen Binnenschifffahrtsverbandes (EBU) ist. Dafür sei die Marktlage noch vor wenigen Jahren viel zu schlecht, geradezu katastrophal gewesen.
Während Jaegers seine Flotte über die Jahre etwas verkleinerte, verschwanden am Gesamtmarkt Einhüllentanker nicht in dem Maße, wie Doppelhüllenschiffe neu hinzu kamen. Dies führte – ähnlich wie in der Container(see)schifffahrt – zu großen Überkapazitäten. Mittlerweile ist die Situation etwas entspannter. Im Laufe des vergangenen Jahres kamen laut EBIS insgesamt nur noch 21 neue Doppelhüllentanker auf den Markt. Damit hat die Neubautätigkeit im Vergleich zur Hochphase in den Jahren 2008 bis 2014 – allein 2010 kamen zum Beispiel 120 Neubauten und fünf Umbauten in Dienst – deutlich nachgelassen.
Jaegers rechnet wegen der Umstellung auf die Doppelhülle spätestens in eineinhalb Jahren mit positiven Auswirkungen, ungewiss sei nur deren Ausmaß. Bis dahin sollen die 130 bis 140 noch auf dem Rhein verkehrenden Einhüllentanker außer Dienst gestellt werden. Noch günstiger sieht es auf der Donau aus: Hier fahren noch rund 30 Einhüllentanker 80 Prozent der derzeitigen Mineralöl- und Chemietransporte. Die Nachfrage nach Doppelhüllen-Schiffsraum sollte hier ab 2019 stark steigen. Schließlich gehören auch Anrainer an der unteren Donau wie die Slowakei, Serbien, Rumänien und Bulgarien zu den insgesamt 19 ADN-Vertragsstaaten – und sind damit von der Umstellungspflicht betroffen.
Unsicherheiten bleiben
Einschränkend ist nun aber spätestens hier zu sagen, dass es auch ab 2019 noch rund 30 Güter der Gefahrklasse 3 gibt, die gemäß Tabelle C (Tankstoffliste) des ADN in Einhüllentankern gefahren werden dürfen. Darunter sind vom realen Transportaufkommen hier durchaus relevante Stoffe von Aceton über Ethanol, Methanol, Propanol bis Vinylacetat. In welchem Schiffstyp diese künftig befördert werden, ist offen. Da die Stoffe in der Regel von großen Verladern stammen, ist anzunehmen, dass sie durch den bereits erwähnten Druck der Industrie auch ohne gesetzliche Verpflichtung in Doppelhülle gefahren werden. Denkbar ist aber auch, dass gerade im Südosten Europas der eine oder andere Einhüllentanker noch etwas länger herumschippert.
Günstige Wetterlagen
In den vergangenen beiden Jahren profitierten die Binnenschiffer auf dem Rhein, dem mit Abstand bedeutendstem Fahrtgebiet in Europa, von Niedrigwasserperioden infolge relativ trockener Sommer. Dadurch verknappten sich die Transportkapazitäten, was zu einem deutlichen Anstieg der Frachtraten führte, spätestens, als manche Energiekonzerne die Versorgungssicherheit in ihrer Mineralöldistribution gefährdet sahen. Die pro Schiff verringerten Transportmengen konnten auf die Weise mehr als ausgeglichen werden.
Ob es auch in diesem Jahr zu einer ähnlich volatilen und damit für das Gewerbe günstigen Marktlage durch Niedrigwasser kommt, kann niemand sagen. Ein Trend ist wissenschaftlich nicht belegbar. Dies hat die "Expertengruppe Niedrigwasser" mit Vertretern der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) und der Kommission für die Hydrologie des Rheins (KHR) erst bei ihrer jüngsten Sitzung im Mai in Koblenz festgestellt: Die Auswertung der Niedrigwasser-Ereignisse in den letzten 100 Jahren auf dem Rhein von Diepoldsau am Bodensee bis Lobith an der deutsch-niederländischen Grenze zeige, dass Tendenzen zu zunehmenden Niedrigwasserdauern oder niedrigeren Niedrigwasserabflüssen seit 1960 nicht zu erkennen sind.
Ungewiss ist auch die mittelfristige Entwicklung des Transportaufkommens gerade im Energiesektor. Die politischen Entwicklungen in den Golf-Staaten, Russland, den USA oder Venezuela spielen hier mit hinein. Werden Raffinieriekapazitäten in Deutschland weiter abgebaut und fertige Mineralölprodukte hierher geschafft, ist dies gut für die Tankreeder. Eröffnet wie geplant 2019 die zweite Nordstream-Erdgas-pipeline zwischen Russland und Deutschland, ist dies schlecht für die LPG-Gasschifffahrt sowie für den sich hierzulande langsam aufbauenden LNG-Markt als potenziell neuem Transportmarkt für die Binnentankschifffahrt.
Aktivitäten in Sachen LNG
Liquefied Natural Gas (LNG) wird in der Schifffahrt vermehrt als Treibstoff genutzt, bisher allerdings eher in der See- und Küstenschifffahrt als in der Binnenschifffahrt. Ein Grund hierfür ist, dass auf Nord- und Ostsee mit den Emission Control Areas (ECA) seit 2015 sehr strenge Umweltschutzvorgaben bestehen. Die Häfen investieren daher in entsprechende Infrastruktur zur Versorgung der Schiffe mit emissionsarmem Flüssigerdgas, wobei Deutschland gegenüber den Entwicklungen in den Benelux-Ländern etwas hinterher hinkt.
Sehr aktiv beim Thema LNG-Binnenschifffahrt ist der niederländisch-britische Mineralölkonzern Shell. In dessen Auftrag fahren seit Jahren die beiden mit LNG betriebenen Tankschiffe "Greenstream" und "Green Rhine" der Reederei Interstream Barging auf dem Rhein zwischen Rotterdam und Basel. Sie werden bisher im Rotterdamer Hafen, wo es auch bald ein LNG-Bunkerschiff für Binnenschiffe geben wird, und in Mannheim per Tankfahrzeug versorgt. In Köln, wo Shell zwei Raffinerien (Godorf und Wesseling) betreibt, soll einmal eine feste Bunkeranlage für Binnenschiffe und auch mit LNG angetriebene Lkw entstehen. Der Konzern ist dabei nicht nur Anbieter des Flüssigerdgases, sondern zunehmend auch Abnehmer. Denn mit der niederländischen Reederei Plouvier Transport hat Shell einen Chartervertrag für gleich 15 neue Dual Fuel-Binnenschiffe geschlossen, die fast ausschließlich mit Flüssigerdgas (LNG) und nur zu einem geringen Anteil mit herkömmlichem Schiffsdiesel (für die Pilotzündung) betrieben werden. Die mit neuesten Wärtsila-Motoren ausgerüsteten Binnentanker sollen ab 2018 das wachsende Mineralöl-Geschäft im Rheinstromgebiet bis hin nach Belgien und in die Schweiz unterstützen.
Ansonsten sind Neubauprojekte von LNG-Schiffen derzeit trotz 50-prozentiger EU-Förderung gerade in Deutschland sehr überschaubar. So kommt es, dass der Bund einen Teil seiner 3.000 Wasserfahrzeuge (ein Drittel davon motorisiert) auf LNG-Antriebe umrüsten will, den Anfang macht das an Deutschlands Küsten eingesetzte Forschungsschiff "Atair".
Auch in Duisburg ist man seit kurzem beim Thema LNG aktiv geworden. Zwar sei die Nachfrage derzeit praktisch gleich Null, so Lars Nennhaus, Leiter Hafenentwicklung und Terminal-Management beim Hafenbetreiber Duisport. Doch habe sich Europas größter Binnenhafen nun entschieden, eine Vorreiterrolle für die Beschaffung, Speicherung und Verteilung des neuen Kraftstoffs einzunehmen. Das Logistikkonzept setzt dabei nicht nur auf Binnenschiffe als Abnehmer, sondern auch auf Terminalfahrzeuge wie Reach Stacker und vor allem auf LNG-Lkw, bei denen Um- und Neubauten derzeit dynamischer erfolgen als in der Binnenschifffahrt. Noch in diesem Sommer will Duisport mit dem Projektpartner Liquind eine mobile Tankanlage in Form eines Tankcontainers in Betrieb nehmen, der je nach Bedarf innerhalb des Hafen schnell umgesetzt werden kann. Für später ist ein festes LNG-Hub und ein Netzwerk aus Verteilstationen anvisiert, das über die Seehäfen Rotterdam und Antwerpen per Binnenschiff oder Bahn versorgt werden soll.
Fakt ist, dass die EU nicht zuletzt durch den 2013 vorgestellten LNG-Masterplan Rhein-Main-Donau nur auf einen der neuartigen Kraftstoffe setzt. Man will die Förderung nicht zu breit streuen und hat andere alternative Treibstoffe wie Liquified Petrol gas (LPG) oder Gas-To-Liquid (GTL) bewusst außen vorgelassen – in der Hoffnung, dass sich einer, nämlich LNG, durchsetzt.
Dabei spricht nicht alles für das bei Temperaturen von rund –160 °C verflüssigte und damit auf ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens gebrachte LNG. Zwar ist es immer besser verfügbar (gerade im Vergleich zum synthetischen Diesel-Kraftstoff GTL), weltweit werden die LNG-Verflüssigungs- und Lagerkapazitäten ausgebaut. Allerdings gibt es das Risiko des so genannten Methanschlupfs, also des Verlustes während Transport, Umschlag und Verbrauch, was LNG in der Gesamt-Ökobilanz dann doch nicht so umweltfreundlich erscheinen lässt.
Wie gefährlich ist LNG?
Außerdem wird in der Branche derzeit die potenzielle Gefährlichkeit des neuen Kraftstoffs diskutiert. Zwar ist LNG nur in gasförmiger Form – bei einem Produktaustritt verdampft die tiefkalte Flüssigkeit – und in einem Mischungsverhältnis mit Luftsauerstoff von 5 bis 15 Prozent entzündbar. Doch kommt es gerade auf Gewässern zu einem rapiden Phasenübergang und damit zur Bildung großer Gasmengen: aus einer Lache verdampfen pro Quadratmeter bis zu 15 Kubikmeter LNG pro Minute, auf festem Untergrund sind es nur drei Kubikmeter. "Bildet sich bei LNG ein Lachenbrand, ist die Wärmeintensität erheblich höher als bei anderen Brennstoffen", heißt es weiter in einer 2015 im Rahmen des LNG-Masterplans erstellten Sicherheitsstudie. Ohne die Leckage zu stoppen, sei eine Brandbekämpfung quasi unmöglich.
Bisher verliefen Zwischenfälle mit LNG-Transporten oder -Antriebssystemen aber vergleichsweise glimpflich – von Explosion oder Großbrand keine Spur. Als sich das erwähnte, mit LNG betriebene Tankschiff "Greenstream" im Frühjahr 2016 auf der Hochwasser führenden Mosel an einer Straßenbrücke über 40 Meter hinweg Decksaufbauten auf- bzw. abriss, blieben die LNG-Treibstofftanks auf dem Vorderschiff weitgehend dicht. Dabei wurde die Verrohrung eines der Tanks stark beschädigt.
LNG-Antrieb und Gefahrguttransport schließen sich jedenfalls formal nicht aus: erst Ende Mai bzw. Anfang Juni haben die ADN-Mitgliedsstaaten Deutschland, Niederlande, Schweiz und Luxemburg die Multilaterale Vereinbarung M 020 gezeichnet, die LNG als Brennstoff für Antriebs- und Hilfssysteme erlaubt, wenn diese Kapitel 30 sowie Anhang 8 Abschnitt 1 des europäischen Standards über technische Vorschriften für Binnenschiffe (ES-TRIN) in der jeweiligen Fassung entsprechen.
(aus: gela 07/17, www.gefaehrliche-ladung.de)
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