Die in Kooperationen organisierte Stückgutbranche sieht sich einer Kostenexplosion ausgesetzt. Dies kann letztlich auch Auswirkungen auf die Abwicklung von Gefahrgutsendungen haben.
(uh) Nun also doch noch: Die beiden Stückgutkooperationen ILN und Star wollen noch in diesem Jahr zu einem gemeinsamen Netzwerk fusionieren. Für die Fusion gründen sie eine neue Gesellschaft, deren Sitz steht noch nicht fest. Die bestehenden Systemzentralen von ILN in Sinzig (bei Bonn) und Star in Homberg (bei Kassel) sollen erhalten bleiben: So wird der Bereich Finanzen voraussichtlich in Sinzig angesiedelt sein, der Bereich Qualitätsmanagement in Homberg. In der zweiten Jahreshälfte sollen die Produktionssysteme beider Kooperationen Schritt für Schritt zu einem einheitlichen Netz zusammengeführt werden, so dass die regionalen Partner jeweils das andere Netzwerk nutzen können. Dafür arbeite man derzeit an einer einheitlichen IT-Schnittstelle, so ILN-Geschäftsführer Alexander Bauz.
Für das neue gemeinsame Netz kündigte Bauz an, die Gebiete der Systempartner fallweise neu zuzuschneiden, denn in kleineren Gebieten lassen sich die Verkehre noch besser verdichten und dadurch effizienter gestalten. „Durch die Fusion von ILN und Star entsteht das dichteste Stückgutnetz in Deutschland – mit durchschnittlich nur 31 Kilometern beim Nachlauf.“ Insgesamt werde das neue Netz dieses Jahr rund 110 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.
Ursprünglich arbeiteten ILN und Star bereit seit 2016 an einer Fusion – zusammen mit der Kooperation VTL. Doch die Pläne für die „Ehe zu dritt“ wurden schließlich im Herbst 2018 ad acta gelegt, zu groß waren offenbar die Meinungsunterschiede insbesondere zwischen ILN und VTL in Bezug auf die neue Netzstruktur. VTL wollte ein System mit zwei Zentral-Hubs, nur wenigen regionalen Bündelungspunkten sowie volumenstarken Hauptläufen – und soll den beiden anderen Kooperationen ein Ultimatum gestellt haben. Doch für ILN, die bisher ohne zentrales Hub agierte, und auch Star war eine auf den Sendungseingang und kurze Verteilerverkehre ausgerichtete Struktur zu wichtig, um sich darauf einzulassen, was nun zur Zweier-Fusion führte.
Immerhin konnte die geschmähte VTL vor kurzem mit Barsan Global Logistic einen neuen Partner für die Region Nürnberg gewinnen. Die dort ansässige, 2017 von Gebrüder Weiss übernommene Deutsche Transport Compagnie (DTC, spezialisiert auf Explosivstoff-Verkehre) war Ende 2018 aus dem Verbund ausgeschieden.
Kooperation der Kooperationen
Auch 24plus und Online Systemlogistik (OSL) arbeiten immer enger zusammen. Bereits ein Dutzend Speditionsbetriebe sind Partner in beiden Kooperationen, durch die dualen Partnerschaften sichern sie vor allem die Netzwerkstabilität. „Es wird sonst immer schwieriger, entstehende Lücken im Netzwerk zu schließen“, so 24plus-Geschäftsführer Peter Baumann. So sprangen etwa im Herbst nach dem Ausscheiden der Kunzendorf Logistik aus dem 24plus-Netz die OSL-Partner Agotrans und Hensel Logistik im Raum Frankfurt ein. Derzeit arbeiten 24plus und OSL daran, zwischen ihren Zentral-Hubs nächtliche Verbindungen einzurichten. Auch bei der gegenseitigen Datenkonvertierung und anderen Prozessen nähern sich beide Kooperationen stetig an.
Lockere Partnerschaften
Der Stückgutmarkt ist in Bewegung, die Landschaft der Kooperationen wird sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Diese Meinung vertritt neben anderen Branchenvertretern auch Gudrun Raabe, die im vergangenen Jahr Peter Köhler an der Spitze von System Alliance ablöste. „Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass Netzwerke und Partnerschaften heute lockerer gelebt werden“, so Raabe. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass System Alliance das Ausscheiden von Gesellschaftern oder die Neubesetzung von Gebieten – beides waren in großem Stil nach dem Ausscheiden von Raben nötig – immer wieder gemeistert habe. Neue Partnerbetriebe müssen bereit sein, den wichtigsten Anspruch der Kooperation, nämlich den an Qualität und Zuverlässigkeit, zu erfüllen. Aber es sei insgesamt in den letzten Jahren – für nahezu alle Stückgutnetzwerke – nicht einfacher geworden. „Das hat auch damit zu tun, dass Mengenspitzen und die zur Verfügung stehenden Kapazitäten in den Betrieben nicht immer zusammenpassen. Und so sorgen überfüllte Umschlaganlagen immer wieder für Schwankungen bei Qualität und Performance“, sagt Raabe, die in früheren Zeiten bei System Alliance u.a. für die Gefahrgutabwicklung zuständig war.
Fokus auf Privatempfänger
System Alliance arbeitet auf einigen Gebieten eng mit Cargoline zusammen. Deren Geschäftsführer Jörn Peter Struck berichtet: „Aktuell loten gemeinsame Arbeitsgruppen aus, wie wir Prozesse etwa bei der IT oder dem Sammelgut-Ausgang effizienter zum Vorteil beider Kooperationen gestalten können.“ Die Netzwerke sollen aber auf keinen Fall verschmelzen, obwohl inzwischen beide Kooperationen immer öfter auf die gleichen Gebietsspediteure setzen. Beide setzen inzwischen übrigens auch stark auf das B2C-Geschäft, offerieren also für Versender Zustelllösungen an private Endverbraucher. Denn die vom Online-Handel profitierenden KEP-Dienstleister stoßen ab bestimmten Sendungsmaßen und -gewichten (31,5 Kilogramm) an ihre Grenzen.
Hub-Erweiterung in Hessen
IDS Logistik, hinter Cargoline die am Sendungsvolumen gemessen zweitgrößte Stückgut-Kooperation, erweitert derzeit ihr Zentral-Hub im hessischen Neuenstein südlich von Kassel. Nach Fertigstellung in diesem Frühjahr stehen mehr als 8.200 Quadratmeter Hallennutzfläche mit 105 Verladetoren zur Verfügung, bisher waren es 5.200 Quadratmeter und 82 Tore. „Wir wachsen stetig, unser vor 15 Jahren eröffnetes Zentral-Hub ist an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen“, so Geschäftsführer Michael Bargl.
Das Hub wird vor allem bei so genannten Überlaufmengen angefahren – wenn auf den Direktlinien zwischen einzelnen Depots kein Platz mehr vorhanden ist – sowie bei Relationen mit niedrigerem Sendungsaufkommen. Täglich fahren rund 80 Sattelauflieger zwischen 19 Uhr und Mitternacht das Hub Neuenstein an, werden entladen und fahren zwischen 0:30 und 4 Uhr neu befrachtet wieder zurück. Pro Nacht werden 5.400 Colli mit 720 Tonnen Gewicht umgeschlagen.
Hohe Personal- und Mautkosten
Der im Auftrag des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) bei den deutschen Stückgutnetzen ermittelte „Kostenindex Sammelgutspedition“ steigt von Jahr zu Jahr, bei der letzten Erhebung 2018 waren es 6,6 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Hauptursache für den Anstieg waren die Personalkosten, sie stiegen um durchschnittlich 10 Prozent pro Sendung. Diesel-, Maut- und Sachkosten stiegen demgegenüber nur moderat, die Anstiege liegen zwischen zwei bis drei Prozent. Bei den Mautkosten dürfte es aber durch die Ausweitung auf Bundesstraßen Mitte 2018 und die jüngsten Mautsatz-Erhöhungen ab 2019 zu spürbaren Belastungen kommen. Allein diese beiden, innerhalb weniger Monate erfolgten Kostensprünge verteuern die Abwicklungskosten einer Stückgutsendung nach DSLV-Schätzung durchschnittlich um weitere drei Prozent. Dieser Kostenentwicklung laufen die Preise, die Speditionen bei ihren Auftraggebern verlangen können, hinterher. Die Kooperationen konnten auf die Kostenexplosion insofern frei reagieren, als dass sie die internen Rückrechnungssätze, die für den eine Sendung einspeisenden Partnerbetrieb nach Umschlag über das Hub und Verteilung der Güter in der Empfangsregion durch einen anderen Partner fällig werden, kräftig erhöhten. Denn gerade der Nahverkehr der Empfangsspediteure gilt als besonders kostenintensiv, die Zustellung „frisst“ je nach Gebietsgröße viele Kilometer – bei relativ kleinem Sendungsvolumen.
Vor allem die Verknappung an Fahr- und Fachpersonal hat die Personalkosten nach oben getrieben. „Jahrelang wanderten insbesondere die Fahrer, aber auch Beschäftigte im Lager und in der Disposition zu Industrie- und Handelsunternehmen ab, wo eine höhere Bezahlung auf sie wartete“, erklärt 24plus-Chef Peter Baumann. Aufgrund der niedrigen Transportpreise und den daraus resultierenden schmalen Margen konnte die Logistik bei den Löhnen und Gehältern nicht mithalten. Nun sei der Fachkräftemangel virulent. Immerhin seien die Signale, dass die Logistikbranche eben nicht über unbegrenzte Kapazitäten verfügt und ihren Mitarbeitern ordentliche Löhne zahlen muss, inzwischen in der verladenden Wirtschaft angekommen.
Einen Engpass sieht Baumann gerade bei der Gefahrgutabwicklung: Insbesondere beim Einkauf zusätzlicher Kapazitäten in den Hauptläufen (Fremdvergabe) mache sich die Verknappung hinsichtlich der ADR-Qualifikation des Fahrpersonals und ADR-ausgerüsteter Lkw bemerkbar. „Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, müssen wir über eine Trennung von Gefahrgut und Stückgut nachdenken, um die Leistungsqualität für beide Bereiche aufrechtzuerhalten.“
Blick aufs Gefahrgut
Beim Umschlag von Gefahrgut im Zentral-Hub von 24plus in Hauneck gelten umfangreiche Sicherheitsbestimmungen. So wird schon bei der Ankunft eines Lkw dieser sofort wieder verschlossen, wenn sich Auffälligkeiten wie etwa ein deutlicher Geruch zeigen. Der Fahrer muss den Lkw umgehend wieder vom Verladetor abziehen, ihn im Freien abstellen und sich entfernen. Wird eine auffällige Gefahrgutsendung in der Halle identifiziert (Flüssigkeitsaustritt, Geruchsbildung oder eine beschädigte Verpackung), haben die Mitarbeiter sofort ihren Team- oder Schichtleiter zu informieren und sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Die in Sachen Gefahrgut intensiver als das andere Personal geschulten Führungskräfte holen sich die an Notfallplätzen gelagerte Gefahrgutausrüstung, kleiden sich um und informieren sich über die betreffende Ladung anhand der vorliegenden Beförderungspapiere. Sie entscheiden situativ, ob die auffällige Gefahrgutsendung entweder zu einem der Notfallplätze in den Entladezonen gebracht wird oder ob Auffangwannen, Bindemittel, Bergefässer etc. von den Notfallplätzen zur Sendung gehen. Der externe Gefahrgutbeauftragte und die Geschäftsführung werden informiert. Bei größeren Leckagen und im Lkw verbliebenen Schadsendungen wird die Feuerwehr alarmiert. Mit der ortsansässigen Freiwilligen Feuerwehr Hauneck führt 24plus auch regelmäßig gemeinsame Übungen durch.
Auch bei VTL äußerte man sich auf Anfrage zum Thema Gefahrgut. Die Kooperation führt regelmäßig Schulungen zum Umgang mit Gefahrgut und zum Notfallmanagement durch und kontrolliert eingehende Sendungen auf die richtige Dokumentation, Kennzeichnung und Verpackung. „Bei unklaren Fällen werden Gefahrgutsendungen bis zur Klärung zurückbehalten, um jedes Risiko auszuschließen“, so Christian Grubmüller, einer von zwei Gefahrgutbeauftragten bei VTL. „Wir beobachten dabei, dass die Qualität der Behältnisse in den letzten Jahren abgenommen hat.“ Täglich stoße man auf mangelhafte Verpackungen, oder auch nicht komplett verschlossene Deckel von IBC oder Kanistern. Auch sei die Qualität der Lieferscheine in Bezug auf die nach 5.4 ADR vorgeschriebenen Daten häufig mangelhaft.
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