Konsolidierung und Kostendruck

Markt – Die in Kooperationen organisierte Stückgutbranche erzielt traditionell geringe Margen. Dies führt zu einem verstärkten Konzentrationsprozess durch Übernahmen und Betriebsauflösungen. Ein Zustandsbericht.

Von Stefan Klein

Wenn zwei deutschlandweit tätigte Stückgutkooperationen miteinander fusionieren wollen, dann sorgt allein das schon für Bewegung im Markt. Seit Ende April erarbeiten 24plus Systemverkehre und Online Systemlogistik ein Konzept für eine Fusion, zuvor hatten sich die möglichen Fusionspartner im Rahmen einer seit 2014 bestehenden strategischen Zusammenarbeit kennengelernt. Fällt bis Ende dieses Jahres die Entscheidung zum echten Zusammenschluss, entstände ein neues, europaweites Stückgutnetz mit 150 Partnerbetrieben und einem jährlichen Sendungsvolumen von rund zehn Millionen Stückgutsendungen. "In einem fusionierten Netzwerk könnten die Partner bei der Nutzung bestehender Infrastrukturen von Größenvorteilen profitieren", erklärt Sandra Bugiel, Geschäftsführerin von Online Systemlogistik. Zudem gebe es bislang ungehobene Potenziale, zum Beispiel in Sachen Technik und IT. Auch das Thema Netzsicherheit spielt eine Rolle: "Gemeinsam sind wir besser gerüstet, wenn einer unserer Systempartner – etwa durch Betriebsaufgabe oder ungelöste Nachfolge – herausbricht", so 24plus-Chef Peter Baumann.

Große Netzwerkprobleme

Solche Netzwerkprobleme hat zum Beispiel gerade System Alliance, deren Hauptsitz sich nur wenige Kilometer vom Zentralhub von 24plus entfernt im ost­hessischen Niederaula befindet. Ende 2015 hatte die Raben Group die Systempartnerschaft von dreien ihrer insgesamt acht Standorte in der Stückgutkooperation gekündigt. Raben und System Alliance einigten sich dann aber kurz vor dem Vollzug zum 1. April 2016 doch noch auf eine weitere Zusammenarbeit an den Standorten Wuppertal, Heilbronn und Berlin-Mittenwalde – bis eine längerfristige Alternative gefunden werde, heißt es.

Vor kurzem wurde dann bekannt, dass das Unternehmen Hellmann, das im 42 Standorte umfassenden System Alliance-Netz mit 16 die meisten Betriebe einbringt, seinen Standort in Mannheim im September schließen wird. Hellmann hatte den Standort erst 2013 übernommen und ihn zunächst als Joint Venture mit dem Vorbesitzer Lehnkering betrieben.

In der Branche wird schon seit Jahren spekuliert, wann Hellmann und Raben als größte Unternehmen in der "Mittelstandskooperation" System Alliance ihre eigenen Deutschland-Netze gründen. Ins Bild passt, dass Raben erst Mitte Juni die Übernahme der Spedition Heinrich Scheffler mit Sitz bei Hannover bekannt gab. Scheffler, bisher Mitglied in der Kooperation Online Systemlogistik, ist Rabens fünfte Übernahme in eineinhalb Jahren. Die Raben Group mit Hauptsitz in Polen unterhält nun schon ein Netz mit 27 Standorten in Deutschland.

Für einen Paukenschlag sorgte zuletzt Imperial Logistics, das mit Palletways gleich ein ganzes europäisches Stückgutnetzwerk mit rund 300 Partnern übernahm. Der bisher auf Bulkladung und Kontraktlogistik ausgerichtete Konzern, der seine Europa-Zentrale in Duisburg hat, zahlte für den Einstieg ins Stückgutgeschäft 214 Millionen Euro an den bisherigen Inhaber Phoenix Equity Partners. Dafür bekommt Imperial mit Palletways, 1994 in Großbritannien gegründet, ein stark expandierendes Franchise-System für den Transport palettierter Stückgüter, dem sich eher kleinere Logistikdienstleister angeschlossen haben.

Generell ist in der Stückgutbranche in den letzten Jahren ein Konzentrationsprozess durch Firmenübernahmen zu verzeichnen. Jedes Jahr verliert das Transportsegment in Deutschland fünf bis zehn Speditionen.

Dass Partner aus verschiedensten Gründen kommen und gehen – sei es durch Unternehmensaufkäufe und Insolvenzen, sei es manchmal durch Hinauswürfe aus der Kooperation infolge von Qualitätsmängeln –, passiert bei den Kooperationen regelmäßig. Die meisten Stückgutnetze verstehen sich als offener Verbund, in dem die Partner auch bilaterale Vereinbarungen mit anderen, nicht zur gleichen Kooperation gehörenden Firmen eingehen können – es muss also nicht immer zwangsläufig derjenige Partner einer Kooperation im betreffenden Gebiet für Direktverkehre genutzt werden.

Zudem führt der Konzentra­tionsprozess in der Branche dazu, dass manche Speditionen inzwischen Mitglied in mehreren Kooperationen sind. Und auch die Kooperationen, die in bestimmten Gebieten gar keinen geeigneten, noch "freien" Partnerbetrieb mehr finden können, kooperieren immer mehr miteinander. Neben 24plus und Online Systemlogistik arbeiten auch ILN, Star und VTL seit Jahren eng zusammen.

Vorteile der Kooperation

Grundsätzlich bietet eine Kooperation mit ihren festen Netzwerkstrukturen, harmonisierten IT-Systemen und operativen Standards wie der durchgehenden Sendungsverfolgung gegenüber rein bilateralen Direktverkehren viele Vorteile. Hauptgrund aber ist: Vielen Gebietsspediteuren, die neben Stückgutladungen (definiert als Sendungen zwischen 50 und 2.500 Kilogramm) oft auch größere Teil- und Komplettladungen sowie Lagerlogistik anbieten, fehlt beim Sammelgut schlicht das für einen wirtschaftlichen Transport in ein anderes Gebiet nötige Mengenvolumen. Sie können ihre Sendungen daher nicht im Direktverkehr an einen Partnerbetrieb zustellen, der die Ladung dann in seinem Gebiet an die Empfänger verteilt, sondern nehmen den Umweg übers Hub ihrer Kooperation.

Die genannten Vorteile gibt es aber nicht gratis. Neben der allmählichen Konsolidierung ist die Stückgutbranche von starken, teils saisonal bedingten Mengenschwankungen gekennzeichnet. "Fehlt die Grundlast, bleiben die Fixkosten des Netzwerks, insbesondere der Hauptläufe, bestehen. Kommen plötzlich Mehrmengen ins Netz, entstehen Überhänge, die mit zusätzlichen Kapazitäten abgebildet werden müssen", erklärt Peter Baumann von 24plus. Dieses Wechselspiel gehe zu Lasten der Wirtschaftlichkeit. Zwar ließen sich Überhänge in den Direktverkehren zwischen den Partnern auf Hubverkehre verlagern, die bei 24plus 20 Prozent am Sendungsaufkommen ausmachen, und in Schwächephasen wiederum könnten die Partner unrentabel gewordene Direktverkehre ausdünnen. Doch müssten dafür immer die Prozesse angepasst werden. Baumann: "Ein Umschalten von heute auf morgen, je nach Marktlage, funktioniert nicht."

Zudem haben die meisten Netzwerke trotz langfristig steigender Sendungsmengen Pro­bleme, profitabel zu wirtschaften. Dies betrifft sowohl die lokalen Gebietsspediteure als auch Konzerne wie Dachser, DHL oder Schenker, die eigene, flächendeckende Stückgutnetzwerke außerhalb von Kooperationen betreiben. Die Preisentwicklung läuft der Kostenentwicklung weit hinterher – die Margen sind somit grundsätzlich äußerst dünn, zuweilen auch negativ und auf Dauer nicht auskömmlich.

Besonders schlimm steht es um den Nahverkehr der Empfangsspediteure: Gerade im Raum München, Berlin oder Hamburg haben sie riesige Einzugsgebiete abzudecken, die Zustellung "frisst" viele Kilometer – bei relativ wenig Sendungsvolumen; hinzu kommt die pro­blematische Verkehrssituation der Großstädte.

Hohe Personal- und Sachkosten

Der aktuelle Kostenindex des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) weist für die Abwicklung einer Sendung im deutschen Stückgutmarkt eine Steigerung um 4,3 Prozent für das Jahr 2015 aus. Zu dieser in Zeiten offizieller Null-Inflation bemerkenswerten Entwicklung des Gesamtkostenindex trugen vor allem die Personalkosten bei, die 2015 auch wegen des neuen Mindestlohngesetzes um gut 5 Prozent stiegen. Auch der zweitwichtigste Kostenblock, die Sachkosten, stieg, sogar um 8 Prozent. Gründe sind höhere Kosten für Logistikflächen, steigende Versicherungsprämien sowie zusätzliche IT-Kosten. Lediglich die Treibstoffkosten, die indes nur 13 Prozent an den gesamten Abwicklungskosten einer Stückgutsendung ausmachen, gingen zurück, und zwar um 14 Prozent. Um 24 Prozent und damit sehr stark erhöhten sich die Mautkosten, die aber nur zu 2,5 Prozent in den Gesamtkostenindex einfließen. Die DSLV-Erhebung basiert auf Daten von etwa 20 Millionen Stückgutsendungen, die über 109 Depots verschiedener Stückgutnetze abgewickelt wurden.

Lösung Endverbraucher

Die Stückgutbranche sucht nicht zuletzt infolge der Kosten- und Preisentwicklung in ihrem klassischen Geschäft nach neuen, künftig vielleicht margenträchtigeren Bereichen. So bieten fast alle Kooperationen inzwischen Services für Endverbraucher an. Dabei haben sie Sendungen im Visier, die aufgrund ihrer Größe und Gewichtes nicht von Paketdiensten zugestellt werden können. Die Kurier-, Express- und Paket- (KEP-)Dienstleister profitieren im B2C-Geschäft seit Jahren vom expandierenden Online-Handel. 2015 verzeichnete die KEP-Branche in Deutschland wieder sechs Prozent Mengenwachstum, hierzulande wurden fast drei Milliarden KEP-Sendungen verschickt.

Von diesem Kuchen möchten die Stückgutkooperationen ein Stück abhaben. IDS etwa hat dabei laut Geschäftsführer Michael Bargl insbesondere "weiße Ware" (Haushaltsgeräte), "braune Ware" (Unterhaltungselek­tronik) sowie größere Sendungen von Garten- und Baumarktartikeln im Visier. System Alliance bietet seit April vor allem Versand- und Onlinehändlern, aber auch Bestandskunden, die sich den Internethandel erschließen möchten, die Lösung "Service Plus" an. Darüber lassen sich neben Waschmaschinen und Fernsehern auch montierte Kastenmöbel deutschlandweit an Privathaushalte verschicken.

Bei der Zustellung, die elek­tronisch avisiert wird, erbringen Zwei-Mann-Teams auch gleich Aufstell- und Montagearbeiten, die in bis zu zehn Minuten ohne Spezial- oder Elektrowerkzeug durchgeführt werden können. Über eine neu geschaffene zentrale Auftrags-Management-Lösung (zAML) stehen alle Auftragsinhalte allen an der Transportkette Beteiligten bis auf Artikelebene zur Verfügung. Der Empfänger wird per SMS oder E-Mail über die bevorstehende Zustellung informiert und über einen Link in die zAML-Plattform geführt, wo er aus mehreren Zustellzeitfenstern seinen persönlichen Wunschtermin wählen oder den direkten Kontakt zum jeweiligen Zustellbetrieb aufnehmen kann. Für die Zustellung mit Zwei-Mann-Teams hat System Alliance darüber hinaus eine neue Organisationsstruktur geschaffen. Denn Anlieferung und Servicearbeiten übernehmen nicht die regulären Nahverkehrsfahrern der Regionalbetriebe, sondern die auf diesem Gebiet sehr erfahrenen Unternehmen Rhenus Home Delivery und MM – Transport & Logistik.

Flexiblere Preismodelle

Insgesamt muss es für die mittelständisch geprägten Koopera­tionen künftig darum gehen, ihre Leistung besser zu verkaufen. Schließlich haben sie gegenüber den Konzernen gewissen Stärken, dazu zählen Kundennähe zu den Verladern vor Ort, Flexibilität und schlanke Verwaltungsstrukturen. Baumann und Bargl sagen unisono, dass sie künftig ihre Preise differenzierter gestalten müssten. So denken sie für die aufkommensstarken Zeiten über einen Aufschlag zum bisher starren Preismodell sowie eine Abrechnung auch nach Volumen statt nur nach Gewicht nach.

Die Branche muss sich spätestens dann etwas einfallen lassen, wenn Amazon die Ankündigung wahr macht, die Hauptläufe zwischen seinen Logistikzentren selbst zu bewerkstelligen.

(aus: gela 07/16, www.gefaehrliche-ladung.de)

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