Massengüter – Erze und Erzkonzentrate werden in fester Form verladen, können aber im Laderaum unter dem Druck des eigenen Gewichts zu einem Brei werden: eine große Gefahr für Besatzung und Schiff.
(Uwe Kraft) Erze und Erzkonzentrate in fester Form als Massengut werden vielfach mit Schiffen befördert. Im Laufe des Jahres 2009 sind drei Schiffe mit Ladungen von Iron ore fines (Eisenerz fein) aus Indien gekentert und gesunken. Im Jahr darauf sind drei Schiffe gesunken, die Nickel ore (Nickelerz) in indonesischen Häfen geladen hatten. Der letzte diesbezügliche Zwischenfall ereignete sich mit dem Schiff "Harita Bauxite", das im Februar 2013 mit einer Ladung Nickelerz aus Indonesien nordwestlich der Philippinen gekentert und gesunken ist. In einigen Fällen ist erwiesen, in anderen ist zu vermuten, dass die Ladung breiartig geworden und übergegangen war, so dass die Schiffe kenterten. Insgesamt verloren mehr als 60 Seeleute bei den Unfällen ihr Leben.
Die maßgeblichen Vorschriften für die Beförderung fester Massengüter sind im IMSBC Code (International Maritime Solid Bulk Cargo Code – Internationaler Code für die Beförderung von Schüttgut über See) enthalten, welcher die Massengüter entsprechend den von ihnen ausgehenden Gefahren drei unterschiedlichen Ladungsgruppen zuordnet:
Eisenerz fein
Eisenerz (Iron ore) ist im IMSBC Code als Ladung ohne besondere Gefahren in die Gruppe C eingestuft. Unter den Rubriken "Beschreibung" (Description) und "Merkmale und Eigenschaften" (Characteristics) ist aufgeführt, dass die Ladung einen Feuchtigkeitsgehalt von 0 bis 16 Proent hat und die Partikelgröße bis zu 250 Millimeter beträgt. Es ist keine Mindestgröße aufgeführt, welche die Partikel mindestens aufweisen müssen, um unter diesem Eintrag befördert werden zu dürfen. Es findet sich allerdings der Hinweis, dass Mineralkonzentrate (Mineral concentrates) eine andere Art von Ladung darstellen. Auf den Eintrag Eisenkonzentrat (Iron concentrates) wird ausdrücklich hingewiesen. Eisenkonzentrat kann bei der Beförderung breiartig werden und ist deswegen im IMSBC Code der Gruppe A zugeordnet.
Eisenerze werden im Anschluss an die Förderung aufbereitet und dabei vom größten Teil der nicht eisenhaltigen Gesteine getrennt. Bei der Aufbereitung wird das Rohmaterial zerkleinert. Dabei entstehen größere und kleinere Partikel (lumps und fines). Anschließend wird in einem weiteren Verfahrensschritt durch Flotation oder durch Magnetscheidung ein Eisenerzkonzentrat gewonnen, das schließlich zu Eisenerzpellets weiterverarbeitet wird. Eine Beförderung mit Seeschiffen kommt in jedem Stadium des Verarbeitungsprozesses in Betracht: nach der Zerkleinerung, nach der Aufkonzentrierung oder nach der Pelletierung. Für die unterschiedlichen Verarbeitungszustände des Erzes sind folgende Eintragungen im IMSBC Code vorgesehen:
Eisenerzkonzentrat (Iron concentrate) kann während der Beförderung breiartig werden, wenn der Feuchtigkeitsgehalt einen bestimmten Wert (flow moisture point – FMP) übersteigt. Die Beförderung ist nur erlaubt, wenn die Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung (transportable moisture limit – TML) nicht überschritten ist. Daher ist Eisenerzkonzentrat im IMSBC Code der Gruppe A zugeordnet.
Eisenerz (Iron ore) ist grundsätzlich nicht der Gruppe A zugeordnet, da grobkörniges Eisenerz nicht dazu neigt, breiartig zu werden. Fein zerkleinertes Eisenerz hingegen kann ähnlich wie Eisenerzkonzentrat bei einem erhöhten Feuchtigkeitsgehalt in einen breiartigen Zustand übergehen. Insbesondere wenn die Ladung im Freien gelagert und starken Niederschlägen ausgesetzt war, nehmen die Erzpartikel bis zu 16 Prozent Feuchtigkeit auf.
Aufgrund der hohen Dichte des Erzes lastet auf der im unteren Bereich des Laderaums gestauten Ladung ein sehr hoher Druck. Verstärkt durch Vibrationen und Bewegungen des Schiffskörpers wird das Wasser, das in den Ladungspartikeln als Feuchtigkeit gebunden ist, herausgedrückt und die Reibung zwischen den Partikeln herabgesetzt. Auch wenn die Oberfläche der Ladung trocken zu sein scheint, kann in tieferen Schichten der Übergang in den zähflüssigen Zustand erfolgt sein.
Wenn sich dann das Schiff im Seegang zu einer Seite neigt, fließt die Ladung möglicherweise auf ebendiese Seite, fließt jedoch unter Umständen bei der Neigung des Schiffes auf die andere Seite nicht vollständig auf jene andere Seite zurück. Auf diese Weise erhält das Schiff allmählich eine gefährliche Schlagseite, der aufrichtende Hebelarm ist durch den ladungsbedingten Krängungshebel reduziert und das Schiff kann plötzlich kentern.
Deswegen muss bei einer Partie Iron ore fines genauso wie bei Iron concentrates vor der Verladung der TML-Wert und der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt bestimmt werden. Die Verladung darf nur erfolgen, wenn die tatsächliche Feuchtigkeit der Ladung den TML-Wert nicht übersteigt. Ein diesbezüglicher Hinweis wird aber auf der Stoffseite für Eisenerz (Iron ore) im IMSBC Code nicht gegeben.
Zwar sind auch die allgemeinen Hinweise in Abschnitt 7 des IMSBC Codes immer zu beachten. Das bedeutet, dass Versender bzw. Verlader einer Massengutladung grundsätzlich zu prüfen haben, ob die zur Verladung vorgesehene Ladung breiartig werden könnte. Gegebenenfalls haben sie dafür zu sorgen, dass der TML-Wert und die aktuelle Feuchtigkeit zum Zeitpunkt der Verladung experimentell bestimmt werden. Die hierfür anwendbaren Verfahren sind in Anhang 2 des IMSBC Codes detailliert beschrieben.
Allerdings hat der fehlende explizite Hinweis auf die Möglichkeit des Breiartigwerdens auf der Stoffseite für Iron ore dazu geführt, dass einzelne Versender von Iron ore fines die notwendigen Untersuchungen nicht vorgenommen haben, so dass Ladungen verschifft wurden, deren Feuchtigkeitsgehalt über dem TML-Wert lag. Dies war die Ursache dafür, dass 2009 die Schiffe "Asian Forest", "Hodasco 15" und "Black Rose" kenterten.
Eisenerze aus Indien
Eisenerze, die über indische Häfen verladen werden, liegen häufig in Form von Iron ore fines vor. Die beschriebene Problematik betrifft daher insbesondere Verschiffungen über indische Häfen. Die indische Regierung brachte deshalb die mit der Beförderung von Iron ore fines verbundene Problematik dem Maritime Safety Committee (MSC) der International Maritime Organizsation (IMO) zur Kenntnis. Daraufhin gab die IMO am 12. Oktober 2010 ein Rundschreiben (DSC.1/Circ.63) heraus, in dem darauf hingewiesen wird, dass
Es wurde vorgeschlagen, im IMSBC Code eine spezielle Stoffseite für Iron ore fines, group A einzuführen. Die Beratungen im IMO-Unterausschuss Dangerous Goods, Solid Cargoes and Containers (DSC) begannen 2010, konnten aber bisher noch nicht abgeschlossen werden. Kontrovers diskutiert wurde insbesondere das Kriterium für die Abgrenzung zwischen Iron ore der Gruppe C und Iron ore fines der Gruppe A. Auch über das geeignete Prüfverfahren, um den TML-Wert zu bestimmen, konnte bisher noch keine Einigung erzielt werden.
Gegenwärtig arbeitet eine Korrespondenzgruppe unter japanischer Leitung an diesem Thema. Es ist davon auszugehen, dass auf der kommenden Sitzung des DSC-Unterausschusses im September dieses Jahres die noch strittigen Fragen geklärt, die Einstufungskriterien für Iron ore fines sowie das Prüfverfahren zur TML-Bestimmung festgelegt und die Beförderungsbedingungen definiert werden können.
Diese Regelungen werden aber erst zum 1. Januar 2016 eingeführt werden: mit dem Amendment (Amdt.) 03-15 zum IMSBC Code. Bis dahin sind vorläufige Sicherheitsbestimmungen zu beachten, die mit dem Rundschreiben DSC.1/Circ.66 bekannt gegeben wurden. Dieses Rundschreiben ersetzt das Rundschreiben DSC.1/Circ.63 von 2010.
Nickelerz
Ende 2010 sind drei Schiffe gesunken, die Nickelerz in indonesischen Häfen geladen hatten: "Fu Jian" am 27. Oktober, "NASCO Diamond" am 10. November und "Hong Wei" am 3. Dezember.
Aufkonzentriertes Nickelerz (Nickelkonzentrat) ist im IMSBC Code als Ladung der Gruppe A gelistet. Die Ladung darf nur befördert werden, wenn der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt niedriger ist als der TML-Wert. Nicht konzentriertes Nickelerz hat ähnliche Eigenschaften wie das Konzentrat. Daher ist nach der geltenden Fassung des IMSBC Codes Nickelerz unter den Beförderungsbedingungen für Nickelkonzentrat zu befördern.
Allem Anschein nach lag der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt bei den Ladungen, bei deren Beförderung die Schiffe verloren gingen, über dem TML-Wert, so dass das Erz nicht beförderungsfähig war. Es wird von zwei weiteren Fällen berichtet, in denen die Schiffskapitäne die Annahme einer Ladung von Nickelerz verweigerten, da es deutliche Indizien dafür gab, dass die Feuchtigkeit in der Ladung über dem TML-Wert lag. Am 17. Februar 2013 ereignete sich ein weiterer Unfall: Das Schiff "Harita Bauxite" kenterte und sank, nur zehn der 24 Besatzungsmitglieder überlebten.
Der IMSBC Code schreibt vor: Der Versender hat bei Stoffen der Gruppe A sowohl den TML-Wert als auch die tatsächliche Feuchtigkeit der zur Beförderung vorgesehenen Ladung durch Tests zu bestimmen; in einem Zertifikat, welches dem Kapitän des Schiffes zu übergeben ist, müssen die aktuelle Feuchtigkeit der Ladung und der TML-Wert bescheinigt werden. Um eindeutig klarzustellen, dass es auch bei der Beförderung von nicht konzentriertem Nickelerz erforderlich ist, den TML-Wert und die aktuelle Feuchtigkeit der Ladung zu bestimmen, wird mit der nächsten Änderung des IMSBC Codes eine Stoffseite für Nickel ore (Gruppe A) eingeführt. Die kommende Änderung des Codes wird im Juni 2013 vom Maritime Safety Committee (MSC) der IMO beschlossen werden (Amdt. 02-13). Das Amendment kann ab 1. Januar 2014 angewendet werden und tritt am 1. Januar 2015 verbindlich in Kraft.
Da das zur Verschiffung vorgesehene Nickelerz in der Regel im Freien gelagert wird, ist es Niederschlägen ausgesetzt. Das kann insbesondere in der tropischen Regenzeit dazu führen, dass das im Hafen gelagerte Erz den für die Verladung höchstzulässigen Feuchtigkeitsgehalt überschreitet.
Auf Seiten der Minenbetreiber besteht aber ein starkes ökonomisches Interesse, die zur Verladung bereitstehenden Konzentrate auf jeden Fall zu verladen. Es wird berichtet, dass Sachverständige und Ladungskontrolleure von Minenbetreibern in Indonesien bedroht worden seien. Sie seien gehindert worden, Ladungsproben zu nehmen, oder gar gezwungen worden, in den Ladungszertifikaten unrichtige Angaben über die Feuchtigkeit der Ladung zu machen. Berichtet wird auch, dass Minenbetreiber mit örtlichen Polizeibehörden "zusammenarbeiten" und mit Hilfe korrupter Polizisten einen verschärften Druck auf Ladungskontrolleure ausüben würden. Dadurch solle die Beförderung von Ladung ermöglicht werden, die nicht sicher befördert werden kann. Somit ist es erforderlich, dass die Schiffsbesatzung die Angaben in den Zertifikaten, in denen die Transportfähigkeit des Konzentrats bescheinigt wird, auf Plausibilität prüft.
Aktuelle Feuchtigkeit des Erzes und TML-Wert bestimmen
Es erfordert eine Untersuchung von Ladungsproben in einem entsprechend ausgestatteten Labor, um den aktuellen Feuchtigkeitsgehalt der Ladung sowie den TML-Wert zu bestimmen. Die aktuelle Feuchtigkeit soll laut IMSBC Code nicht mehr als sieben Tage vor der Verladung bestimmt worden sein. Wenn die Ladung während dieser Zeit Niederschlag ausgesetzt war, sind neue Proben zu nehmen und die Messungen zu wiederholen.
Für eine repräsentative Probennahme sind mehrere Teilproben aus einer Tiefe von 50 Zentimeter zu ziehen. Für die Anzahl der Teilproben und die jeweilige Probenmenge gilt folgende Abstufung:
Ladungspartie [Tonnen] |
Probe à 200 Gramm je ... Tonnen Ladung |
≤ 15.000 | 125 |
> 15.000 und ≤ 60.000 | 250 |
> 60.000 | 500 |
Mit dem kommenden Amdt. 02-13 zum IMSBC Code wird geregelt werden, dass für die Probenentnahme ein Zugang zur vollen Tiefe der Schütthalde erforderlich ist. Gegebenenfalls müssen Gräben in die Halde eingezogen werden, um auch im unteren Bereich der Halde den Probenzieher 50 Zentimeter tief in das Material einführen zu können. Weitere Hinweise zur Probenentnahme werden in einer Richtlinie enthalten sein, die vom MSC voraussichtlich im Juni dieses Jahres beschlossen werden wird.
Der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung wird wie folgt bestimmt: Eine Ladungsprobe wird gewogen (m1) und im Wärmeofen so lange getrocknet, bis keine Gewichtsreduzierung mehr feststellbar ist. Dann wird die getrocknete Probe gewogen (m2). Der Feuchtigkeitsgehalt in Prozent beträgt: [(m1 - m2)/m1] × 100.
Bei der Beförderung von Stoffen der Gruppe A muss der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung unter dem TML-Wert liegen. Um den TML-Wert zu bestimmen, gibt es drei anerkannte Verfahren:
Die für den Test erforderlichen Apparaturen sowie die Durchführung des Tests sind im Anhang 2 zum IMSBC Code detailliert beschrieben. Welches Verfahren zur Bestimmung des TML-Werts von Iron ore fines anzuwenden ist, wird gegenwärtig noch diskutiert.
Plausibilitätskontrollen durch die Schiffsbesatzung
Die Besatzung eines Schiffes kann mit dem sogenannten can test prüfen, ob eine zur Verladung angediente Ladung breiartig werden kann. Der can test ist jedoch nur ein grobes Näherungsverfahren. Er kann keinesfalls eine Bestimmung des TML-Werts nach einem der drei anerkannten Verfahren in einem Labor ersetzen.
Für den can test wird ein zylindrischer Behälter mit einem Fassungsvermögen von 0,5 bis 1 Liter zur Hälfte mit einer Probe des zu untersuchenden Stoffes gefüllt.
Der Behälter wird in die Hand genommen und ruckartig aus einer Höhe von etwa 20 Zentimeter auf eine harte Oberfläche gestoßen. Der Vorgang wird 25 Mal in Abständen von ein bis zwei Sekunden wiederholt.
Wenn nun an der Oberfläche des Stoffs im Behälter ungebundene Feuchtigkeit auftritt oder eine breiartige Konsistenz des Stoffs zu erkennen ist, besteht grundsätzlich der Verdacht, dass der Stoff bei der Beförderung breiartig werden kann.
Ist in den Ladungsdokumenten hierzu keine eindeutige Aussage zu finden, ist der Stoff durch ein Labor oder, wenn das Labor unzuverlässig erscheint, durch ein zweites unabhängiges Labor zu untersuchen, bevor er zur Verschiffung angenommen werden kann. Wenn nicht zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung unterhalb des TML-Werts liegt, darf die Ladung nicht befördert werden.
(aus: gela 05/13, www.gefaehrliche-ladung.de)
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