Sicherheit – Ein Stellenabbau in der schleswig-holsteinischen Wasserschutzpolizei, der auch die großen Fährhäfen Lübeck und Puttgarden trifft, lässt Lücken in der Gefahrgutüberwachung befürchten.
Von Stefan Klein
Lübeck-Travemünde gilt als Deutschlands größter Ostseehafen und einer der wichtigsten Fährhäfen in Europa. Der Hafen ist traditionell auf RoRo-Verkehre ausgerichtet: 711.000 Lkw und Trailer rollten 2014 über die Kaikante, sie stehen für einen Großteil des Gesamtumschlags von 26,3 Millionen Tonnen (inklusive Eigengewichte der Fahrzeuge). Der Containerumschlag ist mit rund 200.000 Standardcontainern nicht mehr unbedeutend, der Ostseehafen weist aber bei weitem nicht den hohen Containerisierungsgrad der großen Nordseehafen auf.
Aus den insgesamt 21 Einzelhäfen und Terminals in Lübeck-Travemünde ragt der Skandinavienkai heraus, an dem mehr als die Hälfte des Güterumschlags des gesamten Hafens stattfindet. An den neun Anlegern des gut zwei Kilometer langen Kais finden pro Woche 90 An- und Abfahrten in den gesamten Ostseeraum statt. Die neueste Generation der RoPax-Schiffe weist eine Kapazität von 4.600 Lademetern auf, das entspricht fast 200 Sattelzügen, daneben ist noch für 500 Passagiere Platz.
Seitdem im Jahr 1962 am Skandinavienkai der Fährverkehr mit einem Schiff und einem Anleger aufgenommen wurde, ist hier die Wasserschutzpolizei vor Ort. Zunächst mit nur einem Mitarbeiter, der seinen Schreibtisch in einer Holzhütte am Kai besaß, wuchs die Polizeipräsenz zusammen mit dem Ausbau der Schifffahrtslinien. Mit der Neuorganisation der Lübecker Wasserschutzpolizei im Jahr 2002 wurde am Skandinavienkai ein zentraler Hafensicherheitsdienst gegründet und dabei gleichzeitig eine 24-Stunden-Besetzung eingeführt. Schließlich findet mehr als 60 Prozent des Umschlags in den Abend- oder Nachtstunden statt. Zugleich kam als eine neue Aufgabe die Gewährleistung der "Zentralen Gefahrgutauskunftstelle" der Landespolizei Schleswig-Holstein hinzu. Die Sollstärke der Dienststelle wuchs auf 17 Mitarbeiter an, verteilt auf vier Dienstgruppen.
Rund um die Uhr stehen die Mitarbeiter ab dieser Zeit anderen Dienststellen, Organisationen und auch Firmen für Auskünfte in Sachen Gefahrgutrecht zur Verfügung – man betreibe hierbei aber keineswegs eine Art Call Center, so Roland Liedtke, ehemaliger Leiter des Hafensicherheitsdienstes in einer früheren Veröffentlichung. Die Mitarbeiter seien vielmehr durch ihre Ausbildung, jahrelange Erfahrung und technische Hilfsmittel in der Lage, Gefahrgutauskünfte auch "aus dem Streifenwagen heraus" zu leisten – ob als Hilfestellung bei Gefahrgutkontrollen, zur Eigensicherung bei Gefahrgutzwischenfällen oder als Serviceleistung der Polizei. Der fachliche Anspruch begründe sich auch daher, dass man es auf dem Gebiet weniger mit Normalbürgern zu tun habe, als mit potenten Wirtschaftsunternehmen.
Die Wasserschutzpolizei trete aber zugleich als Regulativ zur Chancengleichheit von Unternehmen auf, so Liedtke. Die Erfahrung zeige, dass bei Nachlassen des Kontrolldrucks Lücken in das gemeinsame Sicherheitsnetz von Hafenwirtschaft, Reedereien, Logistikern und Wasserschutzpolizei gerissen werden, die von einigen Transportunternehmen ausgenutzt werden.
Der Schwerpunkt der polizeilichen Überwachungsarbeit liegt klar auf der Fracht der Schiffe, dem rollenden Verkehr. Daher arbeitet der Hafensicherheitsdienst fast nur an Land, die Streifenfahrt per Boot ist absolute Ausnahme. Von den jährlich rund 700.000 im Hafen verschifften oder anlandenden Transporteinheiten enthalten fast zehn Prozent kennzeichnungspflichtige Gefahrgüter, von den rund 70.000 Gefahrgutfahrzeugen werden pro Jahr etwa 4.000 kontrolliert. Neben der Gefahrgut- und Umschlagsüberwachung und den Aufgaben als Zentrale Gefahrgutauskunftsstelle nimmt der Hafensicherheitsdienst in der Nachtzeit sämtliche anderen wasserschutzpolizeilichen Aufgaben im gesamten Bereich des Reviers Lübeck-Travemünde wahr (allgemeine Verkehrssicherheit einschl. Alkoholkontrollen, Aufklärung von Straftaten, ...).
Radikale Umstrukturierung
Doch der Job der Travemünder Wasserschützer ändert sich seit ein paar Monaten radikal. Mit der im Herbst begonnenen Strukturreform vollzieht sich in der gesamten Wasserschutzpolizei (WSP) Schleswig-Holsteins derzeit ein großer Umbau, respektive personeller Abbau. 62,5 von insgesamt 266 WSP-Stellen fallen weg. Diese und noch einmal so viele Stellen in anderen Bereichen der Landespolizei (u.a. IT, Orchester) werden an die Schutz- und Kriminalpolizei abgegeben. Die WSP-Reviere Heiligenhafen, Flensburg und Husum wurden bereits aufgelöst, die verbleibenden Reviere Brunsbüttel, Kiel und Lübeck-Travemünde entsprechend vergrößert – allerdings nur territorial. Auch sechs von elf an Nord- und Ostsee bzw. den Binnenwasserstraßen angesiedelte Polizeistationen wurden dicht gemacht: Lübeck (Stadt), Ratzeburg, Rendsburg, Glückstadt, Wyk und Sylt.
Das Revier Heiligenhafen, in dem bislang 30 Beamte tätig waren, wurde zur reinen Bootsstation degradiert: Hier verbleibt mit der "Fehmarn" nur noch eines der fünf großen WSP-Küstenboote Schleswig-Holsteins mit sieben Planstellen. Die eigentliche Arbeit der Wasserschützer an Land übernimmt die für den Fährhafen Puttgarden (und auch für dortige Gefahrgutkontrollen) zuständige WSP-Station mit, die aber von 13 auf 10 Stellen zusammengestrichen wurde.
Auch der Hafensicherheitsdienst in Lübeck-Travemünde wird zurzeit in seiner Personalstärke reduziert: von 17 auf 12. Die Beamten arbeiten nur noch in zwei Schichten zwischen 7 und 23 Uhr. Die Zentrale Gefahrgutauskunft wurde dem Dienst entzogen und auf die übers Bundesland verteilten, Gefahrgut-unkundigen Regionalleitstellen übertragen, denen immerhin Zugang zu einer Gefahrgut-Datenbank verschafft wurde. In Kürze steht dann für den Hafensicherheitsdienst noch ein Umzug an: weg vom Skandinavienkai – dem Ort des Umschlaggeschehens – mitten in die Stadt Travemünde.
Weil der Hafensicherheitsdienst neben der originären Kontrolltätigkeit keine anderen polizeilichen Aufgaben wie Soforteinsätze mehr wahrnimmt, haben sich die Kontrollzahlen seit Herbst formal leicht erhöht. Die Kontrollen konzentrieren sich noch stärker als bisher auf den von Travemünde ausgehenden Fährverkehr, also Transporteinheiten vor Verschiffung. Auf die vor allem nachts im Hafen anlandenden Gefahrguteingangsverkehre, die in der Regel eine höhere Mängelquote aufweisen, haben die Wasserschützer in Travemünde und auch in Puttgarden durch den Wegfall des 24-Stunden-Dienstes kaum noch Zugriff.
Kritik von allen Seiten
Das schleswig-holsteinische Landespolizeiamt, das die WSP-Umstrukturierung auf Geheiß des Innenministeriums durchführt, sieht derzeit keinerlei Kontrolldefizite. Zudem heißt es: Wer mit Spezialwissen unverzichtbar ist, soll auch beim Wasserschutz bleiben. Aus der Polizeigewerkschaft sowie der politischen Opposition des SPD-geführten Bundeslands wird hingegen Kritik laut. "Der Personalabbau bei der Wasserschutzpolizei um mehr als 25 Prozent wird gravierende Sicherheitslücken zur Folge haben", so CDU-Landesgeschäftsführer Axel Bernstein. Er findet es unfassbar, dass Lübeck-Travemünde und Puttgarden als zwei der größten Gefahrgut-Fährhäfen Europas nachts ohne Polizeipräsenz auskommen sollen. FDP-Landesvorsitzender Heiner Garg schlägt in die gleiche Kerbe: "Natürlich werden die Umstrukturierungen bei der Wasserschutzpolizei negative Auswirkungen auf die Kontrolldichte haben." Und Torsten Jäger, Vize-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagt: "So geht Sachverstand verloren."
Selbst aus der Transportwirtschaft wurden schon kritische Stimmen laut. So sieht die Lübecker Hafengesellschaft (LHG) "insbesondere am Skandinavienkai tendenziell die Gefahr von Risiken bei der Gefahrgut- und Umschlagüberwachung". Manche Spedition mag sich natürlich auch über Zeitgewinne durch ein undichteres Kontrollnetz und vielleicht auch so manches eingesparte Bußgeld im Stillen freuen. Wie auch immer: Wenn nachts die großen Frachtfähren in Travemünde und Puttgarden ablegen oder festmachen, ist die gesamte holsteinische Ostseeküste bis nach Kiel WSP-frei.
(aus: gela 02/16, www.gefaehrliche-ladung.de)
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