Analyse der Deepwater Horizon-Katastrophe liefert Hinweise zum Umgang mit Risiken.
(fu) Katastrophale Unfälle können vermieden werden, wenn Unternehmen und Kontrollbehörden bereits auf kleinere Unfälle und Zwischenfälle konsequenter reagieren. Gefährdungsbeurteilungen dürfen sich nicht auf persönliche Schutzmaßnahmen beschränken sondern müssen auch die Sicherheit von Prozessen und die Gefahr größerer Zwischenfälle berücksichtigen. Darauf hat jetzt die US-Untersuchungsbehörde Chemical Safety Board (CSB) bei der Auswertung der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ aufmerksam gemacht.
Bei der Explosion der Plattform vor zwei Jahren starben elf Menschen. Wochenlang liefen täglich bis zu 4,9 Millionen Barrel (je 159 Liter) Öl ins Meer und verschmutzten ganze Küstenstreifen.
Nach ersten Erkenntnissen der CSB hatten es der Ölkonzern British Petroleum (BP) und Plattformbetreiber Transocean versäumt, Indikatoren zur Prozessicherheit zu ermitteln. Auf deren Bedeutung hatte CSB bereits nach der großen Explosion in einer BP-Raffinerie in Texas City 2005 hingewiesen. Damals waren 15 Tote und 180 Verletzte zu beklagen, die Untersuchungen zeigten eklatante Sicherheitsmängel in der Anlage. Das Unternehmen habe aus diesem Unfall nicht die nötigen Lehren gezogen.
Sicherheitsindikatoren machen die aktuelle Sicherheitssituation in Anlagen und bei Arbeitsverfahren (auch Transporten gefährlicher Güter) messbar. CSB-Chefermittlerin Cheryl MacKenzie unterstrich bei einer öffentlichen Anhörung in Houston: "Die Unternehmen benötigen diese Indikatoren, um ihr Potential für katastrophale Unfälle realistisch einzuschätzen.“ Wichtig sei es zu klären, was und wie gemessen werden soll. Das sei das Kernstück der Unfallverhütung.
BP habe zwar solche Daten gesammelt, sich dabei aber auf eigene Anlagen konzentriert. Gepachtete Anlagen wie die Deepwater Horizon seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Bei Beurteilung der Plattformen habe man sich zu sehr auf Geräteausfälle, fallen gelassene Objekte, Ausfallzeiten und andere Indikatoren der betrieblichen Eignung konzentriert. Das seien nicht unbedingt Indikatoren für drohende Sicherheitsprobleme, betonte ein CSB-Sprecher am zweiten Tag der Anhörung. Bei einer Untersuchung der Plattform drei Jahre vor der Katastrophe hätten sich die meisten Empfehlungen auf Fragen wie Gerüste, Geräte-Kalibrierung und ordnungsgemäße Kennzeichnung von Tanks beschränkt. Es fehlten Empfehlungen zur Lösung der großen Unfallrisiken, etwa durch entweichendes Gas.
Das CSB-Untersuchungsteam präsentierte eine Reihe von vorläufigen Ergebnissen. Kern der Kritik sind Mängel im Sicherheitsmanagement der Unternehmen:
1. Die Gefährdungsbeurteilung von BP und Transocean war unzureichend. So umfasste beispielsweise das Dokument, das an Sicherheitskontrollen zwischen BP und Transocean harmonisieren sollte, nur sechs Seiten. Es berücksichtigte vor allem den Schutz der einzelnen Arbeitnehmer, beispielsweise durch Mindesthöhen für den Einsatz von Absturzsicherungen. Fragen der Prozesssicherheit wurden vernachlässigt.
2. Eine Gefährdungsbeurteilung für das Risiko schwerer Unfälle setzte im Wesentlichen auf schnelle, korrekte manuelle Eingriffe durch die Besatzung. Sich in einer Notsituation allein auf menschliche Reaktion zu verlassen, garantiert jedoch keine ausreichende Sicherheit. Eine umfassende Gefährdungsbeurteilung sollte das berücksichtigen.
3. Es fehlten schriftliche Anweisungen für Verfahren wie den Unterdruck-Test, der am Unfalltag durchgeführt wurde. Es gab keine schriftliche Kriterien oder Grenzwerte, die definierten, ab wann der Test als erfolgreich galt.
4. Es gab keine Systematik, um verfahrenstechnische Änderungen sicher zu dokumentieren. Der Plan für das Ende des Erkundungs-Bohrbetriebs und das vorübergehende Verlassen der Plattform wurde in der Woche vor der Katastrophe fünfmal in geändert. Es gibt aber keine Dokumentation über diese Veränderungsprozesse, auch ein Nachweis über Gefährdungsbeurteilungen fehlt.
5. Gefährliche Zwischenfälle wurden nicht systematisch untersucht und Untersuchungsergebnisse nicht ausreichend kommuniziert. Bereits vor der Deep Water Horizon-Katastrophe war es zu einem ähnlichen Zwischenfall auf der Bohrinsel Sedco 711 in der Nordsee gekommen. Die Bohrinsel wurde von Transocean betrieben, BP war hier nicht beteiligt. Bei dem Sedco-Vorfall funktionierte die Technik und eine Katastrophe konnte verhindert werden. Transocean bereitete hier zwar die Lehren aus dem Vorfall auf, aber die Mitarbeiter jenseits der Nordsee wurden nicht ausreichend darüber informiert.
6. Auf der Deepwater Horizon hatte es bereits rund einen Monat vor dem Unfall einen unerwarteten gefährlichen Zustrom von Kohlenwasserstoffen in das Bohrloch gegeben. BP untersuchte den Vorfall. Allerdings gibt es Hinweise, dass Transocean Änderungen, die auf den Erkenntnissen dieser Untersuchung basierten, nicht umgesetzt hatte.
Ein robustes System von Prozess-Sicherheit Indikatoren hätte viele dieser Mängel gezeigt, bevor sich die Katastrophe ereignet, erklärten die CSB-Ermittler.
Rund um Gefahrgut bestens bedient: Der Newsletter Gefahrgut bringt Sie wöchentlich auf den aktuellen Stand mit top-aktuellen Meldungen von gefahrgut.de. Tipps zu unseren Produkten und Veranstaltungen sowie hilfreiche Hintergrundinfos erhalten Sie monatlich in einer Spezial-Ausgabe. So bleiben Sie in Sachen Gefahrgut auf dem Laufenden!