Meldewilligkeit steigt durch Frist

Statistik – Erreicht ein Gefahrgutunfall eine bestimmte Größenordnung, ist er der für den jeweiligen Verkehrsträger zuständigen Behörde zu melden. Veröffentlichen darf die Fallzahlen nur das Bundesverkehrsministerium.

(skl) An einem grauen Herbsttag im vergangenen Jahr auf der B 105 bei Neuenkirchen (Vorpommern) kam ein Tanklastzug von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Weil das mit rund 30.000 Liter Dieselkraftstoff beladene Fahrzeug mit den Domdeckeln auflag, begann der Inhalt sofort auszutreten. Aufgrund der Schwere der Lage wurden beide Züge der Gefahrguteinheit des Landkreises Greifswald alarmiert. Die zuerst vor Ort eintreffenden Kräfte schufen eine provisorische Auffangmöglichkeit. Nach Bereitstellung eines Ersatztankfahrzeugs öffneten die Einsatzkräfte dann vorsichtig die Überläufe der Domdeckel und der noch im Tank befindliche Diesel konnte kontrolliert abgeleitet, aufgefangen und in den Ersatztank umgepumpt werden. Auf diese Weise konnten noch 20.000 Liter Diesel gesichert werden. Danach begann die Bergung des Fahrzeugs. Der Einsatz mit insgesamt 72 Feuerwehrleuten dauerte fast zwölf Stunden.

Der Unfall war einer von 92 meldepflichtigen Gefahrgutunfällen bzw. Ladegutaustritten im deutschen Straßengüterverkehr im vergangenen Jahr. Ein klarer Trend in der Entwicklung der Unfallzahlen der drei Landverkehrsträger lässt sich nicht erkennen, außer dass 2013 insgesamt relativ viele solcher Ereignisse stattfanden oder richtiger gesagt: gemeldet wurden. Immerhin scheinen die Relationen zwischen den einzelnen Landverkehrsträgern Lkw, Bahn und Binnenschiff von Jahr zu Jahr relativ konstant. Auf der Straße passieren mit Abstand die meisten meldepflichtigen Gefahrgutunfälle, dafür werden hier auch die meisten Güter befördert und die Zahl der Transporte ist sogar noch viel höher als bei Bahn und Binnenschiff, da der Lkw die geringste Kapazität dieser Verkehrsträger besitzt.

Gefahrgutunfälle sind – unabhängig davon, wer den Unfall verursacht hat – vom betroffenen Beförderer, Be- oder Entlader gemäß § 27 Abs. 1 GGVSEB und 1.8.5.1 ADR/RID/ADN "der zuständigen Behörde" zu melden. Als zuständige Behörde gilt für den Verkehrsträger Straße das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), für Gefahrgutunfälle auf der Schiene ist das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zuständig und die am seltensten vorkommenden Binnenschiffsunfälle sind an die Zentralstelle Schiffsuntersuchungskommission (ZSUK) zu melden. Diese Behörden wiederum leiten die Unfallberichte gemäß § 14 Abs. 1 GGVSEB an das Bundesverkehrsministerium (BMVI) weiter.

Wann ein Unfall gemeldet werden muss, ist in 1.8.5.3 ADR/RID/ADN festgelegt. So liegt ein meldepflichtiges Ereignis vor, wenn ein oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Personenschaden – entweder Tod oder eine Verletzung, welche eine intensive medizinische Behandlung, mindestens einen Tag Krankenhausaufenthalt und drei Tage Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte,
  • Produktaustritt von mindestens 50 Kilogramm/Liter (Beförderungskategorien 0 und 1), 333 kg/l (Beförderungskategorie 2) bzw. 1.000 kg/l (Beförderungskategorien 3 und 4); für Stoffe der Klassen 6.2 und 7 gilt die Berichtspflicht unabhängig von der Menge des Produktaustritts,
  • Sach-/Umweltschaden durch einen Gefahrgutaustritt mit einer geschätzten Schadenshöhe von mindestens 50.000 Euro – ohne Berücksichtigung von Fahrzeug- und Infrastrukturschäden,
  • Behördenbeteiligung in der Form, dass eine Behörde oder ein Rettungsdienst die Evakuierung von Personen oder die Sperrung von öffentlichen Verkehrswegen über mindestens drei Stunden infolge der vom gefährlichen Gut ausgehenden Gefahr anordnet.


Laut BMVI gibt es bei den betroffenen Unternehmen keine Interpretationsschwierigkeiten, ab wann die Meldung eines Ereignisses zu erfolgen hat. Dabei lässt das ADR gerade beim Kriterium Produktaustritt doch einigen Interpretationsspielraum. Denn dort heißt es hinter den klar definierten Mengengrenzen, welche auch durch die Freistellungsregelungen nach 1.1.3.6 ADR bekannt sind: "Das Kriterium des Produktaustritts liegt auch vor, wenn die unmittelbare Gefahr eines Produktaustrittes in der vorgenannten Menge bestand. In der Regel ist dies anzunehmen, wenn das Behältnis aufgrund von strukturellen Schäden für die nachfolgende Beförderung nicht mehr geeignet ist oder aus anderen Gründen keine ausreichende Sicherheit gewährleistet ist (z.B. durch Verformung von Tanks oder Containern, Umkippen eines Tanks oder Brand in unmittelbarer Nähe)."

Dadurch, dass in 1.8.5.4 ADR/RID/ADN ein Berichtsmuster für meldepflichtige Ereignisse aufgeführt ist, gehen die Berichte bei den genannten Behörden fast durchweg vollständig ein. Laut BMVI habe sich auch die "Meldewilligkeit" der Unternehmen seit Einführung der Berichtspflicht von Jahr zu Jahr verbessert. "Jedoch ist festzustellen, dass nicht alle meldepflichtigen Ereignisse durch unmittelbare Berichtsvorlage gemeldet worden sind", so das Bundesverkehrsministerium weiter. In Fällen der Nichtmeldung, die zum Beispiel durch andere Berichtssysteme oder durch die Medien bekannt geworden sind, sei die Berichtsvorlage nachgefordert worden.

Das Nichtmelden eines meldepflichtigen Ereignisses kann gemäß § 37 Nr. 19 a) und b) GGVSEB geahndet werden. Der legislative Druck, Gefahrgutunfälle und Produktaustritte der zuständigen Behörde zu melden, dürfte durch die mit dem ADR 2013 eingeführte Frist von einem Monat für die Berichtsvorlage noch einmal erhöht worden sein. Zumindest die 2013 im Vergleich zu den Vorjahren recht hohe Meldezahl ist ein Indiz dafür.

Wichtig für Rechtsfortentwicklung

Schließlich ist das BMVI bzw. der Gesetzgeber auf die Unfallmeldungen auch in gewisser Weise angewiesen. "Grund für die unter 1.8.5 normierte Meldepflicht ist die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung eines hohen Sicherheitsstandes bei der Beförderung gefährlicher Güter. Dabei ist eine wesentliche Eingangsgröße die durch die Berichtspflicht realisierte Erfassung und Auswertung von Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung", heißt es aus dem Ministerium. Unausgesprochen sind die Verpflichteten angehalten, möglichst konkret und detailliert zu berichten, um daraus einen möglichst hohen Erkenntnisgewinn bzw. etwaigen Handlungsbedarf ziehen zu können.

Die Berichte werden dabei natürlich vertraulich behandelt und wie erwähnt geht es nicht um die Klärung der Schuldfrage. "Zur Sicherstellung einer großen Meldeakzeptanz stellen die beteiligten Behörden sicher, dass diese Daten nur den zuständigen Stellen und nur in der für diese Stellen benötigten Form zugänglich gemacht werden", so das BMVI, dem auch allein die Veröffentlichung der jährlichen Ereigniszahlen vorbehalten bleibt. Durch den restriktiven Umgang mit diesen Informationen soll eine zielführende Verbesserung und ein besonders hohes Sicherheitsniveau bei der Beförderung der gefährlichen Güter erreicht werden.

(aus: gela 05/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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