Ab Mitte 2016 wird eine neue Solas-Regel über die verifizierte Bruttomasse von Seecontainern eingeführt. Wie diese von den Akteuren befolgt wird, ist in vielen Details noch unklar.
(skl) Als 2007 die "MSC Napoli" durch einen Orkan in Seenot mit mehr als 30 Grad Schlagseite geriet und infolgedessen mehr als 100 Container über Bord gingen, wurde als eine Ursache für diese Katastrophe eine Differenz zwischen tatsächlichen und in der Ladeliste dokumentierten Containergewichten identifiziert. 20 Prozent der insgesamt 2.300 Container an Bord waren mindestens drei Tonnen schwerer als im Manifest aufgeführt, fand eine britische Untersuchungsbehörde später heraus. Container, die schwerer waren als vom Versender ursprünglich angegeben, gelten auch als Ursache für einen Zwischenfall auf dem Feeder-Schiff "Husky Racer" in Bremerhaven, bei dem 26 Container beim schiffsinternen Umstauen umstürzten. Auf der in Nord- und Ostsee eingesetzten "Annabella" krachte 2007 ein ganzer Containerstapel zusammen, weil das zulässige Stack Weight deutlich überschritten wurde, obendrauf standen drei Tankcontainer mit Butylen.
Falsch deklarierte Bruttomassen von Containern finden sich auf jedem Containerschiff, nicht selten summieren sie sich auf mehrere 1.000 Tonnen pro Schiff. Dadurch können insbesondere bei Staupositionen dieser Container in den oberen Lagen an Deck die Zurreinrichtungen überbeansprucht werden. Zudem kann sich die Intaktstabilität des Schiffs verringern, wenn der Schwerpunkt höher liegt als von der Reederei auf Basis der Kundenangaben berechnet.
Infolge der vermehrten Schiffsunfälle durch "überladene" Container sowie Containerverluste auf Hoher See folgten bei der International Maritime Organization (IMO) Beratungen mit dem Ziel, die Richtigkeit der Gewichtsangaben künftig deutlich zu verbessern. Bislang war es so, dass diese vom Befrachter zu übermittelnden Angaben den Reedereien entweder einfach zu ungenau waren und nur auf Schätzungen oder grober Addition der Sendungsgewichte beruhten. Oder aber das genaue Bruttogewicht eines Containers tauchte – wenn überhaupt – erst dann im Seefrachtbrief auf, als die Stauplanung für das vorgesehene Schiff bzw. der Verladeplan am Terminal längst feststand. So ist zu erklären, dass selbst ursprünglich als Leercontainer deklarierte Boxen, die im Stauplan als solche geführt werden, dann auf dem Schiff plötzlich zig Tonnen Ladung enthalten.
Damit ist nun auf jahrelanges Betreiben der beiden internationalen Reedereiorganisationen World Shipping Council (WSC) und International Chamber of Shipping (ICS) ab Juli 2016 Schluss. Das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (Solas) von 1974 schreibt dann in Kapitel VI Teil A Regel 2 zwingend vor, dass die tatsächliche Bruttomasse eines Containers vor der Stauung auf einem Seeschiff vom Versender anzuzeigen und zu verifizieren ist. Container ohne genaue, verifizierte Bruttomasse dürfen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Terminal verladen werden. Die Regel gilt für alle Container, die unter das Internationale Übereinkommen über sichere Container (CSC) fallen und die auf einem Schiff gestaut werden sollen, auf das das Solas-Kapitel VI Anwendung findet. Das sind grundsätzlich alle Schiffe. Ausnahmen sind Offshore-Container und Container, die auf einem Chassis oder Anhänger verladen und mit einem RoRo-Schiff auf kurzer Seestrecke befördert werden.
Der Schiffssicherheitsausschuss (MSC) der IMO hat 2014 Empfehlungen in Form von Richtlinien herausgegeben, wie die Bestimmungen der Solas-Vorschriften in den 170 Mitgliedsstaaten ausgelegt und angewendet werden können. Diese Richtlinien (MSC-Rundschreiben 1475) umfassen 16 Abschnitte.
Die MSC-Richtlinien wurden Anfang 2015 vom Bundesverkehrsministerium im Verkehrsblatt in deutscher Übersetzung bekannt gegeben. Danach hat man von offizieller Seite nicht mehr viel gehört. Die Umsetzung der neuen, völkerrechtlich verbindlichen Solas-Regel in nationales Recht harrt derzeit (auch) in Deutschland noch der Dinge. Das Bundesverkehrsministerium äußert sich derzeit trotz mehrmaliger Nachfrage nicht zum aktuellen Stand, welche Gesetze in welcher Form angepasst werden. In Frage kommen die Schiffssicherheitsverordnung, in der das Solas-Übereinkommen in deutsches Recht umgesetzt wird, und das Seeaufgabengesetz.
Konkurrierende Gesetzgebung
Grund für die schleppende nationale Umsetzung ist, dass in Deutschland mit seinem föderalen System auch die Länder mit im Spiel sind. Die neue Solas-Regel ist ein Fall der Konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 des Grundgesetzes. Zurzeit werden offenbar immer noch die Zuständigkeiten zwischen Bund und Bundesländern abgestimmt und abgegrenzt.
Der Bereich der Seeschifffahrt ist gemäß Seeaufgabengesetz ganz klar eine Bundesaufgabe. Die Erfüllung der neuen Solas-Regel 2 spielt sich nun aber vor allem an Land ab: die Übermittlung des tatsächlichen Containergewichts vom Befrachter an die Reederei soll primär weit im Hinterland erfolgen, noch lange bevor der Container im Hafen eintrifft. Es existiert aber kein Rechtsinstrument des Bundes, das den Landbereich für eine Seeversendung regeln kann. Die Länder müssen etwa über ihre Hafen(sicherheits)verordnungen die notwendigen Rechtsgrundlagen schaffen, um die Einhaltung der Solas-Vorgaben zu regeln. Dabei wird der Bund wohl auf einer einfachen, unbürokratischen und auch möglichst einheitlichen Umsetzung der Solas-Änderung bestehen – so wie es zum Beispiel auch bei der Einführung des International Ship and Port Facility Security Code (ISPS-Code) im Jahr 2004 der Fall war.
Die Länder müssten zugleich auch bestimmen, wie die Einhaltung der Solas-Regel behördlich kontrolliert und ggf. sanktioniert werden soll. Der Bund hätte hier allenfalls für Schiffe mit deutscher Flagge eine rechtliche Handhabe, und die sind in deutschen Häfen nicht gerade in der Mehrheit. Derzeit sind aber bei den Bundesländern keine Aktivitäten sichtbar, die darauf schließen lassen, dass die genannten Rechtsgrundlagen rechtzeitig geschaffen werden.
Noch keine Zertifizierungen
Nach der neuen Solas-Regel ist der Befrachter – entweder ist dies der Verlader oder aber der Spediteur – für die Verifizierung der Bruttomasse des Containers verantwortlich. Er hat diese rechtzeitig vor Verladung des Containers auf ein Seeschiff zu ermitteln und muss diese der Reederei mitteilen, die diese Information wiederum ans Terminal weitergibt. Für die Ermittlung der genauen Bruttomasse stehen zwei Methoden zur Verfügung:
Auch bei der Zertifizierung von Berechnungsmethoden hinkt Deutschland hinterher. Es ist nicht klar, wer für diese Zertifizierungen verantwortlich zeichnet, denn auch diese fallen eigentlich unter die Zuständigkeit der Länder. Es kann jedenfalls nicht zielführend sein, dass für die Einhaltung einer global gültigen Regelung allein in Deutschland 16 verschiedene Verfahren zur Zertifizierung existieren. Das Bundesverkehrsministerium soll immerhin mit Beteiligung Großbritanniens, Belgiens und der Niederlande an einer teileuropäischen Lösung arbeiten.
Fazit: bis zur Einführung der neuen Solas-Regel ab 1. Juli ist – vom nationalen Gesetzgeber –noch jede Menge zu leisten.
Die Solas-Richtlinien schreiben im Kapitel VI, Teil A, Regel 2 vor, dass der Befrachter die ermittelte Bruttomasse eines beladenen und für den Seetransport bestimmten Containers gegenüber der Reederei angeben muss. Die nationale Umsetzung steht ein halbes Jahr, bevor die weltweit gültige Regelung greift, zwar weiterhin aus – einschließlich der Konkretisierung sehr allgemein gefasster Bestimmungen. Doch die davon betroffenen Unternehmen – exportierende Verlader, Überseespediteure, Containerreedereien und Seehäfen – bereiten sich derzeit unter Hochdruck aufs Containerwiegen vor. Schließlich soll der Übergang zum 1. Juli möglichst reibungslos vonstatten gehen.
Für die Ermittlung der verifizierten Bruttomasse sind gemäß der Solas-Regel zwei Methoden zulässig: das Verwiegen des kompletten Containers nach dessen Versiegelung (Methode 1) oder die Berechnung der einzelnen Bestandteile (Waren, Verpackungen, Ladehilfs- und Sicherungsmittel plus Eigengewicht des Containers – Methode 2).
Großverlader: Alles Berechnung
Große Exportunternehmen dürften eher zu Methode 2 tendieren, wie das Beispiel BASF zeigt. Auf Basis eines 2014 veröffentlichten Leitfadens des Europäischen Chemieverbandes (Cefic) hat der Chemiekonzern schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit den Arbeiten zur Implementierung der neuen Solas-Regel in die bestehenden Prozesse einschließlich IT begonnen. "Wir favorisieren die Additionsmethode, weil in unseren Systemen exakte Gewichtsangaben für verpackte Verkaufsartikel, beispielsweise eine Palette mit vier Fässern eines Produkts, hinterlegt sind", erklärt Hans-Georg Volkenand von der Abteilung Distribution Safety. Standardisierte Prozesse bei der Ladungssicherung erlaubten es ebenfalls, die Gewichte für das verwendete Material im ERP-System zu hinterlegen. Die letzte Komponente, das Container-Tara, liege in der Hoheit der Reedereien bzw. Containerbetreiber und sollte BASF als Verlader zur Verfügung gestellt werden – idealerweise auf elektronischem Wege direkt über eine Schnittstelle ins unternehmenseigene IT-System.
Methode 2 ist im globalen IT-System von BASF voreingestellt. Da die Berechnungsmethode aber jeweils von einer nationalen Behörde zu zertifizieren ist, bedeutet dies für den Konzern, der aus rund 50 Staaten exportiert, im ungünstigsten Fall 50 verschiedene, behördlich genehmigte Zertifizierungsverfahren für die Additionsmethode. "Deshalb haben wir eine weitere Option geschaffen", so Volkenand. "Jeder BASF-Standort kann für sich die jeweilige Methode festlegen." Insbesondere bei Standorten mit wenig Containerversand könne auch die Verwiegung, also Methode 1, durchaus probat sein.
"Die verifizierte Bruttomasse kann also frühestens nach Beladung errechnet oder durch Wiegen ermittelt werden", so Volkenand. Bei fehlenden Additionsmethoden bzw. Wiegeeinrichtungen im verladenden Unternehmen lässt sich die Containerbruttomasse auf dem Weg zum Hafen oder gar erst im Hafen er- und übermitteln. "Deshalb muss die Möglichkeit einer Containerverwiegung im Hafen gegeben sein." Einige Hafenbetriebe werden dies sicher in ihr Geschäftsmodell aufnehmen.
KMU: Eher Komplettverwiegung
Kleinere und mittelständische Unternehmen (KMU), die im Gegensatz zu den Konzernen weder über direkte Kontingente bei den Reedereien noch über die durchdringenden, elektronischen Warenwirtschaftssysteme verfügen, dürften in der Regel die Methode Komplettverwiegung wählen. Hier können sie nicht zuletzt auf die Hilfe von Überseespediteuren setzen, die die komplette Transportabwicklung übernehmen. In diesen Fällen werden die Spediteure dann meist auch in der Rolle des Befrachters sein, der gemäß Solas-Regel die Bruttomassenangabe liefern muss.
Es fragt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur, ob in den Ballungszentren des Hinterlandes ausreichend Waagen zur Verfügung stehen. Zudem gibt es das Problem, dass – wenn der verladende Betrieb über keine Wiegevorrichtung verfügt und die Spedition eine öffentliche Fahrzeugwaage anfahren muss –, der Container abgestellt werden muss, um diesen separat vom Auflieger zu wiegen.
Sinn macht es da, den Container dann zu verwiegen, wenn er ohnehin umgeschlagen werden muss. Der Intermodal-Dienstleister Contargo arbeitet derzeit daran, Reach Stacker auf seinen Terminals mit Wiegesystemen zu versehen. "Wir erproben derzeit in Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern solche Systeme", sagt Andreas Roer, Geschäftsführer von Contargo Rhein-Neckar in Ludwigshafen. Der Wiege-Service soll dann den eher kleineren Kunden angeboten werden, die nicht über die Möglichkeiten zur Erfüllung einer der beiden Methoden verfügen. Man könne theoretisch auch Portalkräne mit solchen Wiegevorrichtungen ausstatten, sagt Roer. Allerdings müssten die Kräne, um exakt zu wiegen, nach dem Anheben des Containers für mindestens zwei Minuten verharren, bis dieser ausgependelt ist und absolut still an den Seilen hängt.
Wiegeeinrichtungen müssen laut Solas-Regel den Genauigkeitsanforderungen des Staates genügen, in dem sie verwendet wird. Für Europa kündigt sich an, dass Wiegeeinrichtungen bei Methode 1 die Richtlinie 2009/23/EG erfüllen und hierbei die Genauigkeitsklasse IIII aufweisen müssen, die eine Fehlertoleranz von rund zwei Prozent zulässt. Werden einzelne Bestandteile der Ladung zur Anwendung der Berechungsmethode 2 gewogen, sind genauere (Handels-)Waagen der Genauigkeitsklasse III zu verwenden.
Spediteure: Zwischen den Stühlen
Spediteure sind erst recht dann in der Rolle des Befrachters und somit direkt von den neuen IMO-Vorgaben betroffen, wenn sie selber Container beladen oder beladen lassen, zum Beispiel in Sammelcontainerverkehren. Wenn Container erst in den meist direkt in den Häfen angesiedelten Packbetrieben beladen werden, sind natürlich auch diese Unternehmen Befrachter und damit Ausgangspunkt der Informationskette. Bei Dettmer Container Packing (DCP,) einem der größten Anbieter für Sammelcontainer, setzt man – so wie die Intermodal-Dienstleister im Hinterland – ebenfalls auf Wiegesysteme in Reach Stackern. "Wir lassen diese gerade einbauen", sagt Arnold Bindemann, Niederlassungsleiter bei DCP Bremen. Methode 1 sei für ihn weniger aufwändig als die Berechnungsmethode. Hierfür spreche auch, dass die von den Versendern übermittelten Gewichtsangaben oft nicht stimmen. Regelmäßig werde etwa das Gewicht von Paletten einfach vergessen.
Die Angabe der verifizierten Bruttomasse kann laut den globalen Durchführungsrichtlinien zur Solas-Regel Bestandteil der Versandanweisungen bzw. des Beförderungspapiers oder eine getrennte Mitteilung an die Reederei sein. Praktiziert wird wohl eher ersteres, also dass die verifizierte Bruttomasse in einem neuen Feld in den bisher üblichen Transportpapieren auftaucht. Die eigentliche Wiegenote bleibt beim Befrachter. Ungeachtet seiner Form muss das Dokument, in dem die bestätigte Bruttomasse eines beladenen Containers angegeben ist, von einer durch den Befrachter bevollmächtigten Person unterzeichnet sein. Die Unterschrift darf durch eine elektronische Signatur erfolgen oder durch den Namen der ermächtigten Person in Großbuchstaben ersetzt werden.
Mit der Mitteilung an die Reederei erfüllt der Befrachter seine Verpflichtung aus den Solas-Richtlinien; bei verkehrsträgerübergreifenden Containerverkehren ist die Bruttomasse auch der Partei mitzuteilen, die den Container als nächste übernimmt. In den Verantwortungsbereich der Reederei fällt dann die Weitergabe der bestätigten Bruttomasse an das Hafenumschlagsunternehmen. Ob ein Container an Bord eines Schiffes verladen wird, entscheidet letztlich immer die Reederei bzw. der Kapitän. Daran ändern auch die neuen Solas-Richtlinien nichts. Das Vorliegen der bestätigten Bruttomasse ist Voraussetzung dafür, dass ein Container an Bord eines Schiffes verladen wird – ein Anspruch auf Verladung ergibt sich daraus jedoch nicht.
Reedereien: Was ist rechtzeitig?
Das Solas-Übereinkommen schreibt keine Frist vor, innerhalb derer der Befrachter Angaben zur bestätigten Bruttomasse vorlegen muss, sondern weist lediglich darauf hin, dass solche Angaben "rechtzeitig" eingehen müssen, damit sie von der Reederei für den Stauplan des Schiffes verwendet werden können. Insofern werden die Reedereien individuelle Fristen festlegen, die in der Regel nicht den Vorstellungen der Verlader entsprechen dürften.
Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Reederei, will diese Frist im Januar festlegen. Sie soll ebenso strikt eingehalten werden wie zum Beispiel die Fristen für die Anmeldung von Gefahrgutsendungen an die Behörden der Seehäfen. "Liegt die Bruttomasse nicht vor, wird der Container nicht verladen und muss aufs nächste Schiff warten", so Unternehmenssprecher Rainer Horn. Der von der Reederei bevorzugte Weg der Informationsübertragung ist elektronisch: die neue Vermas-Standard-Message.
Nicht korrekt angegebene Containergewichte sind ein gravierendes Problem für die Reedereien. "Bisher merkt man das erst, wenn das Schiff beladen ist und sein Tiefgang nicht mit der vorberechneten Größe übereinstimmt", so Horn. Teilweise habe es hier schon Gesamtgewichtsabweichungen von bis zu zehn Prozent gegeben. Neben dem Sicherheitsaspekt – immer wieder kommt es zu Schiffsunglücken aufgrund mangelnder Stabilität sowie Containerverlusten auf Hoher See – könnten Reedereien ihre Schiffe auch nicht optimal ausnutzen, wenn es zu solchen Überladungen kommt.
Die neue Solas-Regel ist so konstruiert, dass eine Verwiegung im Seehafen nicht den Regelfall darstellt. Denkbar ist dies nur für Nachzügler, die die durch die Reederei festgelegte Frist doch noch erfüllen – etwa dann, wenn das Schiff verspätet eintrifft – und natürlich bei behördlichen Kontrollen. "Ein Wiegen am Terminal dürfte prinzipiell zu spät sein", so Hapag-Lloyd.
Gleichwohl finden sich in Abschnitt 13 der Solas-Durchführungsrichtlinien Erläuterungen für den Fall, dass ein Container an einer Hafenumschlagsanlage angeliefert wird, ohne dass die bestätigte Bruttomasse vorliegt: "Um eine reibungslose Weiterbeförderung solcher Container zu ermöglichen, können der Kapitän oder dessen Vertreter und der Vertreter der Umschlagsanlage die bestätigte Bruttomasse des Containers bestimmen. Dies kann durch Wiegung des Frachtcontainers in der Umschlagsanlage oder anderswo erfolgen."
Seehäfen: Wiegen schwierig
Wie ist es also um die Verfügbarkeit von Waagen in den See-Terminals bestellt? "Wir verfügen derzeit nur vereinzelt über Fahrzeugwaagen an einigen unserer Containerterminals", sagt Heinrich Goller, Leiter Containerbetrieb bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburgs größtem Umschlagsunternehmen. Es befänden sich indes Waagen in fast allen Umschlagsgeräten. Dabei handelt es sich aber um Schutzwaagen, die auf die Überschreitung der zulässigen Maximalgewichte reagieren. Das erlaubte Bruttogewicht der meisten 20- und 40-Fuß-Container ist 30.480 Kilogramm.
Ob im Zuge der neuen Solas-Regel neue Wiegeeinrichtungen im Hamburger Hafen eingerichtet werden, steht derzeit noch nicht fest. Weil die Umsetzung der globalen Regel in nationales Recht weiterhin auf sich warten lässt – Bund und Länder grenzen immer noch ihre Zuständigkeiten ab –, sind viele Details der neuen Regelung noch ungeklärt. "Die Klärungen warten wir derzeit ab", so Goller. "Ob wir für Einzelfälle vorhandene Wiegeeinrichtungen umrüsten oder neue Waagen bereitstellen müssen oder ob dies eher an einer zentralen Stelle im Hafen organisiert werden sollte, hängt von der Klärung der Detailfragen ab."
Immerhin aber hat die neue Solas-Regel schon Eingang in die ab September 2015 geltenden HHLA-Kaitarife gefunden. Dort wird für das Wiegen eines Containers im Zuge der Anlieferung am größten Terminal Burchardkai 58,60 Euro festgesetzt. Während der Lagerung auf dem Terminal ist dieses Entgelt um ein Vielfaches teurer.
Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) hat bereits Mitte 2015 eine frühzeitige Rechts- und Planungssicherheit für seine Mitglieder im Hinblick auf die Implementierung und Optimierung von notwendigen Prozessen im Zuge der Einführung der neuen Solas-Regel gefordert. "Das wird nun bis zum 1. Juli sehr schwierig ", sagt ZDS-Geschäftsführer Lutz Könner. Er rechne aber damit, dass sich die Umsetzung der neuen Regelung zwischen den Beteiligten in wenigen Jahren eingespielt haben wird.
Streitpunkt: Toleranz
Ein wichtiger Streitpunkt ist bisher noch die für die Berechnungsmethode zulässige Toleranz. Der anfangs erwähnte Cefic-Leitfaden schlägt eine Abweichung von maximal fünf Prozent vor. Schließlich führten neben technisch bedingten Toleranzen bei den Waagen schon kleine Differenzen bei den in den Warenwirtschaftssystemen erfassten Einzelgewichten von Produkten, Verpackungen, Paletten und Ladungssicherungsmitteln zu spürbaren Differenzen, wenn sich diese dann im Container summieren. Zudem könne sich das Gewicht einzelner Ladungsbestandteile während des Transports durch wechselnde Luftfeuchte und Temperatur verändern. Dies gelte vor allem für Paletten, Holzverpackungen und Sicherungsmittel aus Holz. Testverwiegungen, die im Rahmen der Erstellung des Cefic-Leitfadens durchgeführt wurden, zeigten bei 20 Holzpaletten eine Differenz von insgesamt 50 Kilogramm durch klimabedingte Schwankungen. Auch beim Container-Tara können erhebliche Differenzen zwischen der tatsächlichen Masse und dem auf dem CSC-Schild am Container ablesbaren Masse bestehen. Die Untersuchungen ergaben Abweichungen von bis zu 200 Kilogramm beim Leergewicht.
Dem ZDS und naturgemäß auch den Reedereien wie Hapag-Lloyd ist eine Toleranz von bis zu fünf Prozent viel zu hoch. Bei einem Container-Bruttogewicht von bis zu 30 Tonnen ergebe sich so eine Differenz von 1.500 Kilogramm pro Box. Auf einem Schiff, das mehrere tausend Container geladen hat, könne dies dann zu einer zu hohen Gesamtabweichung führen. Damit sei man dann fast wieder bei den derzeitigen Zuständen vor Einführung der Solas-Regel. Je geringer die Toleranz, desto größer der Gewinn an Sicherheit im Seeverkehr, so Hapag-Lloyd.
Blick auf Gefahrgut
Die neue Solas-Regel gilt grundsätzlich für alle Schiffe bzw. alle Seecontainer, also auch solche, die Gefahrgüter enthalten. Für Gefahrgutcontainer sind verpflichtende Gewichtsangaben nichts völlig Neues, schließlich mussten Brutto- und Nettomasse schon immer im Beförderungspapier genannt sein. Das Gewicht der Ladungssicherungsmittel und das Container-Tara spielten aber auch hier bislang keine Rolle.
Einen Sonderfall bilden Tankcontainer, für die – so wie für alle Massen- und Schüttgüter – nur die Methode Komplettverwiegung infrage kommt. Die Erfüllung der Solas-Regel scheint einfacher: Man hat nur ein Produkt und keinerlei Verpackungen, Lade- oder Sicherungsmittel. In der Regel wird ab Werk gewogen, alternativ lässt sich das Gewicht auch bei der Verladung über den Durchflusszähler und die Produktdichte bestimmen. Ein Problem ist aber, dass zuweilen gerade Verlader in Übersee das Gewicht künstlich erhöhen, um beim Empfänger mehr abzurechnen. Und es ist allgemein üblich, dass viele Tankcontainer erst vor dem "Closing" der Reedereien im Seehafen eintreffen.
(aus: gela 12/15, www.gefaehrliche-ladung.de)
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