Riesensäcke auf dem Vormarsch

FBC – Nachdem flexible Schüttgutcontainer BK3 – extragroße Bigbags mit bis zu 15 m3 Volumen – schon in UN Model Regulations und IMDG-Code Einzug hielten, verzögert sich deren Einführung im europäischen Landverkehr.

(Jan Werner, BAM, Berlin) Die Beförderung von Gütern in loser Schüttung findet zumeist in großen Laderäumen statt, die Befüllung und Entleerung erfolgt durch Ausbaggern. Gefahrgüter in loser Schüttung werden häufig in Containern oder in kleineren Flexible Intermediate Bulk Containern (FIBC) mit maximal 3 m³ Kapazität, auch Bigbags genannt, befördert.

Ein russisches Unternehmen hat nun vor einiger Zeit eine neue Umschließungsart "erfunden": die extragroßen, ursprünglich bis zu 10 m3 Inhalt fassenden FIBC, sollten den Umschlag von Schüttgütern erleichtern. Das Befüllen und Entleeren von normalen Containern erschien offenbar als nicht praktikabel. Der technische Name der neuen Umschließung lautet Flexible Bulk Container (FBC). Die "Riesensäcke" können nahezu wasserdicht verschlossen werden und haben im Bedarfsfall ein Belüftungsventil. Der russische Hersteller und sein Verband, die International Dangerous Goods Container Association (IDGCA), versuchen seit einigen Jahren, FBC auch für den internationalen Gefahrguttransport einzusetzen.

Die neue Umschließungsart stellt eine Zwischengröße zwischen komplett loser Schüttung zum Beispiel im Eisenbahnwagen und einzelhandelsgerechter Verpackung dar. Resultierend aus der Annahme (der IDGCA), dass in "normalen" Eisenbahnwagen bis zu 70.000 kg Ladung befördert werden können und fünf der neuen Umschließungen in einen solchen Eisenbahnwagen hineinpassen, ergibt sich eine Bruttomasse von 14.000 kg pro FBC. Gekennzeichnet werden diese FBC durch folgende maximale Parameter:

  • Durchmesser: 2.300-2.400 mm
  • Höhe: 2.500 mm
  • Eigenmasse: 70 kg
  • Typenbezeichnung: MK-14-10

Eigenschaften von FBC

Die FBC wurden über viele Jahre für die verschiedensten Beförderungsvorgänge eingesetzt. Es gab keine gravierenden sicherheitstechnischen Bedenken im Umschlag der FBC oder bei der Beförderung, die zunächst nur innerhalb Russlands erfolgte, dann grenzüberschreitend zwischen Russland und Staaten der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) sowie Ungarn und Rumänien.

Die Vorteile der FBC reichen von dem vereinfachten Umschlag gegenüber herkömmlichen Containern über die optimale Nutzung des Fassungsraums und die geringe Gefahr der elektrostatischen Aufladung bis hin zu der auf ein Minimum reduzierten Leermasse (ca. 70 kg) und das deutlich geringere Volumen beim Rücktransport der FBC.

Die Handhabung der neuen Umschließung ist relativ einfach. Die FBC können oben komplett geöffnet werden. Für das Befüllen werden die FBC in einen Käfig gehängt, der quasi den gesamten oberen Querschnitt freigibt. Somit kann einfach von oben durch eine Befüllvorrichtung befüllt werden. Nach der Befüllung werden die FBC an ihren acht Schlingen aus dem Käfig gehoben, verschlossen und auf die entsprechende Beförderungseinheit verladen.

Das Entladen erfolgt durch einen im Bodenbereich des FBC angebrachten "Entleerungsrüssel". Hierzu wird der FBC zunächst angehoben und ein Ventil geöffnet, so dass das enthaltene Schüttgut ausfließt.

Gefahrgutbeförderung

Von Anfang an handelte es sich bei den beförderten Gütern auch um Gefahrgüter im Sinne der UN Model Regulations, also beispielsweise

  • UN 1350 Schwefel (Klasse 4.1),
  • UN 3077 Kohle (Klasse 9),
  • UN 1942 Ammoniumnitrat (Klasse 5.1),
  • UN 2067 Ammoniumnitrathaltige Düngemittel (Klasse 5.1).

Nach Aussage der IDGCA wurden beim Umgang mit diesen Gefahrgütern in FBC in vielen Jahren der Erfahrung (12 Jahre) keine Auffälligkeiten oder gar Unfälle verzeichnet.

Insofern erschien es dem Verband sinnvoll, einen Antrag beim ECOSOC Sub-Committee of Experts on the Transport of Dangerous Goods (TDG) der UN auf Aufnahme der FBC in die Gefahrgutmodellvorschriften zu stellen und somit diese Umschließungsart auch außerhalb der GUS verwenden zu dürfen.

So geschehen dann erstmals im Jahr 2007 auf der 31. Sitzung des ECOSOC TDG. Der Antrag lautete auf Erweiterung des Fassungsvermögens von FIBC auf maximal 10 m³, er bezog sich nur auf die Beförderung fester Gefahrgüter der Verpackungsgruppe III. Im Ergebnis der Sitzung konnte dies jedoch nicht bestätigt werden. Es gab Bedenken hinsichtlich der Prüffähigkeit dieser FBC bei der Anwendung der für FIBC geforderten Tests, insbesondere des Top-Lift-Tests, bei dem der FIBC mit der sechsfachen Bruttomasse beladen und gehoben werden muss – im vorliegenden Fall hätte dies ein Prüfgewicht von 84.000 kg bedeutet! Vielmehr sollte bei einem weiteren Antrag über eine neue Art der Verpackung für lose Schüttung mit eigenen Prüfanforderungen nachgedacht werden. Diese sollte dann gesondert Einzug in die Gefahrgutvorschriften finden.

Auf der 35. Sitzung eben jenes ECOSOC TDG wurden zusätzlich Forderungen bezüglich der Anforderungen an die Kon­struktion, des Gebrauchs und der Instandhaltung sowie Handhabungsprozeduren für den Umschlag zwischen Fahrzeugen und Schiffen vorgestellt und diskutiert. An den Vorgaben für die Prüfung wurde festgehalten, hier standen nach wie vor die FIBC-Tests im Fokus. Im Ergebnis dieser Sitzung stand der Vorschlag der Einführung dieser FBC als neue Schüttgut-Container BK3 (in Erweiterung der bereits bestehenden echten Container BK1 und BK2) sowie die Implementierung in den entsprechenden Kapiteln für Schüttgut-Container in den UN Model Regulations.

Der konkrete Textvorschlag wurde dann in der 36. Sitzung des ECOSOC TDG präsentiert. Allerdings fanden sich hier plötzlich eine ganze Reihe von Gütern der Verpackungsgruppe II in der Liste der mit BK3 möglicherweise zu befördernden Stoffe. Im Ergebnis der Diskussion wurde der Vorschlag jedoch positiv bewertet. Einzelne Fragen zur Festsetzung von Ober- und Untergrenzen der Abmessungen, Gebrauchsdauer und wiederkehrenden Prüfungen wurden aufgeworfen. Verschiedene Delegationen stellten zudem Fragen, welch wirklichen Nutzen die Verwendung dieser neuen FBC bringen könnte, der nicht über die heute zulässigen FIBC oder Schüttgut-Container abgedeckt werden kann. Eine befriedigende Beantwortung gab es nicht. Für die alleinige Verwendung im Bereich des IMDG-Codes kann der BK3 ja immerhin Vorteile bringen, es müssen beispielsweise keine Schüttladungen mehr aufwändig ausgebaggert werden, ein einfacher Hafenkran genügt, um die Ladung zu löschen.

Im Report der 37. Sitzung des ECOSOC TDG lässt sich dann lesen, dass sich eine Mehrheit der Delegationen für eine Weiterbeschäftigung mit dem Thema FBC als BK3 ausgesprochen hatte und die Aufnahme dieser Umschließungsart in die UN Model Regulations (Orange Book) befürwortete. Die näheren Untersuchungen hierfür sollten in einer Arbeitsgruppe besprochen werden, deren Ergebnisse auf der nächsten Sitzung präsentiert wurden. Besonderes Augenmerk lag auf der Beförderung mit Straßenfahrzeugen, da hier die größten Schwierigkeiten erwartet wurden. Nach Informationen der IDGCA waren Fahrzeuge mit Seitenwänden von mindestens zwei Drittel der Höhe der FBC zu verwenden. Alternativ sollten die FBC ladungsgesichert werden, beispielsweise mittels Niederzurren. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war auf 50 km/h festgesetzt.

Auf der 38. Sitzung im November 2010 wurden die neuen Ergebnisse dann präsentiert. Allerdings wurden Fragen lauter, die die Stabilität von Fahrzeugen betrafen, auch da ein einfaches Niederzurren der FBC auf quasi offenen Ladeabteilen von Lkw als nicht praktikabel erschien. Mehrere Delegationen sprachen sich dafür aus, zunächst weiter national oder auf Grundlage bilateraler bzw. multilateraler Übereinkommen Erfahrungen zu sammeln und zu einem späteren Zeitpunkt zum Sub-Committee zurückzukehren. Dennoch verabschiedete das Sub-Committee die Aufnahme der FBC als neue, intermodale Ladeeinheiten mit der Bezeichnung BK3 und den zuvor beschriebenen, von den FIBC übertragenen Prüfvorgaben. Folgende Auflagen wurden erlassen:

  • maximale Verwendungsdauer 2 Jahre,
  • Belüftungsventile (sofern vorhanden) dürfen kein Eindringen von Fremdkörpern zulassen,
  • keine Beförderung von Gütern der Klasse 4.3,
  • kein gestapelter Transport auf Straße und Schiene.

Die Verpackungsgruppe beschränkte sich nun auf VG III. In der Form wurden die Vorschriften in der 17. Auflage der UN Model Regulations (Kapitel 6.8.5) veröffentlicht.

Übersehen wurde hier offenbar, dass sich die Größenbeschränkungen nur auf das Volumen, nicht aber auf mögliche einzuhaltende Massen konzen­trieren. Es war zudem noch längst nicht erwiesen, ob die jetzt zulässigen BK3 überhaupt in der Lage wären, die beschriebenen Tests zu bestehen. Die für den ursprünglichen Antrag vorgelegten Testergebnisse gingen von FBC mit 14.000 kg Bruttomasse und maximal 10 m³ Volumen aus (daher die erwähnte Typenbezeichnung MK-14-10). Heute finden sich in den Vorschriften maximale Volumina von 15 m³. Tests mit diesen um ein Drittel vergrößerten FBC standen noch aus. Desweiteren wurde zwischenzeitlich die Bauart variiert, wozu ebenso noch keine Testergebnisse vorlagen.

Sicherlich ist es nicht üblich, vor der Einführung neuer Umschließungsarten die Durchführung konkreter Tests zu verlangen. Das Bestehen der in den Gefahrgutvorschriften vorgegebenen Tests ist in jedem Fall Voraussetzung für eine Baumusterzulassung. In diesem speziellen Fall sollte allerdings eine Verifizierung der von den FIBC her stammenden Tests für die FBC/BK3 erfolgen.

Blickt man heute in den IMDG-Code, der die Vorschläge des Orange Book bezüglich der BK3 zeitnah umgesetzt hat, finden sich immer noch die seinerzeit hinterfragten Tests für die FIBC. Einziger Unterschied der FBC zu den FIBC ist, dass die FBC nun als Schüttgut-Container BK3 bezeichnet werden anstatt als "extragroße" FIBC. Von den Prüfanforderungen her sind jedoch in den Tests Stapeldruck- sowie Weiterreißprüfung verschärfte Anforderungen enthalten. Die ursprüngliche Idee, die FBC als neue Umschließungsart mit eigenen Prüfvorgaben zu implementieren, ist aber völlig vergessen worden. Darüber hinaus ist bis dahin nicht nachvollzogen worden, ob die FIBC-Tests überhaupt übertragbar sind für solch vergrößerte Massen und Volumina, wie sie jetzt bei den BK3 vorherrschen – der Top-Lift Test muss demnach tatsächlich mit 84.000 Kilogramm durchgeführt werden. Die ursprünglichen Tests wurden schließlich einmal für FIBC mit einem maximalen Volumen von 3 m³ entwickelt.

Es fällt weiterhin auf, dass sämtliche Anforderungen aus dem IMDG-Code Unterabschnitt 6.5.5.2 ("Besondere Anforderungen an FIBC") wie Werkstoffeignung und Herstellungsvorgaben außer Acht gelassen wurden. Ebenso ist das Verhältnis von Höhe zu Breite des gefüllten FIBC von 2:1 nirgendwo wiederzufinden.

Fakt ist, dass die BK3 bereits im heute gültigen 36. Amendment des IMDG-Code als in Deutschland rechtsverbindlich erklärte Gefahrgutvorschrift Einzug gefunden haben und theo­retisch durch die zuständige Behörde (nach positiver Prüfung durch eine Prüfstelle) zugelassen werden können. Zuständige Behörde ist hier laut GGVSee § 6 (5) die Bundesanstalt für Material­forschung und -prüfung.

In der Regel greifen die Gefahrgutvorschriften für den europäischen Binnenverkehr RID/ADR/ADN nach der Einführung neuer Vorschriften in den UN-Model-Regulations diese in gleicher Weise auf, wie es der IMDG-Code tut. Also wurde im Herbst 2011 auf der gemeinsamen RID/ADR/ADN-Tagung eben jener Vorschlag – FBC als BK3 – diskutiert und zunächst positiv verabschiedet. Da die Anforderungen aber sehr verkehrsträgerspezifisch erschienen, sollte das Thema in den einzelnen Gremien (WP.15, RID-Fachausschuss, ADN-Sicherheitsausschuss) näher diskutiert werden.

Zusätzlich wurde wiederum eine internationale Arbeitsgruppe einberufen, die sich zu offenen Fragen, aber auch zu den noch immer ausstehenden Nachweisen der Eignung der UN-Tests für FIBC auch für die neuen BK3 beschäftigte. Es sollten Fragen zum Verhältnis von Abmessungen zu Masse, Verladung, Umschlag sowie möglichen Stabilitätsproblemen bei Beförderungsfahrzeugen diskutiert werden. Im Ergebnis konnte ein den UN Model Regulations gegenüber leicht veränderter Textvorschlag zur Abstimmung in den verkehrsträgerspezifischen Gremien und der Gemeinsamen Tagung vorgelegt werden. Dieser Textvorschlag wurde, vorbehaltlich der noch ausstehenden Testergebnisse der UN-Tests sowie eines Nachweises der Kippstabilität von Beförderungsfahrzeugen, angenommen.

Die entsprechenden Nachweise sollten zur 96. Sitzung der WP.15 im Mai 2014 vorliegen. Allerdings waren die Prüfergebnisse sehr kurzfristig vorgelegt worden und enthielten zudem noch inhaltliche Differenzen. Die WP.15 entschied daher mehrheitlich, das Thema auf die nächste Sitzung zu verschieben, der RID-Fachausschuss schloss sich an.

Die Bearbeitung der neuen Regelwerke benötigt stets einen gewissen Vorlauf, so dass eine Einführung im RID/ADR 2015 nicht mehr möglich ist. Es bleiben nun weitere zwei Jahre, in denen die Erweiterung der Gefahrgut-umschließungen für lose Schüttung entschieden werden kann. Eine Einführung der BK3 im RID/ADR ist somit frühestens im Regelwerk 2017 zu erwarten. Es steht also zu vermuten, dass der erste BK3 auf deutschen Straßen noch auf sich warten lässt und die "Riesensäcke" noch ein paar Jahre auf Osteuropa beschränkt bleiben. Ob diese aber tatsächlich eher Schüttgut-"Container" als eine neue Umschließungsart sind, bleibt fraglich.

(aus: gela 09/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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