Marktbericht – Die in Europa tätigen Chemielogistiker bauen trotz eines erwarteten Mengenrückgangs ihre Kapazitäten aus. Das geschieht auf sehr unterschiedliche Weise, wie die jüngsten Branchenmeldungen zeigen.
(skl) Die Zeichen stehen seit Ende vergangenen Jahres auf Rezession. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres ging die Produktion der deutschen Chemieindustrie stark zurück: um zehn Prozent gegenüber dem dritten Quartal, um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. „Die nachlassende Nachfrage in Deutschland und Europa zwang die Unternehmen, ihre Produktion stark zu drosseln“, so Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI). Für 2019 wird nun ein schwaches Chemiejahr erwartet: der VCI rechnet mit Rückgängen bei Produktion (-3,5 Prozent) und Umsatz (-2,5 Prozent) gegenüber 2018.
Die Chemietransporteure sehen die Lage derzeit noch optimistisch. Noch vor Jahresfrist gaben viele Logistiker an, mit der Abarbeitung der Transportaufträge kaum noch hinterherzukommen. Grund Nummer Eins: der anhaltende Fahrermangel. Nun gibt ihnen die Konjunkturdelle womöglich die Gelegenheit, die Kapazitäten neu zu justieren.
Imperial Logistics vergrößert sogar die Tankfahrzeugflotte: Im März nahm das Unternehmen mit Sitz in Duisburg neben 45 Sattelzugmaschinen 55 Tanksattelauflieger und Tankcontainer/Chassis-Kombinationen in Betrieb. Die neuen Transporttanks haben verschiedenste Spezifikationen (Beheizung, Innengummierung, Pumpen etc.), um eine große Produktspanne abzudecken. Zur generellen Ausstattung gehören Totmannschaltung, Grenzwertgeber, Untenbedienung und Wegfahrsperre (bei geöffneten Ventilen/Handläufen). „Es ist unsere bisher größte Einzelfahrzeug-Akquisition“, so Chief Executive Officer (CEO) Hakan Bicil. „Damit wollen wir den wiederkehrenden Kapazitätsengpässen bei unseren Kunden entgegenwirken.“ Mit der Flottenerweiterung sei man zudem für den Gewinn von Marktanteilen gut gerüstet, schon in den vergangenen vier Jahren ist die Sparte Straßentanktransporte jährlich zweistellig gewachsen. Die Zahl der gezogenen Einheiten steigt bei Imperial auf nun 500 Tanksattelauflieger und Chassis.
Auch der Schweizer Tanklogistiker Bertschi baute seine Flotte aus: die Zahl der weltweit eingesetzten Tank- und Silocontainer stieg im vergangenen Jahr um neun Prozent auf 34.500. Daneben wurde auch in Terminal- und Lagerkapazitäten investiert. So nahm Bertschi im Hafen von Antwerpen ein neues Umschlagzentrum für Import, Handling und Lagerung von Kunststoffen aus Übersee in Betrieb. Das Areal soll in den kommenden Jahren in Etappen zu einem bedeutenden Chemielogistik-Terminal erweitert werden. „Dabei sollen auch flüssige Gefahrgüter gelagert und die Verteiltransporte zu den europäischen Verbrauchszentren direkt ab dem Terminal auf dem sicheren und umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene geführt werden“, so CEO Jan Arnet, der 2018 Hans-Jörg Bertschi an der Spitze des Unternehmens ablöste. Für die begleiteten Verkehre auf der Straße führte Bertschi die App Truck Tracer ein, mit deren Hilfe jeder Fahrer per Smartphone Statusmeldungen des Transports für eine zentrale Firmen-Plattform erfasst, um so die Transportplanung insgesamt zu optimieren.
Investition in Telematik
Hoyer konnte Anfang 2019 die Ausstattung von bereits 10.000 Tankcontainern als so genannte Smart Tanks vermelden. „Eine Überwachung der beförderten Produkte hinsichtlich Parametern wie Temperatur, Füllstand, Druck und Verortung des Tankcontainers sind heute wichtige Faktoren, mit der die Sicherheit, Effizienz und kontinuierliche Qualität der Transporte gewährleistet wird“, so Heiko Rumfeld, Direktor der Hoyer-Geschäftseinheit Netlog. Kritische Ladungswerte werden durch das Atex-zertifizierte Telematiksystem schnell erkannt.
DHL verkauft die Tanklogistiksparte in Großbritannien an die dort beheimatete Suttons Group. Dies wurde im April bekannt, über den Kaufpreis äußerten sich die Unternehmen nicht. DHL betrieb Chemietransporte von Billingham (bei Middlesbrough) und Runcorn (bei Liverpool) aus, dies ergänzt sich gut mit den Aktivitäten von Suttons.
Der niederländische Gas- und Chemielogistiker Den Hartogh hat seit Anfang des Jahres einen neuen Mitbesitzer: die Reederei MOL Chemical Tankers (MOLCT) aus Singapur übernahm 20 Prozent der Aktien an der Den Hartogh Holding. Die Unternehmen planen die gemeinsame Nutzung von Tankcontainern, Produktentankern und Tankterminals. Den Hartogh bringt in die Partnerschaft 19.000 Tank- sowie 7.000 Silocontainer ein. MOLCT ist in erster Linie Betreiber von Produktentankern für flüssige Chemikalien und will demnächst ein Tankterminal in Antwerpen errichten.
Bay Logistik nahm Ende April rund einen Kilometer vom Firmensitz in Waiblingen (Baden-Württemberg) entfernt eine neue Tankreinigungsanlage in Betrieb. Sie besteht aus zwei getrennten Reinigungsbahnen für chemische Produkte und Lebensmittel. Es kann mit bis zu fünf Spülköpfen gleichzeitig gearbeitet werden, zudem gibt es einen Powerreinigungskopf für Tankcontainer bzw. großvolumige Kammern in Tankaufliegern.
BASF stellt Standortlogistik um
Doch nicht nur die Logistiker bauen ihre Kapazitäten in der Flotte und den festen Anlagen aus. Der Chemiekonzern BASF ist am Hauptsitz Ludwigshafen mitten in der Einführung eines völlig neuen Logistikkonzeptes (siehe gela 08/2017 „Rail 4.0 bei BASF“). Dazu gehören extragroße, bahnoptimierte Tankcontainer, autonom auf dem Werksgelände verkehrende Transportfahrzeuge (Automated Guided Vehicles, AGV) und ein Ende 2018 fertiggestelltes Tankcontainerlager. Die AGV sollen neuartige 45- und 52-Fuß-Tankcontainer befördern, die BASF mit dem belgischen Hersteller Van Hool nach dem Vorbild der herkömmlichen, 20 Fuß langen Tankcontainer entwickelt hat. Bisher bestellte der Konzern neben kleineren Tankcontainern rund 160 der „Riesen-Tanks“, gebaut werden diese in China.
Die so genannten BASF-Class Tank Container (BTC) erlauben eine Zuladung von maximal 66 Tonnen und lassen sich sowohl per Schiene, als auch per AGV im Werk über Straßen befördern. Durch den Einsatz von BTC und AGV reduziert sich im Vergleich zum Kesselwagen die Zeit für die Anlieferung einer Tankladung vom BASF-Bahnhof zu einer der über 150 Ladestellen am Standort von heute rund 22 Stunden auf etwa eine Stunde in Zukunft. Das bahnbrechende Konzept soll außer in Ludwigshafen nun auch an anderen europäischen Standorten eingeführt werden.
Das Fachmagazin "gefährliche ladung" berichtet in seiner Mai-Ausgabe weiter über die jüngst veröffentlichte Tankcontainer-Studie sowie neue Leitfäden der International Tank Container Association (ITCO) sowie die Präsentation eines neuen Kesselwagen-Typs, der aus dem Leichtmetall Titan hergestellt wird.
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gefährliche ladung
Das Magazin für die Gefahrgut-Logistik
Zeitschrift, 12 Ausgaben pro Jahr
ISSN 0016-5808
Storck Verlag Hamburg
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